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Kapitel XXVII: Der Schimmelkeller
Georgeous George, Early Ghost, Son Of Richard at Sticky Mikes Frog Bar, Brighton/UK, am 4. April 2014
Dieser Artikel ist Teil des fortlaufenden Romans „Auf der Suche nach der goldenen Pommesgabel“. Infos dazu gibt es hier.
Die Tage nach Minehead verbrachte er im desillusionierten Zustand, da ihm die Goldene Pommesgabel so weit entfernt schien, wie never before. Dennoch genoss er diese Zeit und erfreute sich an den wunderschönen Küstenstädtchen, der Sonne und dem Meer. Erst als der Donnerstag über ihn herein brach, holte ihn die Erinnerung ein.
Für diesen Abend besaßen sie Karten für das „Eddie And The Hot Rods“-Konzert in Brighton. In der Stadt, die für ihn die schönste aller ihm bekannten Englischen Städte war. Er nannte es gerne „das schönere Camden“, da es dort zwar auch viele kleine, bunte Lädchen gab, doch es bei weitem nicht so überlaufen und touristisch geprägt war. Und als Veganer wurde er dort ebenfalls an vielen Stellen fündig.
Das abendliche Konzert wurde zwei Tage zuvor abgesagt, da Sänger Eddie seine bereits in Minehead präsentierte Fußverletzung vermutlich noch immer nicht auskuriert hatte. Doch ganz ohne Abschlusskonzert wollten sie die Insel nicht verlassen und stießen auf zwei Alternativen. Zum einen spielte die Countryband „So Last Century Springband“ in einem Pub namens „The Constant Service“. Sie entschieden sich jedoch für „Sticky Mike´s Frog Bar“ und wer hätte das angesichts dieses Namens nicht getan. Die dort auftretenden Kapellen waren ihm gänzlich unbekannt, doch die Hörbeispiele der Hauptband „Georgeous George“ klangen immerhin ein wenig wie die englischen Iwan Iwanowitsch. Das sei keine Offenbarung, bemerkte er klugscheißerisch. „Aber immerhin besser als nichts.“ Auch wenn es halt nichts ist.
Sticky Mike´s Frog Bar war zumindest von der äußeren Erscheinung kein typisch Englisches Pub, welche bei ihm bereits im Vorbeigehen aufgrund ihres „urigen Zustandes“ häufig einen spontanen Anfall von Durst hervorriefen. Auch nachdem die beiden eingetreten waren, war der Unterschied spürbar. Eher spartanisch eingerichtet und ein kleines Stück runtergekommen hatte er gegen das Ambiente dennoch nichts einzuwenden und bestellte sich sein erstes Bier ohne eine Beschwerde vorzubringen. Auch seine Freundin wurde im Bulmers Berry Cider erfreut fündig und hatte somit ebenfalls nichts auszusetzen.
Das Konzert fand wie häufig in englischen Lokalitäten im Keller statt. Dieser war optisch ein leicht abgefucktes, vor Schimmel stinkendes Loch und wirkte auf die beiden sofort hoch sympathisch, obwohl der Schimmelgeruch bisher ungekannte Intensität annahm.
Um kurz nach halb neun begann die erste Band. Das mit zwei Gitarren bewaffnete Duo schlug eher ruhige Klänge an. „Naja, immerhin besser als Betontod,“ versuchte er der Darbietung einen positiven Aspekt abzugewinnen, kam jedoch nicht drum rum, offen und ehrlich zu ergänzen: „Aber trotzdem extrem Scheiße.“
Die zweite auftretende Band bestand aus wesentlich mehr Protagonist*innen und Instrumenten, zu denen unter anderem eine Geige gehörte. Als der Gesang des Keyboarders, der seine Orgel aus unerklärlichen Gründen mit einer unsagbar unansehnlichen Decke verhüllte, einsetzte, fielen den beiden die bisher konsumierten Getränke beinahe aus ihren Gesichtern. Das hier toppte die Darbietung der ersten Musikant*innen in Sachen Gruseligkeit deutlich, so dass sie nach nicht einmal zwei Liedern den Raum verließen und zurück in den Kneipenraum flüchteten. Er bestellte sich an der Theke ein weiteres Bier und grummelte: „Naja, immerhin besser als Betontod.“
Er war eigentlich fest entschlossen, den Geist an diesem Abend ordentlich ins Knie zu ficken. Und Gejammer könnte man doch wohl erst recht als „Krach“ einordnen, versuchte er sich seine Situation schön zu reden. Und überhaupt: Wenn nicht „Sticky Mike“ in einer Lokalität namens „Frog Bar“ eine Goldene Pommesgabel vorzuzeigen hätte, wer dann? Sticky Mike, der bei seinem Eintritt für einen Moment lang eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem „Mit Schmackes – Punk im Ruhrgebiet“-Autor Dennis hatte, konnte ihm jedoch nicht weiter helfen. „Sorry, we have no pubfood.“ Entweder konnte oder wollte er ihn nicht verstehen.
Georgeous George schaffte es die beiden für zweieinhalb Lieder im Keller zu halten. Dann ließen sie die zahlreichen Musikanten mit den etwa 20 bis 30 wohlgesonnenen Zuschauer*innen alleine und betraten Bus Nummer 7 in Richtung Campingplatz. So gruselig das Konzert auch war, so schön waren die letzten Tage, so dass ihnen diese musikalischen Totalausfälle nichts anhaben konnten.
Er freute sich, dass er die Goldene Pommesgabel nun doch dort finden würde, wo sich für gewöhnlich auch seine Freundinnen und Freunde aufhalten, damit auch diese von ihm die Antwort auf all seine Fragen brühwarm vor den Latz geknallt kriegen würden. Und so legten sie sich in ihren Bully um in einen lieblichen, halblangen Schlaf zu fallen.
Fortsetzung folgt.
Fotos und Bericht stehen unter einer Creative Commons Lizenz.
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