Kapitel 5: No nations, no borders!


Kapitel V: No nations, no borders!

Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.

Der Frühstückstisch war reichhaltig gedeckt. Er hatte wie fast jeden Sonntag frische Brötchen geholt, dazu gab es selbst gemachte Kirschmarmelade, veganen „Vleischsalat“, sowie vegane “Vurstscheiben“ und ebensolchen Käse. Es war das, was er als Veganer eine lange Zeit am meisten vermisste: Einen adäquaten Käseersatz, den es seit knapp zwei Jahren in Form der Wilmersburger Alternativen endlich in zahlreichen Ausführungen gab. Selbst die größten Käsefetischisten bestätigten ihm, keinen Unterschied zwischen den Wilmersburger Käsescheiben und milchhaltigem Käse erkennen zu können.

Den alten Küchenschrank hatten sie preiswert bei einer Arbeitsloseninitiative gefunden und sofort zugeschlagen. Sie konnten diese Einbauserien nicht ausstehen und stellten sich ihre kleine Küche entsprechend mit diversen Einzelteilen zu. Als er in die geschwungene Besteckschublade griff, erwischte er sich wie jeden Morgen dabei, dass er unter den Kuchengabeln nach der Goldenen Pommesgabel suchte. Obwohl ihn niemand beobachtete, tat er dieses sichtlich unauffällig. Eine innere Scham sorgte dafür, dass es ihm unangenehm war, eine solch leichte Lösung in Betracht zu ziehen. Und wenn ihm schon ein Geist erschien, konnte er nicht ausschließen, dass er beim morgendlichen Tisch decken nicht auch von diesem oder wem anderes beobachtet werden würde.

 Als seine Freundin erwachte, dankten sie dem Herrn für die Speisen, die er ihnen gereicht hatte und sie griffen ebenso beherzt wie ehrfürchtig zu. Bullshit, kleiner Autorenscherz am Rande. Und bevor mein Antititelheld mir den mittleren Finger zeigt und die Suche einstellt, ziehe ich diese Zeile zurück. Natürlich waren sie als Atheisten weit davon entfernt, irgendeinem Fabelwesen zu danken. Als wenn er an übersinnliche Gestalten wie Götter oder Geister glauben würde.

Während er in die mit Sonnenblumenkernen garnierte Brötchenhälfte mit der Käsealternative biss, geschah es. „Alkmaar“ nuschelte er. „Wat? Du nuschelst“, entgegnete ihm seine Freundin. „Alkmaar, die Käsestadt. Die liegt in Holland und da gibt´s auch jede Menge Pommes. Wir müssen nach Holland oder meinetwegen in die Niederlande. Zieh Dich an, ich such uns flott im Internetz ´ne Unterkunft.“

Ihr Ziel war Schoorl und lag an der Nordseeküste, nur wenige Kilometer von Alkmaar entfernt. Das kleine Ferienhäuschen verfügte über alles, was sie für ihre Suche benötigten. Auch eine kleine Sauna war im Badezimmer eingerichtet, in die er kaum alleine reinpasste. Die beiden schmalen, übereinander angelegten Sitzgelegenheiten waren für Personen, die auch nur 20 kg schwerer waren als er, schon nicht mehr geeignet.

Auch Amsterdam war mit öffentlichen Verkehrsmitteln in einer knappen Stunde zu erreichen. Und die Insel Texel, auf der er viele Urlaube in seiner Kindheit verbrachte, observierten sie einen Tag lang mit dem Auto. Ihre Suche dauerte eine knappe Woche, ehe er sich an die Worte des Geistes zurück erinnerte: „Gehe des Nachts hinfort, lass Dich ordentlich volllaufen, höre Dir dabei einen Haufen Geschrei mit musikalischer Untermalung an und finde sie. Die Goldene Pommesgabel.“

Von einem „Haufen Geschrei mit musikalischer Untermalung“ konnte hier nun wirklich keine Rede sein und so sehr sie auch suchten, konnten sie kein Punkkonzert in der Umgebung ausfindig machen. Also packten sie ihre Klappboxen, verscharrten sie im Auto und fuhren zurück in ihre Küche.

Dort wartete bereits ungeduldig der Geist. Als sein Blick auf den Küchentisch, mit den fünf leeren und der einen angebrochenen Jever Pils-Flasche, fiel, erregte er sich: „Hömma, Alter, geht´s noch? Das waren meine letzten Kannen. Du kannst doch nicht einfach…“ „Halte inne“, entgegnete ihm der jetzt ebenso gemächlich wie dominant wirkende Geist. „Wo wart Ihr überhaupt? Ihr wart das ganze Wochenende auf keinem einzigen Konzert, wie willste denn da die Goldene Pommesgabel finden?“ „Sag mal, spionierst Du mir etwa nach? Wir waren in Holland, da gibt´s ´n Arsch voll Pommes und auch ´n Arsch voll Pommesgabeln und hätte ja sein können, dass irgendwo ´n Konzert stattfindet und wir das scheiß Dingen da endlich finden.“ „Kerl, Kerl, Kerl“, runzelte der Geist die Stirn. „Für wat für ´nen Arsch hältst Du mich eigentlich? Meinste ich globalisiere hier die Denksportaufgabe für Dich? Selbstverständlich befindet sich die Goldene Pommesgabel innerhalb der innerteutschen Grenzen. Das ist schon schwierig genug die dort zu finden, da deponier ich das Teil doch nicht am Arsch der Welt.“ „Ey, Geist. No borders, no nations!“ „Na wenne meinst“, drehte sich der Geist von ihm ab, steckte das Leergut in eine Lidl-Einkaufstüte aus Plastik, betätigte seine Nebelmaschine und verschwand – mit dem klappernden Leergut nicht ganz so unauffällig, wie er sich wahrscheinlich einbildete – durch den Hausflur in Richtung Höllenhimmel.

„Schatz“, sprach er weise. „Dat war echt nix. War ja wirklich nett in Holland, bisken runterkommen, bisken Texel, Amsterdam und Alkmaar und so. Aber wenn wa wirklich die Antwort auf all unsere Fragen finden wollen, müssen wir uns wohl weiter dieses Geschrei mit musikalischer Untermalung antun.“ „Ach weißte“, antwortete seine Freundin, „da gibbet sicher schlimmeres.“

Fortsetzung folgt.