Kapitel 6: Die elektrische Pommesgabel (The Rock’n’Roll Kamikazes im Panic Room, Essen)

click to jump directly down to the photos


Kapitel VI: Die elektrische Pommesgabel

The Rock'n'Roll Kamikaes im Panic Room, Essen am 24. Januar 2014

Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.

Von langen Reisen hatte er zunächst einmal die Schnauze voll. Wenn er schon in Holland nicht fündig werden würde, könne er auch gleich zu Hause bleiben. Und „zu Hause“ war zum Beispiel der Regionalexpress zwischen Witten und Essen. Er war ein großer Freund romantischer Momente.

Und er war wild entschlossen keine Alternative auszuschließen und somit auch keine zeitliche Variante zu, wie sagt man, genau. Zug fahren kannte er eigentlich nur von Abends, doch angesichts seiner Suche nach der Goldenen Pommesgabel, war er gewillt auch die größten Strapazen auf sich zu nehmen. Und das heißt eben auch Regionalexpress ab Witten um 8 Uhr morgens.

Doch was ihm dort widerfuhr, ließ ihm das Blute im Gerinnsel erfrieren. Minnigens 90% seiner Mitfahrer*innen tippelten und tappelten auf ihren Smartiephones rum, als würde es kein Morgen geben. Und vielleicht hatten sie ja sogar recht. Pinke, rosane, schwarze, weiße, möchtegerngoldene Minicomputer versorgten die Fahrgäste mit all dem, was sie am Vorabend auf RTL 2 verpasst hatten. Er hingegen war arschmüde und scheiße froh, endlich mal gar nichts machen zu müssen. Nur blöde da sitzen, nix konsumieren und bestenfalls die Augenlider auf Halbmast halten, falls irgendwann mal die Goldene Pommesgabel vorbeihuscht.

Die Losigkeit seiner Hoffnung wurde ihm schnell bewusst. 8 Uhr morgens. Er wusste es doch eigentlich am besten: Pommes holt man um 22.15 Uhr und nicht mitten in der Nacht. Trotzdem fühlte er sich schlechtens unterhalten und hatte somit Zeit genug, sich endlich selber über den Sinn des Lebens Gedanken zu machen. Ein Blick auf die schmale Anzeige über dem Durchgang zum nächsten Abteil löste unnötigste Gedankengänge aus: 24.01.2014. Das erste Jahr, welches er gedanklich als solches wahrnahm, war das Jahr 1976. Seitdem hat sich eine Menge geändert und hätte man ihm selbst bei der Jahrtausendwende noch gesagt, wie der ganze Scheiße heute aussehen würde, hätte er gesagt: „Haha.“

„Schleichender Futurismus“ nannte er es spontan, ohne sich darüber bewusst zu sein, wie unnötig und schwachsinnig es war, sich über so einen Scheiß Gedanken zu machen. „Alles ist mehr oder weniger normal, hat sich Schritt für Schritt verändert“, philosophierte er. Knallerbsen, die ununterbrochen auf ihrem Handy rumdrücken und wat weiß ich denn was sonst noch alles. Fragt ihn doch selber. Was ich, beziehungsweise er sagen wollte ist, dass man das, wenn man ja quasi täglich bei dieser Entwicklung dabei ist, das gar nicht so wahrnimmt. Ich sag ja „unnötige Gedankengänge“.

Wer weiß, wie das alles nochmal so viele Jahre später hier aussieht? Eben dank des schleichenden Futurismusses genau so normal wie heute in der dann gegenwärtigen Wahrnehmung. Nur eben völlig anders. Krass, oder? (Nein.) Vermutlich gibt es dann keine Bildschirme und Fernseher mehr und stattdessen werden Bilder, die per Zuruf steuerbar sind, per Fingergeschnippe und -geschnappe mitten in den Raum projiziert. Jaja, Ihr mich auch. Dachte er.

Er hatte aber noch ganz andere Probleme. Es war inzwischen 20 Uhr und er wusste immer noch nicht, ob er seinen Arsch noch hochreißen sollte, um in den Panic Room zu gondolieren. Sein asoziales Umfeld hatte sich komplett dazu durchgerungen, sich nicht dazu durchzuringen. Er war heute ganz auf sich alleine gestellt. Das machte ihm Angst. Also machte er einen auf Spontanautor und langweilte sich mit seinem Geschreibsel zunehmend selber. „Hat endlich mal was von tatsächlichem Liveticker. Micha wäre stolz auf mich“, dachte er und brach abrupt ab um ein Bier zu öffnen und tatsächlich spontan aufzubrechen. Oder ins Essen zu brechen.

Der panische Raum füllte sich nur langsam und als die italienische Band die Bühne betrat war noch immer ausreichend Platz um auf allen Vieren weiter nach der Goldenen Pommesgabel zu suchen. Einen Moment lang meinte er sie im Mundwinkel des Schlagzeugers gefunden zu haben, doch entpuppte sich dieser ununterbrochen dort baumelnde Gegenstand als E-Zigarette. Diese coole Rock ´n Roll-Pose mit einer elektrischen Zigarette zu performen hatte etwas von einer Transformation der 50er Jahre in die moderne Gegenwart. „Spontaner Futurismus“ nennt Wikipedia so ein Phänomen.

Den Abend steckte er nach Konzertende in die Schublade „gemütlicher Kneipenabend mit musikalischer Untermalung zum mitschnippen“. Doch das vom Geist geforderte Geschrei war hier nicht zugegeben. Also packte er seine sieben Sachen und zog zurück in die weite, weite Welt.

Auf dem Nachhauseweg schmiedete er einen Plan immenser Brutalität. Er würde hinterlistig im asozialen Netzwerk zu einer Büdchentour aufrufen und seinen in die Falle tappenden Opfer vorgaukeln, es ginge dabei um Spaß, Geselligkeit, Wanderfreuden und den Suff. Dabei würde er die ahnungslosen Subjekte dazu missbrauchen, ihm auf dem einstündigen Weg auf seiner Suche nach der Goldenen Pommesgabel zu helfen. Er ebenso genialer wie perfider Plan. Er benötigte nur noch ein Druckmittel oder plumpen Trick, mit dem er am Startpunkt seine Ergebenen unauffällig für sein Vorhaben einspannen könnte. Doch bis dahin waren es ja noch ein paar Stunden und er freute sich endlich mal eine sinnvolle Aufgabe für tagsüber zu haben.

Fortsetzung folgt.


Fotos und Bericht stehen unter einer Creative Commons Lizenz.

Fotos runterladen: HIER könnt Ihr alle Fotos runterladen. Ihr könnt die Fotos gerne weiterverwenden, solange Ihr das Wasserzeichen drauf lasst und uns kurz ´ne Info schickt. Kommerzielle Nutzung kommt allerdings nicht in die Tüte und ist hiermit ausdrücklich untersagt! Außerdem behalten wir uns vor, in Einzelfällen die Nutzung zu untersagen. Wer sich hier wiedererkennt, das aber große Scheiße findet, schickt uns kurz ´ne  Mail zwecks Unkenntlichmachung.

Download all photos: Click  to download all pics. If you want to use some pics, please don´t erase the RILREC-watermark and please send us a short information. You may not use this work for commercial purposes. For more information read THIS.

[widgetkit id=138]