Kapitel 13: Der Nachkater (Rantanplan, The Social Club, Thee Infidels im AJZ Bahndamm, Wermelskirchen)

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Kapitel XIII: Der Nachkater

Rantanplan, The Social Club, Thee Infidels im AJZ Bahndamm, Wermelskirchen, am 21. Februar 2014

Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.

Er blickte verträumt aus dem Fenster und beobachtete den Regenbogen, der im Begriff war das benachbarte Atomkraftwerk zu zerstören. Und das in der Atomwaffenfreien Zone Witten. Doch um an das Ziel seiner Reise zu gelangen, halfen auch keine freigesetzten Brennstäbe. Er musste strategischer vorgehen und er wusste auch wie.

Als die mit ihm befreundete Hamburger Band Rantanplan im wunderschönen Autonomen Jugendzentrum Bahndamm zu Wermelskirchen auftreten sollte, da griff er auf dem Höhepunkt seiner Spitzfindigkeit zu einer List. Et Ete war ein Mädchen, das mit Skapunk noch zu begeistern war und das nicht zuletzt auf der letzten Labelparty seine famosen Kochkünste unter Beweis gestellt hatte. Er kannte et Ete bereits, als diese noch im tristen Trier hauste um im dortigen Ex-Haus Konzerte zu veranstalteten und konnte sich an einen Auftritt seiner damaligen Labelband The Kleins und späteren Labelband Karate Disco erinnern, an dem et Ete zur Feier des Tages Pommes zubereitet hatte. Diese waren von einer dermaßen kaiserlichen Krossheit – ein Wort, welches extra für die Kartoffelstäbchen dieses Abends erfunden wurde – und obendrein aufs Krümelchen exakt gesalzen, dass sie dafür eigentlich einen Preis hätte verliehen kriegen müsse. Und wer weiß. Vielleicht kam eines Abends eine einflussreiche Band und labte sich ebenfalls an diesem luxuriösen Mal, so dass jene der Zwölfsterneköchin die Goldene Pommesgabel verliehen hatte. Er musste et Ete also nur mit zum Rantanplan-Konzert nehmen, ihr dort ausreichend Bier, Schnaps und Moselwein (nein, kein Viez!) reichen, um ihr im Anschluss voller Hinterlist die Goldene Pommesgabel zu stibitzen. Er blickte mit stolz geschwellter Brust in den Spiegel, streichelte sich durch sein galant frisiertes Haar und feierte sich selber für diesen überaus einleuchtenden Plan mit einem unwiderstehlichen Blick ab.

„Wat guckze denn so doof?“ begrüßte et Ete ihn, als sie am Hauptbahnhof in sein Gefährt sprang. Erst hier bemerkte er, dass seine Brust noch immer geschwollen und sein Blick noch immer selten dämlich war. „Och, äh, ich, äh, nix…“ antwortete er souverän, legte eine Schallplatte auf und ritt geschwind in die Nacht.

Mit Toto erwartete sie ein überaus freundlicher Gastgeber. Getränke wurden gereicht und man pflegte die Konversation, so dass er entgegen seines üblichen Verhaltens, den halben Auftritt der ersten Band verpasste. Er grämte sich bereits im Vorfeld ein wenig, weil er davon ausging, dass an diesem Abend nur zwei Bands für die musikalische Untermalung bestellt wurden und für sein Durchhaltevermögen war er nicht sehr berühmt. Doch als er sich vor die Bühne bequemte und den Klängen von „Thee Infidels“ lauschte, war er durchaus angetan, öffnete die Schublade und legte sie in das „so ´ne Band, die man vorher nicht kennt und hinterher froh ist, die gesehen zu haben“-Fach ab. Den zahlreichen „Hauptbandnazis“ – wie Kollege Taxi Konzertbesucher*innen, die sich zu einer Vorband nicht einmal kurz hinein bequemten, für seinen Geschmack etwas unschön betitelte – ist durchaus etwas entgangen.

Nachdem ich diese Zeilen getippt hatte, blickte mich Eure Realromanfigur mit glasigen Augen an und verabschiedete sich. Er war bereits um 9 Uhr Morgens wieder in heimischen Gefilden gelandet und machte auf mich, trotz der üblichen Kopfschmerzen, einen nicht so kaputten Eindruck, wie ich es an manch anderen Morgen von ihm gewohnt war. Gerade mal eine knappe Stunde hielt er durch, bis auf ein Mal dieser ihn gelegentlich prägende tückische Nachkater durch seine Glieder fuhr. Innerhalb weniger Minuten war sein Zustand höchst beschissen. Er stand wortlos auf, verbeugte sich der Situation angemessen und torkelte der eigentlichen Tagesplanung zum Trotz äußerst wackelig auf den Beinen in Richtung Bett. Ich wusste, dass ich eine längere Pause einlegen durfte.

Über fünf Stunden später stand er erst wieder kreidebleich, mit einem Brot mit veganen Vleischsalat zwischen seinen zitternden Händen, hinter mir. Es konnte weiter gehen.

The Social Club aus England als zweite Band ordnete er in die subjektiven Geschmacksschubladen Note 3 bis Note 4, macht zusammen sieben, ein. Und was er von Rantanplan zu erwarten hatte, das wusste er ja bereits seit fast 20 Jahren. Während nahezu sämtliche andere deutschsprachige Skapunk-Kapellen ihn schon lange Zeit bestenfalls noch zu einem Arschrunzeln bewegen konnten, reichte alleine ein Rückblick in alte Zeiten, um die Darbietung der Hamburger abzufeiern. Sie konnten ihn noch immer mitreißen und das erfreute ihn ungemein.

Der ständige Wechsel zwischen Bitburger und Astra in der Feierleine angemessener Quantität, sorgte bisweilen für eintretende Müdigkeit. Zwar schaffte er es noch eine halbe Stunde nach dem Konzert die Augen offen zu halten und mit seiner puren Anwesenheit hinter dem Merchandisestand potentielle Kund*innen fern zu halten, nachdem et Ete dort zuvor durchaus ausgereiftere Qualitäten unter Beweis stellte, doch dann war sein Limit überschritten. Et Ete ihre Pommesgabel – sofern diese überhaupt vorhanden war – streitig zu machen, war zu dieser Stund angesichts seiner physischen und psychischen Verfassung unmöglich. Also verabschiedete er sich (nicht), blickte auf einen schönen Abend zurück und krabbelte überlegen in seinen Bully um die Nacht auch in Form ihrer ursprünglich vorgesehenen Funktion zu nutzen.

Fortsetzung folgt.


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