Limes, Köln: Pascow (DE), Prinzessin Halts Maul (DE)

(7 – 87/2013 – 971)*

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Donnerstag, 05.12.13, 16:23 Uhr: In gut dreieinhalb Stunden läuft unsere Radioshow, die ich mir gerade mit über den Kopf zusammengeschlagenen Händen vorab versuche anzuhören. Vorausgesetzt es gelingt mir bis dahin nicht, per einstweilige Verfügung das Internet abschalten zu lassen. Hätte mir jemand in meiner Soziophoben Hochphase gesagt, dass ich irgendwann mal so einen Scheiß fabriziere und dann auch noch der Öffentlichkeit zugänglich mache, dann hätte ich gesagt: "Hrrhrrhrr." Oder irgendwas anderes.

16:27 Uhr: Und dieses Mal sind es auch noch über 100 Minuten, weil wir mal wieder kein Ende bei der Aufzeichnung gefunden haben. Würde man die peinlichen Stellen rausschneiden würde es von der Länge her nicht mal zu ´nem Mainzelmänncheneinspieler reichen. Aber eigentlich wollte ich was ganz anderes erzählen. Denn wie ich soeben feststellen durfte, habe ich übersinnliche Fähigkeiten, von denen ich bis eben nix wusste. Jaja, deswegen habe ich es ja auch soeben erst festgestellt. Intro dazu: Das Prinzip der Sendung geht in etwa so: Zu Beginn einer Aufzeichnung haben wir beide (Lars und Icke) schon ganz gut vorgetankt. Noch nicht so, dass man es uns beim sprechen anmerkt, da wir aber während der Sendung munter weiterschlucken, dauert es meistens nur ´ne halbe Stunde, bis wir die Lallphase erreicht haben. Und jetzt kommt´s: Während ich mich so beim Vorhören der Sendung lallen höre, werde ich auf einmal selber direkt wieder brack. Ich fange tatsächlich wieder an zu lallen, obwohl ich die ganze Woche noch keinen Tropfen angerührt habe und fühle mich wie nach ner halben Kiste Bier. Alleine vom mich-selber-besoffen-anhören habe ich auf einmal gefühlte 1,8 Promille. Wenn ich demnächst mit Kopfhörern auf Konzerten auftauche, wundert Euch bitte nicht. Das ist lediglich die logische Konsequenz durch diese Erkenntnis Geld zu sparen.

Freitag, 06.12.13, 8:01 Uhr: Geilomat. Seit Tagen schleppe ich meinen Rücken mit mir rum. Jaja, Ihr wisst schon. Heute Morgen ist dann mal wieder ein Höhepunkt erreicht. Aus dem Bette geht´s nur mit Rolle seitwärts raus. Setze ich mich hin und will aufstehen, sagt mein Lendenwirbelgelenkichweißnichwatgelöte gute Nacht. Die von meinem Orthopäden beauftragten Damen sagen mir am Telefon, dass ich selbstverständlich gerne vorbeikommen könnte. Yeahy! Aber nicht vor dem 12.12.13. Fuck!

8:04 Uhr: Da gibbet nur eins. Möglichst viel bewegen heute. Das hilft meistens. Zumindest ein Stück. Die bei dem Kackwetter eigentlich großartige Option mit Lars mittem Auto zu fahren werde ich darüber hinaus wohl gegen den Regionalexpress eintauschen. Über eine Stunde im tiefen Autositz ist das letzte, was sich die Schmerznerven meines Rückens gerade wünschen. Geil: Arschkalt, Verspätungen, weil über den Essen HBF gerade wegen eines gefundenen Bergbaustollens drunter alles nur in Schrittgeschwindigkeit geht, wahrscheinlich alles scheiße überfüllt und ganz sicher mindestens ein Junggesellinnenabschied an Bord. Und trotzdem immer noch weniger schlimm als ´ne Stunde regungslos im engen Auto zu sitzen.

16:14 Uhr: Dann mal los.

16:22 Uhr: Superstart. Acht Minuten unterwegs, da überfährt mich beinahe ein Kleinbus mit der Aufschrift "Rück.halt", ´nem komischen Arschgeweih und… genau.

