Privat, Köln: Mülheim Asozial (DE), Kackschlacht (DE), Rattenkönig (DE), Schmutzstaffel (DE)

(7 – 82/2013 – 964)*

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Samstag, 09.11.2013, 17:20 Uhr: Manchmal ergeben sich Alternativalternativen, die keine Ahnung was. Mülheim Asozial ist, da sind sich die voll Geleerten Fö und Rüdi einig, der "neue heiße Scheiß". So sagt die Jugend heute offenbar. Und da ist früh ausverkauft, sagen auch alle. Also fahren wir so hin, dass wir über eine Stunde vor Einlass angekommen. Ich bin sowas ja gewohnt. Ansonsten sieht der Speisezettel drei weitere Bands vor, die ich tatsächlich allesamt nicht kenne und die vom Namen her Teutschpunk der allerübelsten Sorte versprechen. Latte, Köln is schön und dieser kleine "Privatclub" sowieso. Prost!

17:31 Uhr: Erkenntnis Nummer eins. Essen sieht aus wie Spanien. Aber volle Pulle. Das fällt mir auf, als ich während der U-Bahn-Fahrt aus dem Fenster blicke und im Haltestellenschaukasten den Stadtplan entdecke. Von der Form ist das ne 1:1-Kopie. Nur Malle fehlt. Ein Glück. Wat sonst hier los wär, ey.

17:55 Uhr: Eins zu Eins Kopie die Zweite. Cindy aus Marzahn fegt mit einem Strauß voller Billigrosen am Bahnsteig an mir vorbei und fragt mich, was ich dafür geben würde. Ja, nix, Cindy, tut mir echt leid. Ich hab da leider kein Geld für und Cindy zeigt Verständnis und freut sich, dass ich überhaupt mit ihr geredet habe, bedankt sich und wünscht einen schönen Abend. Das ist nämlich der ekelhafte Scheiß, wenn man mit diesem Zug, der halt über Düsseldorf fährt, reist: Mindestens ein Junggesellenabschied pro Fahrt ist da Samstag garantiert. Aber warum eigentlich noch dahin reisen, wenn es an Gleis 2 des Essener Hauptbahnhofs genauso schön ist.

17:57 Uhr: Eine andere komische Frau aus Cindys sozialem Umfeld wedelt mit einem rosa Tuch, kreuzt mein Blickfeld und faselt zu uns umstehenden "Da will man mal in Ruhr Zug fahren und wird komisch vollgequatscht." Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

17:58 Uhr: Cindy hüpft Freudestrahlend mit einem 5 Euro-Schein wedelnd ohne Blumen an mir vorbei. 20 Meter weiter kreischen ihr schon ihre Mitstreiterinnen jubelnd entgegen. Bitte, bitte gleich nicht ins gleiche Abteil. Ich muss zwar zugeben, dass ich inzwischen abgehärtet bin und mich über diesen Hühnerhaufen bestens amüsieren kann, anstatt genervt zu sein. Aber gleich im engen Zug brauch ich das trotzdem nicht.

18:07 Uhr: Sniffing Glue Andi steht auf einmal vor mir. Was für eine wohltuende Abwechslung. Und im einrauschenden Zug wartet schon der Fö mit einem umfangreichen Sortiment an Alkoholika. Der frühe Abend scheint rechtzeitig seine positive Wende zu nehmen.

18:14 Uhr: Wenn das kreischende Dummvolk nicht doch auf einmal in unser Abteil rauschen würde. Und jetzt wird es richtig lustig. Zu viert bedrängen die Damen uns einen Schnaps oder eine Brezel zu kaufen. "Ach kommt, is doch Junggesellenabschied, dafür kann man doch mal, gackergackergacker." Als ich wahrheitsgemäß Antworte, dass meinen letzten Euro Kleingeld gerade der Obdachlose am Bahnsteig bekommen hat, was mir schon irgendwie wichtiger gewesen sei, rauschen die vier extremst beleidigt ab. Aber nicht, ohne dass mir die mit dem schlimmsten Malleprollisten-Shirt noch einen wirklich guten Spruch drückt: "Ich dachte Du bist hier der Obdachlose." Ohne Scheiß: Von einer so dummen Person hätte ich einen so lustigen Spruch im Leben nicht erwartet. Ich bin mir sicher, dass der mich die gesamte Hinfahrt noch öfter zum Lachen bringen wird und ab sofort in mein Kommunikations-Repertoire (!) einfließt.

