Kapitel 21: Punkrock Sale (The Great British Alternative Music Festival at Butlin´s, Minehead)

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Kapitel XXI: Punkrock Sale

The Great British Alternative Music Festival at Butlin´s, Minehead, vom 28. bis 31. März 2014

Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.

Die trügerische Idylle mit ihren vermeintlich glücklichen Lämmchen auf saftigen Wiesen sollten sie noch in der nächsten Nacht verlassen um dahin zu reisen, wo der Ausverkauf offensichtlich werden sollte. The Great British Alternative Music Festival warb mit großen Punkrock-Namen und versprach neben 24 aufgelisteten Bands „plus many more“ an drei Festivaltagen. Der Preis dafür war mit 88 Pfund – als wollte sie jemand warnen – pro Person nicht nur für englische Verhältnisse fair, denn mit inbegriffen waren bereits drei Nächte in einem Doppelzimmer mit Dusche und WC.

Der Veranstalter Butlin hatte drei große Arsenale auf britischem Boden aus dem Erdboden gestampft und dort Vergnügungsparks mit großen Konzertzelten errichtet. Eines davon befand sich in Minehead in der Grafschaft Devon, am Rande des wunderschönen Exmoor-Nationalparks, direkt an der Küste. Während dort im üblichen Tagesbetrieb englische Familien zwischen Zuckerwatte, Erlebnisbad und Achterbahn glücklich wurden, gab es darüber hinaus die sogenannten „Big Weekends“. An diesen Wochenenden wurden Musikfestivals auf mehreren Indoor-Bühnen veranstaltet, wie „Legends Of Soul“, „Giants Of Rock“, „Ultimate 80s“, „90s Reloaded“ und vielen mehr. So auch „The Great Alternative Music Festival“, bei dem in erster Linie englische Punkbands auf den Bühnen stehen sollten. Die Zimmer und Appartements befanden sich ebenfalls auf dem riesigen Butlin´s-Gelände und es war nur ein Kotzschwall von der nächtlichen Behausung bis zu den Musikzelten und – je nach Promillegehalt – zurück.

Sie waren neugierig genug, um das Ambiente des offensichtlichen Punkrock Ausverkaufs zu ignorieren. Und so hinterlistig der Geist ihm erschien, würde es ihn nicht wundern, wenn er ausgerechnet hier die Goldene Pommesgabel finden würde. Also buchten sie ihr „weekend of your life“, wie es der „Butlin´s Live Music Weekend-Guide“ im PDF-Format zu versprechen wusste.

Die Running Order war ein wohl gehütetes Geheimnis und wurde erst einen Tag vor der Veranstaltung, ebenfalls in Form einer Broschüre im selbigen Format, in den hintersten Tiefen der Butlinschen Homepage zum herunterladen versteckt. Sie waren sehr gespannt, wer neben den bereits 24 angekündigten Bands unter „many more“ fiel, denn gegen ein paar weitere englische Leckerbissen als persönliche Überraschung hätten sie keinen Einwand erhoben.

Die Broschüre kam in einem peppigen grün-lila daher und war in ihrer inhaltlichen Schlichtheit – zumindest was das Bühnenprogramm anging – nur schwer zu überbieten. Zwar wussten sie bereits, dass sie „ab mittags“ erwartet werden würden, ab 13 Uhr „einchecken“ könnten und um 16 Uhr ihre Zimmer beziehen dürften, doch der tatsächliche Beginn des Festivals wurde ebenfalls bis einen Tag vor Festivalbeginn als Akt der Vorfreude zurück gehalten. Doch jetzt fiel die ganze Spannung endlich von ihnen ab.

Zwar wurden auf der Homepage drei Bühnen vorgestellt, das Festival würde sich jedoch nur auf zwei von ihnen abspielen. Am Freitag öffneten die Veranstaltungszelte hierzu um 19:30 Uhr und um 20:30 Uhr, 22:00 Uhr und 23:30 Uhr sollten in beiden Zelten die auftretenden Bands jeweils parallel die Bühnen betreten. Anstatt – wie gewohnt – die Anfangszeiten der beiden Bühnen versetzt zu wählen, fanden jeweils zwei Bands komplett parallel statt. Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens erschloss sich den beiden nicht, doch der Veranstalter würde schon wissen, was er dort macht.