17:30 Uhr: Umsteigen. "Ich steig dann in Duisburg dazu." Mit Betonung auf Duisburg, hatte ich noch zu Coco gesagt. Und Coco sagte "Ach so, ja, OK". Erst jetzt, wo ich in den völlig überfüllte Zug einsteige fällt mir ein, dass ja gar nicht ich dazu steige, sondern Coco & Co. in Düsseldorf. Da hätte ich auch glatt mit dem vor-dem-Umsteigen-Zug bis dahin durchfahren können. Jetzt stehe ich wie ´ne Ölsardine zwischen 5 Fahrrädern, 3 Kinderwagen, 4 Rollstühlen und jede Menge Menschen. Naja, besser als… besser als gar nix eigentlich. Das ist der mit Abstand überfüllteste Zug, in dem ich je gestanden habe. Fußballspieltage mit entsprechendem Klientel mal außen vor gelassen.

17:42 Uhr: Immerhin unterhält mich eine Kleinfamilie. Lustiges Kind (ca. 5 Jahre) vs. strohdoofe Mutter. Kind, kurz bevor wir den Düsseldorfer Flughafen passieren: "Der Flughafen wurde glaub ich abgebaut." Mutter: "Nein, der kommt gleich." Kind: "Nein, ich glaub der wurde abgebaut." Mutter: "Nein, glaub mir doch. Den haben die nicht abgebaut, der kommt gleich noch." Kind: "Nein, den haben die abgebaut." Was für ein Traum. Ist schwer wiederzugeben, aber es war soo eindeutig, dass das Kind seine Mutter nur verarschen will und diese springt voll drauf an und lässt es auf ein Streitgespräch, wie man es sonst nur bei RTL 2 erlebt, ankommen. Vom sichtlich amüsierten Kind dankbar aufgenommen und weiter geführt. Wundervoll.

17:48 Uhr: Kind: "Ich weiß wer gepupst hat." Schwester vom Kind: "Ich hab auch gepupst." Erstes Kind: "Ich aber zuerst!" Mutter sichtlich verschämt: "…" Grandios!

18:10 Uhr: Ohoh. Trotz des dritten Bieres kommt urplötzlich meine alte Platzangst wieder durch. Ich dachte die Höhenangst hätte bei mir inzwischen eine derartige Dominanz angenommen, dass die Platzangst völlig an den Rand gedrängt wurde. Von wegen. Schweißausbrüche, Hektik. Ich trinke schneller und bemerke, dass nach zwei Schluck das Festhalten ein Ende hat. Dann ist die letzte Kanne leer. Scheiße, durchhalten.

18:23 Uhr: Dass ich hier auf Coco und Nat treffe, die mich etwas ablenken würden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Gefühlte 30 Menschen steigen aus und gefühlte 100 dafür ein. Umkippen kann ich jedenfalls nicht.

18:42 Uhr: Mit ´ner halben Stunde Verspätung erreiche ich Köln-Mülheim. Eher durch Zufall. Ich dachte eigentlich ich müsse erst bis zum Hauptbahnhof und dann irgendwie weiter. Doch jetzt die erlösende Ansage: "Next stop, Mülheim Asozial." Raus und runter zur U-Bahn. Da darf ich mit der 18 fahren. Durch Köln. Ohne Jürgen. Trotzdem schön.

18:51 Uhr: Ist das arschkalt. Hölle. Ich irre mit neuer Munition am Hals durch Köln und frage mich, warum ich nicht einfach auf der Couch geblieben bin und mir mit ner Kanne Bier das St. Pauli-Spiel angucke.

19:02 Uhr: Ankunft. Ich trete ein, wow. Wie geil ist der Laden bitte schön und warum war ich hier noch nie? Und es kommt noch besser: Ich greife mir ne Kanne Bier und gucke, inzwischen bereits die Lallphase ankratzend, das St. Pauli-Spiel. Das Leben kann so schön sein, wenn Du willst.

