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32. Kalenderwoche 2015
Olgas Rock
Begleitung: Emil Bulls, Christian Steiffen, Jaya The Cat
Örtlichkeit: Olga Park, Oberhausen
Samstag, 8. August 2015, 18:50 Uhr, Dekadence, Essen
Der Stadtteil, in dem ich seit meiner Geburt wohne und der nach meinem Umzug in dieses „Etwas“ im Südosten des Ruhrgebietes noch immer als dekadenter Zweitwohnsitz fungiert, ist in den letzten Jahren dank Medien und deren öffentlichen Kommentarspalten als Kriminalitätshochburg der Welt hochsterilisiert worden. Und das in einer Art und Weise, wie es selbst der Bunte von seinem ehemaligen Lebensmittelpunkt Witten-Annen, nicht übertriebener hätte darstellen können. Ich halte das nach wie vor für Quatsch, denn sowohl hier als auch dort bin ich in all meinen Jahren, von denen ich gerade am Wochenende zur vorgerückter Stunde den Großteil in angeblichen Problemextremvierteln wie Bahnhofsnähe verbracht habe, kein einziges Mal in bedrohliche Situationen geraten. Und auch heute gehen wir Angstfrei die viertel Stunde zum Stadtteilbahnhof und ich werde schon nach wenigen Metern bravourös in meiner Einschätzung bestätigt:
Denn dort steht ein Familienvater mit Gattin und seinen ca. 2 und 5 Jahre alten Kindern und hält dem größeren der beiden lachend eine täuschend echt wirkende Pistole an die Stirn und sagt immer wieder „Hände hoch!“. Der nur scheinbar bedrohte junge Mann und seine Mutter, die uns dabei freudestrahlend anblickt, lachen ebenfalls. Worauf ich hinaus will: Seht Ihr… alles nur Spiel und Spaß, alles easy. Trotz dieser spürbaren Herzlichkeit verzichten wir auf ein näheres Kennenlernen unserer Nachbarn.
Samstag, 8. August 2015, 18:57 Uhr, Stadtteilbahnhof, Essen
Mit Marschgepäck aus der Trinkhalle warten wir auf die S-Bahn und Sabbi unterrichtet mich davon, dass wieder Arbeit auf mich zukommt. Denn – so hat der Wittener Lokalteil der WAZ auf Seite 1 großspurig berichtet – hat man in der Bahnhofstraße mit viel Zeit und Aufwand die Laternenmasten von sämtlichen Aufklebern befreit. Ist ja nett, dass die einem wenigstens öffentlich Bescheid geben.
Samstag, 8. August 2015, 19:33 Uhr, Olga Park, Oberhausen
Ich trinke schnell und andächtig, denn bei umsonst & draußen-Veranstaltungen sind die Bierpreise meist hoch und da sollte der schlaue Mensch von Welt vorsorgen. Das haben auch andere, die mich auf dem Fußmarsch zum Eingang fragen, ob ich noch ein-zwei Bier möchte, denn den eingeplanten Proviant würde man nicht mehr leer bekommen. Ich will gerade ablehnen, da mich in den meisten solcher Fälle pisswarmes Grafenwalder oder ähnliches erwartet. Doch da hält der junge Mann mir schon eine durchaus noch kalte Flasche Stauder Pils vor die Nase. Kann man machen.
Samstag, 8. August 2015, 19:50 Uhr, Olga Park, Oberhausen
„Wenn ich auf den Flughäfen nicht immer nach Waffen abgesucht werden würde, hätte ich überhaupt kein Sexualleben mehr“, behauptete einst Otto Waalkes. Er könnte auch hier her kommen, denn die Suche der Sicherheitskräfte nach sich am Körper befindendem Trinkgut ist kaum weniger intensiv. Womit wir nochmal beim Thema wären. Denn das Todschlagargument „ist ja schließlich umsonst hier, da ist das mit den Bierpreisen schon OK“, möchte ich hier in einer Biermädchenrechnung mal kurz widerlegen:
Hier kosten 0,25 Liter 3 Euro plus 1 Euro Pfand. Das heißt, dass wenn ich 5 Liter Bier trinke, latze ich dafür 60 Euro. Zahle ich aber irgendwo für ein Festival 40 Euro Eintritt und trinke 5 Liter Bier bei einem Bierpreis von 2 Euro für 0,3 Liter, dann sind das 33 Euro plus die 40, macht… ach verdammt.
Davon ab zahle ich ja auch keine 40 Euro, weil ich eh kein Festivalfreund bin. Die wenigen Ausnahmen, die es da gibt, sind far away und werden als Urlaub deklariert.
Samstag, 8. August 2015, 21:02 Uhr, Olga Park, Oberhausen
Das gute an umsonst & draußen-Festivals ist, dass jeder reinkommt.
Das schlechte an umsonst & draußen-Festivals ist, dass jeder reinkommt.
Sagt Arne und er trifft den Nagel auf den Kopf. Peng! Ich persönlich muss rotzdem eingestehen, dass der Abend deutlich netter ist, als befürchtet. Das liegt jedoch ausschließlich daran, dass ich einen Radius von – ungelogen – unter 2 Metern habe und mich mit vielen netten Menschen, Freund*innen und Bekannten, ununterbrochen am Schwarzesocke-Stand aufhalte. Einzige Ausnahmen sind die Wege zu den Urinalen und zum Bierstand, was sich dann auch beides als nervige Herausforderungen darstellt. Kaum bin ich von diesen Wegen zurück, schiebe ich die sich inzwischen leicht vom Fleck bewegte Menschen vorsichtig ein Stück zur Seite und nehme wieder meinen Stammplatz ein.
Die Bühnen nehme ich kaum wahr. Das, was ich akustisch aufschnappe, wäre es auch nicht wert. „Jaja, die Miezekatze…“ ist auf der Entfernung nicht zum ausrasten geeignet. In Peine, nah dabei, war es supernett. Aber hier, weit weg und nur über Leinwand optisch mitbekommend, geht das komplett an mir vorüber.
Und Christian Steiffen… sorry, aber der Hype ist mir völlig unverständlich. Dass man beim ersten Mal schmunzelt, kann ich ja noch nachvollziehen. Aber spätestens beim zweiten Mal nervt das nur noch. Von meinem Humorzentrum ist das Meilenweit entfernt. Ich theoretisiere mal, dass das heimliche und verborgene Ballermannsehnsüchte des gemeinen Punkrockers und der gemeinen Punkrockerin sind, die sie bei Herrn Steiffen gemeinsam, ohne dafür geächtet zu werden, ausleben dürfen. Da ist der Junggesellenabschied am Bierstand keinen Hauch langweiliger.
Samstag, 8. August 2015, 22:31 Uhr, Olga Park, Oberhausen
Emil Bulls hauen uns auch nicht gerade aus den Latschen und wir machen uns jetzt mal vom Acker, bevor wir in die große Abreisewelle kommen. Ente begleitet uns mit einem kleinen Umweg. Denn kurz hinter dem Ausgang verschwindet er in Richtung Gebüsch und zieht einen Hundekotbeutel aus dem Dickicht und freut sich darüber, dass dieser, mit einem Schraubenzieher bestückt, noch von niemand anderen mitgenommen wurde. Wir fragen nicht weiter nach und steigen zusammen in den Bus.
Samstag, 8. August 2015, 23:55 Uhr, Dekadence, Essen
Ich öffne die Haustür. Zu unserer großen Verwunderung sind wir frei von Stich- und Schussverletzungen. Was sind wir doch für Glückskinder. Gute Nacht!
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