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28./29. Kalenderwoche 2015
Begleitung: Pascow, Flicts
Örtlichkeiten: Bahnhof Langendreer, Bochum und Wageni, Bochum
Freitag, 10. Juli 2015, 17:37 Uhr, Residence, Witten
Ein alter Freund von mir namens B. – er selber nennt sich auch A. – hat früher in Witten gewohnt und wohnt jetzt in Essen. Nicht erst, seit ich den umgekehrten Weg gewählt habe, weiß ich, dass man in Witten gefährlich wohnt. Das hat mir B., respektive A., oft genug detailliert geschildert. Zwar ist mir in den 7 Jahren, in denen ich mich hier regelmäßig aufhalte, noch keine bedrohliche Situation untergekommen, aber man muss dabei natürlich auch bedenken, dass die Pilsbörse seit ein paar Jahren geschlossen hat.
Dass das auch ganz anders sein kann, musste ich gerade auf der furchtbaren Homepage (Stichwort: Leser*innenkommentare, die teilweise nahtlos an die Berichterstattung anknüpfen) der größten Tageszeitung des Ruhrgebiets nachlesen. Bei der Recherche über den derzeitigen Verlauf der Buslinie 320, die seit einer Großbaustelle und dem damit verbundenen Umweg ein paar Haltestellen nicht anfährt, musste ich folgende, schockierende Meldung lesen:
„Ich habe auch schon mal Panik in der Buslinie 320 bekommen. Man schaut beim Einsteigen auf die Zahl, aber nicht auf den Zielort. Und schwupp, sitzt man im falschen Bus.“ Studentin Carina (25) ist kein Einzelfall. (…) „Und bei Schülern habe ich erlebt, dass sie Panikattacken bekommen haben, weil sie eigentlich Richtung Herbede wollten und sich plötzlich auf dem Weg zur Uni befanden“, erinnert sich ihre Mitstudentin Melanie.
Es muss einem glücklichen Zufall geschuldet sein, dass ich noch immer halbwegs unversehrt durch die Straßen torkel.
Freitag, 10. Juli 2015, 17:43 Uhr, Residence, Witten
Ich recherchiere weiter und mir stockt der Atem. Es ist seit 2009 offenbar so, dass zwei Buslinien zusammengelegt wurden. Die 320 und die 350. Allerdings fahren beide Linien unterschiedliche Ziele an. Genauer genommen fährt die 320 vom Wittener Hbf jetzt in drei verschiedene Richtungen. Und genau das hat dann dazu geführt, dass der Großteil der Wittener Jugendlichen in der Psychiatrie landete, wo er noch heute in Isolationshaft gehalten wird. Warum man nicht einfach wieder unterschiedliche Busnummern wähle, wo doch auch unterschiedliche Ziele in einer Richtung angesteuert werden? Dafür hat der Sprecher des örtlichen Verkehrsverbundes eine einleuchtende Begründung: Mehre Linien würden zu mehr Verwirrung führen. Logisch. Ab 2017 wird es in Witten dann nur noch die Linie 1 geben. Mit 12 verschiedenen Zielpunkten.
Samstag, 11. Juli 2015, 17:12 Uhr, Annenstr., Witten-Annen
Mit einer Flasche meines Zweitlieblingsbiers verlasse ich die begehbare Bude um die letzten Meter zum S-Bahnhof zu schlendern. Ein mir bis dato unbekannter Mann, der sein mit Tüten behangenes Fahrrad schiebt, guckt mich missachtend an und grunzt durch seinen ungekämmten Schnäuzer: „Jau… dat ‚gute‘ Beck´s.“ Unweigerlich geht mein Blick spontan Richtung Haltbarkeitsdatum: Wir befinden uns im Ablaufmonat. Vielleicht sollte ich doch etwas vorsichtiger sein.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 19:11 Uhr, irgendwo in Witten
Das war es auch schon an Highlights des letzten Wochenendes, respektive der 28. Kalenderwoche. Heute steht was ganz spektakuläres an: Während im Wageni die Brasilianischen Flicts spielen, gastieren direkt gegenüber im Bahnhof Langendreer Pascow mit Love A. im Gepäck. So sehr ich Pascow – und auch Love A. – mag, habe ich in den letzten Jahren genug Konzerte in geileren, kleineren Läden für deutlich weniger als 16 (!) Ocken gesehen. Darüber hinaus ist mir bewusst, dass beide Bands hier so viele Leute kennen, dass es panne wäre, nach Gästeliste zu schnorren (was ich eh nur noch in absoluten Ausnahmefällen wie Eintrittspreisen von 16 Euro mache), da die Anfragen vermutlich eh schon den Rahmen sprengen und es mir dann auch nicht so wichtig ist, dieser Veranstaltung beizuwohnen. Vermutlich fände ich es heute nicht mal geil, weil zu viele Menschen in einer großen Halle einfach nicht mein Ding sind. Also steige ich mutig in den 320er Bus und bin gespannt, wohin die Reise geht.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 19:55 Uhr, Bochum-Langendreer