19:12 Uhr: War das in Eurer Kindheit auch so, dass jeder, der einen Bart hatte, ein Opa war? Heute sind die alle gerade der Pubertät entsprungen. Ich glaub ich mach nächstes Jahr mal Statistik. Bin ich ja ein großer Freund von. Ich stelle mich neben die Kasse und mache Striche, bei welchem Konzert wie viele Bartträger auftauchen. Daraus ziehe ich dann meine Konsequenzen. Welche muss ich mir noch überlegen.

76. Spielminute: Immer noch 2:0 für St. Pauli. Das Astra vom Fass flüstert mir schon jetzt zu, dass ich morgen Kopfschmerzen haben werde. Da stolpert Snitch mir mit ´ner Kanne Tannenzäpfle vor die Füße. Wieso sagt mir das denn keiner? Also umgeswitcht, in der Hoffnung, dass ich noch einen Hauch der Folgen abwenden kann.

20:28 Uhr: Los geht´s. Measy, Prinzessin Halts Maul-Sänger, wie gewohnt mit Bart. Allerdings mit einem mit individuellem Charme, haha. Nee, ernsthaft: Wenn einer das tragen kann, dann Measy, ey. Ha! Und dazu macht er jetzt samt Band auch noch großartige Musike. Auch wenn ich das kaum noch beurteilen kann. Mit den Ohrstöpseln in dem einen und Bier im anderen Ohr ist in meinem Kopf inzwischen ein Brei vorherrschend, zu dem niemand was kann. Nicht mal ich selber. Egal, super Dingen.

21:55 Uhr: Kerl inne Kiste. Die "Saarland asozial"-Rufe sind längst in "Mülheim asozial"-Rufe übergegangen. Die Bühnenbestrahler sind der Meute längst zum Opfer gefallen. In diesem ausverkauften kleinen Laden ist alles zu einem einzigen Schweiß- und Fleischklops verwachsen. Jeder vierte lag wohl schon waagerecht in der Luft, die Band mit eingeschlossen. Pascow wie Mensch sie kennt. Genial, Publikum völlig am ausrasten. Nee, herrlich. Ich hol mir noch ´n Bier. Mal gucken, was ich damit mache.

22:27 Uhr: Wie sagte ich noch zu Lars und Ete: "Ey, wenn ich mich nachher verpissen will, haltet mich irgendwie auf. Ich will auf jeden Fall mit Auto mit zurück fahren. Scheiß auf den Rücken, aber nochmal orientierungslos durch die Kälte muss nicht." Dabei weiß ich Vollidiot doch selber am besten, dass mein größtes – wenn nicht einziges – Talent daraus besteht, mich unauffällig vom Acker zu machen. Also renne ich orientierungslos durch die Kälte, während die Szenerie um mich herum inzwischen so verschwommen wirkt, wie meine Fotos. Rotzdem kann ich erkennen, dass Mülheim echt schön is. So für inne Stadt. Selbst die Friseurläden haben noch offen und stutzen der Kundschaft ihre Bärte. Vielleicht sollte ich… so ganz spontan… Ach nee, ich muss den Zug kriegen.

22:53 Uhr: Das Handyphon klingelt und Ete ist dran. Haha, die hat ja meinen Lallpegel um ein vielfaches überschritten. Ich versteh wirklich kein einziges Wort. Bravo, Ete! Alles richtig gemacht!

23:59 Uhr: Ab in den – natürlich – überfüllten Nachtexpress, die letzten Kilometer. Trotz aller Strapazen war das mal richtig geil. Besucht das Limes mal, hochsympathisch da! Ich verabschiede mich erst mal. Bis denne.

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 *) Die da ganz oben inne Ecke vergebenen Points (1.Zahl) beziehen sich ausschließlich auf die subjektive Qualität meines persönlichen Wohlbefindens an diesem Abend und haben somit nur sehr, sehr und vor allem sehr bedingt etwas mit den Bands selber zu tun. Die Zahl dient mir dazu, um mit nur einem Blick zu erkennen, ob es sich für mich im Alter lohnt, mich irgendwann mal an diesen Abend zurück zu erinnern. Der Rest ist ebenfalls für die Statistik: Das war Konzertbericht Nr. XX in 2012 (2.Zahl/2012) und in diesem Onlinzine der insgesamt XXX. Bericht (3. Zahl).