18:33 Uhr: Inzwischen hat unsere Reisegruppe ihre Gestalt geändert. Andi ist in Duisburg raus, Lars dafür rein und in Düsseldorf wurde Cindy gegen Coco ausgewechselt. Die Ansage dafür übernimmt sicher der Zugführer. Denn während der Promillewert für Radfahrer gesenkt werden soll, ist scheinbar frühzeitig der für Zugfahrer auf 2,8 Promille angehoben worden. Der Typ ist der Hammer! "Zum Aussteigen benutzen Sie bitte die Tüüüüüüüren." Und mit jeder Haltestellenansage provoziert er illegales Glücksspiel, da man sich fast schon genötigt fühlt Wetten darauf abzuschließen, ob man liiiiinks oder reeeeechts aussteigen soll. Wenn der mal nicht auch auffer Cranger Kirmes die Ansagen bei der Raupe, die auch rückwärts fährt, macht. "Ausstieg in Fahrtrichtuuuuung [drei Sekunden Sprechpause, dann mit erhöhter Lautstärke:] liiiiiiiiiiiiinks." Und schon bricht tosender Jubel bei uns aus.

19:33 Uhr: Vor dem Laden stehen bereits zwei-drei gute Hände voll Menschen. Und das eine Stunde vor dem ausgeschriebenen Einlass. Zum Glück ist Coco konsequent und hämmert so lange gegen die Tür, bis man uns rein lässt und zehn Minuten später die Kasse öffnet. Den Eintritt darf man zwischen 6 und 8 Euro selber bestimmen. Ein Glück, dass ich die zwei Zusatzeuro bei Cindy und ihren Kreischsägen gerade eingespart habe.

20:28 Uhr: Noch zwei Minuten bis zum offiziellen Einlass und es ist tatsächlich ausverkauft! Konsequenterweise wird die Kasse geschlossen und abgebaut.

20:31 Uhr: Was niemanden daran hindert, noch weiter in den Laden zu strömen. Denn witzigerweise kontrolliert mit der abgebauten Kasse zunächst auch keiner mehr die Stempel. Ich vermisse zwar trotzdem etliche Leute, die ich draußen noch getroffen habe und die wahrscheinlich nach der Ansage "ausverkauft" abgedackelt sind. Aber die, die noch später kommen und nicht wissen, dass "ausverkauft" ist, dürften vermutlich noch locker flockig rein trudeln, wenn dat so bleibt. Mir soll´s Recht sein, solange ich noch atmen kann.

20:48 Uhr: Schmutzstaffel stehen auf der Bühne. Lange Rede, kurzer Sinn: Schlechter Teutschpunk geht auf jeden Fall anders. "Glücklich" von Knochenfabrik als Hardcore-Version zu covern kann übrigens so einiges. Bitte ein Mal Komplettalbum HC-Knochenfabrik-Cover.

21:26 Uhr: Jetzt aber: Kackschlacht. Dann hoffe ich Mal, dass endlich meine Vorurteile bestätigt werden. Aber am Arsch. Auch Kackschlacht wissen mich voll zu überzeugen. Als wenn ich nicht schon genug Probleme hätte.

21:30 Uhr: Plattenstandkonversation, Verkäufer: "Die Platte ist tiptop, nur das Cover ist im Arsch." Witzig, bei unseren Neuerscheinungen ist das immer genau andersrum: Die Cover sind top, aber der Inhalt…

21:35 Uhr: Möglicherweise sind hier wieder meine mit neun hinter mir liegenden Hörstürzen arg belasteten Lauscher Schuld und folglich der Wunsch der Vater des Gedanken. Aber ICH habe jedenfalls diese Ansage vernommen: "Das nächste Lied ist dem Hippieschwein da drüben gewidmet. Und das heißt auch so: Daniel".

21:38 Uhr: Der Fö sagt, das war gerade gar nicht Kackschlacht, sondern Rattenkönig. Na dann wundert mich dat auch nich. Die Hoffnung auf schlechten Teutschpunk stirbt zuletzt.

22:14 Uhr: Eins muss man dem Laden lassen. Die alte Tür zwischen Konzertraum und Vorgarage hält echt was ab. So kriegen wir gar nicht mit, dass Kackschlacht nun tatsächlich schon lange spielen und ich wunder mich während des Verquatschens über die lange Umbaupause, ich Trottel. Dann mal schnell rein um noch drei Songs mitzunehmen. Au man, ey. Und wie geil sind die denn bitte schön? Rocken hier zu zweit den Raum wie Hulle. Geile Scheiße.

