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Kapitel VIII: Die leblosen Herren und Damen
Rasta Knast, Nonstop Stereo im Panic Room, am 31. Januar 2014
Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.
Er war gerade lecker am kochen dran, da klingelte es Sturm. Er erschrak ganz gar fürchterlich. Als er die Tür öffnete stand dort der Geist und trat unaufgefordert ein: „Na, Mr. von und zu Oxford-Englisch. Alles tutti?“ Das dämliche Dauergrinsen dieses Möchtegernzombies ging ihm inzwischen mächtig auf den Sack. Doch das ließ er sich nicht weiter anmerken und sprach souverän: „Ey, Möchtegernzombie, Du gehst mir inzwischen echt mächtig auf den Sack. Wieso klingelst Du überhaupt? Ich denke Du kannst über Wasser laufen und durch Wände gehen und so´n Scheiß.“ „Klar, ich kann das wenigstens wirklich, aber ich wollte Dich halt nicht erschrecken.“ Na tolle Wurst.
„Dann setz Dich mal, Alter. Ich mach gerade veganen Hähnchensalat ohne Hähnchen. Willste wat? Dann mach ich wat mehr.“ Der Geist lehnte dankend ab, öffnete ohne zu fragen den Kühlschrank, griff sich die letzte Flasche Hansa und öffnete diese mit der linken Augenhöhle. Mit einem abgelutschten „das bisschen was ich essen kann, kann ich auch trinken“, exte er die halbe Flasche auf ex, jaja, als wäre er gerade vom Entzug gekommen. „Du hast versucht Dich bei so ´nem Festival in England akkreditieren zu lassen?“ fragte der Geist ganz direkt, nachdem er sich einen kleinen Schaumrest galant und mit einem Hauch von nachmittäglicher Erotik von der Oberlippe geleckt hatte. Er fühlte sich ertappt. Bereits kurz nachdem ihm der Geist am Neujahrestag erstmalig erschienen war, hatte er dort angefragt, weil er irgendwie im Urin hatte, dass die Goldene Pommesgabel in England versteckt sei. Auf eine Antwort wartete er bis heute. Heilige Grale – von diesem Wort gab es kein Plural, also erfand er eins – und so´n Gedöns, findet der gemeine Tourist schließlich auch meist in England. Und wenn man sich mal etwas aufmerksamer die dort aufgenommenen Harry Potter-Filme anschaut, dann entdeckt man dort durchaus die Mystik, die er mit so einer Suche in Verbindung brachte.
„Du Träumer“, raunzte der Geist mitleidig, als könne er seine Gedanken lesen. „Meinetwegen versuch es dort. Vielleicht habe ich Dir nach Deiner Reise nach Holland ja auch Blödsinn erzählt und die Goldene Pommesgabel befindet sich tatsächlich außerhalb dieser beschissenen teutschen Grenzen. Ich bin ja auch nicht immer ganz ehrlich“, überraschte der Geist ihn mit spontaner Selbstreflexion. „Aber wenn Du dort schon nach Photo-Pässen fragst, solltest Du mit Deinem ‚5-Minus-trotz-Abschreiben-Englisch‘ schon etwas sorgfältiger sein.“ Er verstand nur Bahnhof. Der Geist versuchte ihm auf die Sprünge zu helfen: „Na würdest Du etwa reagieren, wenn man Dich beim anschnorren mit ‚Lebloser Herr oder Dame‘ anreden würde?“ Doch so sehr der Geist auch metaphierte, sein Gesichtsausdruck wurde von Moment zu Moment ratloser und nahm nahezu grotesk dämliche Züge an. „Kerl, Kerl, Kerl“, sprach der Geist, schnippte mit den Fingern und schon schaltete sich sein Tintenstrahldrucker ein und warf die vor Wochen geschriebene E-Mail aus. Und tatsächlich. Dort stand in der Anrede: „Dead (!) Sir or Madame.“ Was für ein Trottel.
Der Geist bekam einen scheinbar ewig andauernden Lachflash, haute sich auf die Schenkel und prustete den Großteil der zweiten Hälfte seiner Hansa Flasche auf den veganen Hähnchensalat ohne Hähnchen. Unser Antiheld blickte derweil wortlos auf den alten, zerschlissenen Sisalteppich, der in seinem aktuellen Zustand von den hässlichen Fliesen des Küchenbodens nur noch halbherzig abzulenken wusste. Ihm schien es, als würde sein Selbstwertgefühl durch diese Konversation nicht gerade gestärkt werden. Als er in der Lage war, seinen Kopf wieder anzuheben und zum rechtfertigen ansetzte, sah er von dem Geist nur noch die Restauswürfe seiner Nebelmaschine. Verdammt.
Ablenkung musste her und da kam ihm das abendliche Konzert mit Nonstop Stereo und Rasta Knast gerade recht. Er schlang sein leckeres Mahl hinunter, nahm die – jetzt aber wirklich – allerletzte Flasche Hansa aus dem Kühlschrank und walkte with his girlfriend down the street to the undergroundstation to drive from there to the Panic Room. Na bitte, geht doch.
Die beiden Bands überzeugten ihn wie gewohnt, so dass er für ein paar Stunden die Goldene Pommesgabel ganz aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. Wie immer hatte er in seiner linken Gesäßtasche einen handlichen „schlauen Zettel“. Auf diesen notierte er sich all das, was er für notierungsrelevant hielt.
Wenn er am Folgemorgen wach wurde, ähnelte sich die Prozedur, wie ein Ei dem anderen. Ein Drittel der Notizen waren dermaßen unleserlich, dass er davon überhaupt nichts mehr entziffern konnte. Das zweite Drittel erschien im in der zwangsläufig anderen Stimmung, in der er sich zehn Stunden später bei anderer Getränkeauswahl befand, völlig belanglos. Und aus dem letzten Drittel versuchte er irgendwas zu basteln, was er in eine Art Konzertbericht pulte. Als er am nächsten Morgen, über seinen zweiten Kaffee hängend, eben diesen „schlauen Zettel“ hervor fingerte, war dieser komplett leer. Nicht eine einzige Notiz hatte er sich gemacht. Und da sagte er sich voller Weisheit: „Wat gut, datt ich keine Konzertberichte mehr schreib, sonst würd ich jetzt ganz schön doof ausse Wäsche gucken.“
Also tat er das einzig sinnvolle: Er bereitete sich einen dritten Kaffee zu und freute sich auf die abends anstehende Party seines Labels. Sechs Labelbands und die Dreigroschengabi standen hier auf dem Speisezettel, die ab 18 Uhr das Druckluft in Oberhausen samt Publikum bespaßen sollten. Na da sind wir aber gespannt.
Fortsetzung folgt.
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