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Kapitel III: Pommesstadt Düsseldorf
The Vibrators im Tube, Düsseldorf am 9. Januar 2014
Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.
Er blickte aus dem Fenster seines dekadenten Zweitwohnsitzes. Die Regenfützen waren voll mit Wasser und drohten überzulaufen. Plätscher, plätscher, plätscher. Er machte sich Gedanken darüber, ob es überhaupt Sinn mache, bereits im zweiten oder dritten Kapitel ernsthaft nach der Goldenen Pommesgabel zu suchen. Schließlich räumte der Geist ihm dafür ein ganzes Jahr Zeit ein. Die Befürchtung, dass die – wie es in Romanen so üblich ist – die Spannung aufrecht haltende Thematik erst ganz am Ende nach einer dramatischen Zuspitzung gelöst werden würde, konnte er nicht unterdrücken. Zumal er den Autor nicht enttäuschen wollte, denn wie sähe das denn aus, wenn nach wenigen Seiten das Rätsel des Romans bereits gelöst werden würde. Doch alleine seine Rückenschmerzen verstärkten den Drang die Goldene Pommesgabel so schnell wie möglich zu finden, damit auch die Frage nach wirksamen schmerzstillenden Behandlungsmöglichkeiten endlich beantwortet werden würde.
Es war ein Donnerstag, als The Vibrators aus London im Tube in der Düsseldorfer Altstadt spielen sollten. In der „Pommesstadt Düsseldorf“, wie es bereits vor zig Jahren eine Oktoberfestkapelle helfend besungen hatte. Die Chance dort die Goldene Pommesgabel zu finden lag daher sicher bei rund 90%. Naja, fast. So sehr er von dem The Vibrators-Auftritt vor einem Jahr im englischen Bideford auch begeistert war, so sehr sprachen andere Faktoren gegen einen Besuch des Konzertes: 14 Euro an der Abendkasse zahlte er für nur eine Band bestenfalls Zähneknirschend und er fragte sich, ob The Vibrators bei ihm so einen hohen Stellenwert einnehmen würden, der die Entrichtung dieser Summe rechtfertigte. Auch die Lokalität war keine, die er sehr mochte. Mitten in der Altstadt, wo Junggesellenkasper und Junggesellinenkasperinnen sowie ähnlich hässliche Menschen das Stadtbild bestimmten. Im Tube war es meistens sehr voll, eng, schwitzig, stickig und vor allem teuer, was natürlich auch mit der geographischen Lage zusammenhing. Doch seine Rückenschmerzen waren intensiv genug, um darüber hinweg zu sehen und die Suche nach der Goldenen Pommesgabel ein zweites Mal anzutreten.
Um zu gewährleisten, dass er nach dem Konzert ausreichend Hunger hatte, verließ er frühzeitig das Haus und absolvierte den knapp einstündigen Weg zum Hauptbahnhof zu Fuß. Dort kaufte er sich zwei Bier und freute sich, dass er trotz des vollen Bahnsteiges noch einen „Vierer“-Sitzplatz im Zug bekam. Lediglich ein Typ, den er auf Mitte 20 schätzte, gesellte sich dazu. Ein Typ, der die hegemoniale Männlichkeit der Gegenwart repräsentierte: Hässliche Uhr, hässliche Fresse, hässliches, ständig aktives Smartphone und Tablet und dumme Telefonate über Präsentationen und Verhandlungen. Er hatte dem zwei Bier entgegen zu setzen und war mit der Verteilung dieser Ressourcen ausgesprochen zufrieden.
Er legte keinen Wert auf Konversationen mit solchen Menschen, doch manchmal ließen sich solche nicht vermeiden, so dass sich beim Erreichen des Düsseldorfer Hauptbahnhofs eine ausführliche Unterhaltung ergab: „Hallo! Nehmen Sie bitte Ihren Müll mit?“ „Kannste haben, sind 16 Cent.“
Bis zur Düsseldorfer Altstadt waren es weitere 30 Minuten Fußweg, von denen er auf Grund des einsetzenden Regens die Hälfte mit der U-Bahn absolvierte. Am Tube angekommen holte er sich seinen Stempel ab und trank noch zwei Bier vor der Tür, ehe es endlich losging.
Der Laden war wie gewohnt gut gefüllt, musikalisch konnten ihn die Engländer erneut überzeugen, doch wirklich zufrieden war er nicht. Sein Blick fiel auf das T-Shirt des Schlagzeugers, auf dem in voller Größe die England-Fahne mit selbigem Schriftzug prangte. Ihm war Patriotismus zuwider und erst recht wenn man Träger nationaler Symbole „seines eigenen Landes“ war. Er wusste um den Unterschied zu Deutschland und er erwartete auch gar keinen „Hello England, you asshole“-Song und konnte auch nachvollziehen, dass die Menschen im Publikum das hier anders bewerteten, als wenn ein Trommler einer deutschen Punkband dort mit schwarz-rot-goldenem T-Shirt sitzen würde. Der Union Jack war längst zu einem Punk(rock)-Symbol geworden, das Tragen der weiß-roten englischen Fahne hingegen repräsentierte für ihn nichts anderes als Patriotismus. Er machte sich Gedanken, ob das nicht ein Stück zu „politisch korrekt“ sei und ob er da nicht übertreibe, anstatt das Konzert weiter zu genießen. Und kam schließlich zu dem Entschluss: Nö.
Er hegte keinen Hass oder ähnliche Gefühle gegen die Band und gesellte sich ein Stück zurück an die Theke um noch ein paar Bier zu trinken. Doch einen Status, wie die ebenfalls aus England stammenden The Restarts bei ihm besaßen, würden The Vibrators nicht mehr erreichen. So nahm er den letzten Schluck aus seiner Flasche und ging endlich seiner Berufung nach.
Er verließ den Laden, torkelte durch die Altstadt und bestellte in jeder Pommesbude eine Portion Pommes. Doch so viel er auch fraß und so viel er auch kotzte, es war nicht genug. Er konnte gar nicht so viel essen, wie er kotzen wollte oder müsste, um an das Ziel seiner Suche zu gelangen. Also winkte er ab, schrie irgendetwas Unverständliches durch die engen Gassen und stolperte weiter zum Hauptbahnhof um sich von dort erschöpft und desillusioniert zurück in sichere Gefilde bringen zu lassen. Das Jahr war zum Glück noch jung.
Fortsetzung folgt.
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