22:21 Uhr: Ich wunder mich, warum ich noch nicht längst Pommes holen bin. Jetzt ist jeden Moment die dritte von vier Bands vorbei und ich hab mich noch immer nicht mit besoffenem Kopp verpisst, weil ich das so lustig finde frühzeitig abzuhauen, um mich am nächsten Morgen darüber zu ärgern. Nix da, ich harre echt aus. Und erlebe, wie der Gitarrist den letzten Song spielt, während der Trommler seinen Kleinscheiß vom Schlagzeug abbaut und zwischenzeitlich immer mal wieder sein Mikro aufhebt und ein paar Sekunden mitgrölt. Charmant hoch zehn.

22:50 Uhr: Keine Ahnung, aber irgendwie schaffe ich es mit festem Willen und Knipskiste mich durch die endlosen Massen nach vorne zu prügeln um auch von Mülheim Asozial noch ein paar Pflichtfotos zu schießen. Auch die wissen sich in den musikalischen Hochgenuss des Abends nahtlos einzureihen. Ich kann mich nicht erinnern, zuletzt ein Konzert mit vier Bands gesehen zu haben, das mich durch die Bank so befriedigt hat.

23:01 Uhr: Die Asozialen Mülheimer sind noch längst nicht fertig, aber ein bisschen Konsequenz muss schon sein. Vielleicht hat ja noch ´ne Pommesbude offen.

23:14 Uhr: OK, ganz so konsequent bin ich dann doch nicht und steuer tatsächlich ´ne Verköstigungsstelle an. Der Laden gegenüber von dem Laden, wo immer so voll ist, ist total leer. Und hat sogar laut Listengedöns einige vegane Gerichte. Die Falafel sind leider aus, also nehm ich das andere: Gemüsebällchen. Das Gemüsebällchen entpuppt sich eher als Tennisball großes Objekt. In Fladenbrot mit Tomatensoße kann man das essen. Und an Nettigkeit ist der Gemüseballtaschenrüberreicher kaum zu übertreffen. Was der mir noch alles für den heutigen Abend wünscht, ist aber nicht mehr zu realisieren. Ich bin froh, wenn ich in Ruhe nach Hause komme.

0:48 Uhr: Noch zwei Minuten bis Essen Hauptbahnhof, yeahy! Und ich habe es tatsächlich geschafft die Augen offen zu halten.

0:53 Uhr: Ich bin auf einmal ein wenig verwirrt. Wir waren doch die ganze Zeit pünktlich. Wieso sind wir noch nicht da? Und warum ist von eine Sekunde auf die andere fünf Minuten später?

0:58 Uhr: Ankunft Wattenscheid. Scheißendreck! Da hatte ich tatsächlich einen fünfminütigen Sekundenschlaf. Genau das Zeitfenster erwischt, wo ich hätte aussteigen müssen. Ich kotz gleich und kommuniziere das auch so.

0:59 Uhr: Glück ist mit die Doofen. Gegenüber kommt der Zug zurück in zwei Minuten an.

1:11 Uhr: Ankunft Essen Hbf. Immerhin ist mir noch nie das passiert, was Euch allen schon mal passiert ist. Nämlich einpennen und erst an der weit entfernten Endstelle vom Schaffner geweckt werden. Zwei-drei Länder weiter, in Frankreich oder so. Den Rest schaff´ ich jetzt auch noch irgendwie. Mit der Fahrt nach Kölle habbich jedenfalls alles richtig gemacht. Nur leider hab ich vergessen die Merchstände zu plündern, was ich mir eigentlich fest vorgenommen hatte. Ich hoffe da ergibt sich bald noch Mal die Gelegenheit. Großartiger Abend, bedankt bedankt und gute Nacht!

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 *) Die da ganz oben inne Ecke vergebenen Points (1.Zahl) beziehen sich ausschließlich auf die subjektive Qualität meines persönlichen Wohlbefindens an diesem Abend und haben somit nur sehr, sehr und vor allem sehr bedingt etwas mit den Bands selber zu tun. Die Zahl dient mir dazu, um mit nur einem Blick zu erkennen, ob es sich für mich im Alter lohnt, mich irgendwann mal an diesen Abend zurück zu erinnern. Der Rest ist ebenfalls für die Statistik: Das war Konzertbericht Nr. XX in 2012 (2.Zahl/2012) und in diesem Onlinzine der insgesamt XXX. Bericht (3. Zahl).