Der Samstag und der Sonntag sollten vom Zeitplan identisch verlaufen. Die Hauptbühne öffnete jeweils um 12:30 Uhr und ab 13:30 Uhr spielten dort vier Bands, die letzte um 16:30 Uhr, während die Zweitbühne noch verschlossen blieb. Im Anschluss gab es eine Pause, so dass beide Zelte erst wieder um 19:30 Uhr öffneten und erneut parallel Musikanten um 20:30 Uhr, 22:00 Uhr und 23:30 Uhr auftreten sollten.

Er war eh kein Freund großer Festivals und obwohl beide ein wenig irritiert waren, kamen ihm „drei Konzerte mit jeweils drei Bands“ eigentlich sehr entgegen. Nur mit dem „many more“ hatten sie leichte Probleme, denn mit den 24 angekündigten Bands war das Bühnenprogramm tatsächlich erschöpft. Das, was es neben diesen tatsächlich an „mehr“ gab waren DJs, die jeweils die eine Stunde zwischen Öffnung der Türen und ersten Bands füllten sowie Fußballspiele der englischen Premier League, die im zugehörigen Pub auf Großbildleinwand live gezeigt werden sollten. Damit konnte der Veranstalter vor allem seine Freundin stark begeistern, die schon mal gerne Amok lief, wenn sie an Samstagen mit dem öffentlichen Nahverkehr nach Heimspielen von Borussia Dortmund oder Schalke 04 zu abendlichen Konzerten reisten.

Ihre Spannung und gute Laune konnte Butlin´s damit dennoch nicht vertreiben. Denn die wahrhaftigen „many mores“ ließen jeden Punkrocker mit der Zunge schnalzen und an gute, alte 77er-Zeiten zurückdenken: Die Splash Waterworld, American Pool, Ten-Pin Bowling, Water Polo, einen Buchmacher für Wetten diverser Sportveranstaltungen, Go-Karts, Adventure Golf sowie „Premium Dining“ in zahlreichen tollen zugehörigen Restaurants wie zum Beispiel „The Deck and The Yacht Club“, „Pizza Hut“ oder „Burger King“. Doch damit war das Traum-Wochenende ihres Lebens noch lange nicht erschöpft, denn es sollten noch viele andere original Ur-77er-Punkrock-Attraktionen auf sie warten: „Butlin´s – The Store“, wo es jede Menge tollen Merchandise geben würde, um ein Leben lang an das eh unvergessliche Wochenende zurück zu denken. „Little Something“: „A lovely gift shop with nautical-themed gifts, perfect for friends or your home.“ Der „Mega Treats“-Süßigkeiten-Laden. Der – darauf freute er sich ganz besonders – „Euphoria Hair Salon“. Ein Spar-Supermarkt, personalisierte Geschenke und Souvenirs („Namedroppers“) und natürlich der „Photocall“-Fotograf, der ein ungestelltes Foto von ihnen zaubern und mit einem von vielen zauberhaften Butlin´s Hintergründen versehen würde, so dass auch der blanke Platz über ihrem nicht vorhandenen heimischen Kamin für immer an dieses Highlight ihres Lebens erinnern würde.

Und – soviel sollte auch dem naivsten Leser und der dümmsten Leserin dieses Realromans bei der Auflistung all dieser paradiesischen Zustände so langsam klar geworden sein: Die Goldene Pommesgabel könnte hier wahrlich nicht weit weg sein.

Ihre Vorfreude wuchs und bevor sie sich zur letzten Nacht vor diesem „Wochenende ihres Lebens“ begaben, drehten sie noch eine idyllische Runde durchs malerische, nahe gelegene Porlock, um auf den saftigen grünen Wiesen kleine, niedliche Lämmer in ihre Herzen zu schließen, die nach den Toden ihrer Mütter von den anderen weiblichen erwachsenen Schafen verscheucht wurden, ehe sie in einsamen Ecken der Felder langsam grausame Tode starben. Ihm schien es, als gäbe es keine passendere Vorbereitung auf die folgenden drei Tage.

Fortsetzung folgt.


Fotos und Bericht stehen unter einer Creative Commons Lizenz.

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