Sie geht tatsächlich, mit nur ein Mal umsteigen, direkt zwischen die Türen der beiden Läden. Als ich an der Bahnhofsseite aussteige und bereits ca. 100 Menschen erblicke, überlege ich kurz wieder rückwärts einzusteigen und den Fahrer zu bitten, auf der anderen Seite, die zum Wageni zeigt, aussteigen zu dürfen. Aber da ist gar keine Tür. Also mische ich mich erst mal unter das Pascow-Volk, treffe erwartet viele bekannte Gesichter, hole mir ein Bier aus dem Wageni, gehe wieder zurück, pendel ein paar Mal hin und her und trinke noch ein Bier. Ist doch ganz nett.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 20:44 Uhr, Bochum-Langendreer
Von drinnen hört man Love A. und die Pascow-T-Shirt-Träger stehen wortlos draußen. Ich hol mir noch ein Bier.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 21:36 Uhr, Wageni, Bochum
Die Flicts legen parallel mit Pascow los. Können mich aber heute leider nicht wirklich mitreißen. Draußen ist dank des Wetters auch, wie häufig am Donnerstag, mehr los als im Wageni selber. Also gehe ich raus und trinke noch ein Bier.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 22:12 Uhr, Bahnhof Langendreer, Bochum
Es zieht mich dann doch noch mal rüber. Die Kasse ist abgebaut, ich habe mir vorher noch ein Bier im Wageni geholt, und jetzt stehe ich hier zwischen viel zu viel zu vielen Menschen, die ziemlich abgehen. So wie die Band auf der Bühne. Pascow sind super – aber das hier ist nicht mein Ding. Zwischen den vielen Menschen sehe ich diverse Exfreundinnen von mir und anderen. Jetzt weiß ich, wie es Lars immer gehen muss, wenn er unterwegs ist.
Donnerstag, 16. Juli 2015, 22:52 Uhr, Bahnhof Langendreer, Bochum
Wir stehen davor, trinken noch ein Bier und dann gehe ich mit Kai ins Wageni, noch ein Bier trinken. Auf dem Weg dorthin gucke ich kurz auf die Uhr: Scheiße, mein Bus kommt gleich. Der letzte, der mich bis oben auffen Berg bringt. Tschüss, Kai!
Donnerstag, 16. Juli 2015, 23:05 Uhr, Bochum-Langendreer
Ich stehe an der Bushaltestelle. Da ich der durchorganisierte Mensch bin, habe ich auch heute wieder meinen extra zuvor ausgedruckten Zettel in der Hosentasche, auf dem genau steht, welcher Bus mich über welchen Umstieg, wie und wann nach Hause bringt: „Abfahrt Dortmund Hbf, 23:11 Uhr“. Verdammte Scheiße! Das ist wohl der Zettel von letzter Woche, den ich da eingepackt habe. Ihr, als moderne Menschen, fragt Euch natürlich jetzt, ob ich denn kein smartes Phone habe, aus dem ich solche Informationen live vor Ort beziehen könnte. Ja, ich habe ein smartes Phone, aber da ich froh bin, mal nicht mit dem Internetz verbunden zu sein und auch seltenst telefoniere, habe ich keine Flat oder sonstwas. Kein Wotz Äpp, kein nix. Brauch ich nicht, will ich nicht. Der Zettel reicht. Ich nutze das Teil maximal 1 mal pro Woche, in extrem aussichtslosen Momenten und da bin ich von dem kleinen Bildschirmchen, der auf Kriegsfuß mit meinen Wurstfingern steht, sowie der lahmenden Verbindungsgeschwindigkeit, die nicht der meines Lebens entspricht, schon genervt genug. Das muss reichen. Zum Glück verrät mir das Haltestellenschild, dass tatsächlich gleich mein letzter Bus kommt. Hoffe ich. Wo und wann auch immer. Umsteigen muss ich jedenfalls nachher in den 320er, soviel ist sicher. Die Betonung liegt auf „sicher“. Gute Nacht!
Freitag, 17. Juli 2015, 10:29 Uhr, Residence, Witten
Die Scheiße mit der Scheiße ist, dass ich von Berichterstattung zu Berichterstattung morgens immer weniger Motivation verspüre und es mich fast schon wieder stresst, so eine unwichtige Scheiße hier runter zu plockern. Ich frage mich, wann die Einsicht, dass das unnötig ist, mein übertriebenes Mitteilungsbewusstsein endlich überholt. Vielleicht ja noch dieses Wochenende. Drückt mir die Daumen! Guten Tag!
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