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PUNKROCK DIARY
50. Kalenderwoche 2015
Panzerband, Sniffing Glue
AK 47, Düsseldorf
Sonntag, 6. Dezember 2015, 19:19 Uhr, Residence, Witten
Die Kombination aus Kapitalismus und Verblödung der Menschheit nimmt so langsam Züge an, die total lustig sind, über die ich aber trotzdem nicht mehr lachen kann. Seit Jahren schaffen es Privat-TV-Sender mit dieser 0137-Nummer Unmengen von Kohle zu scheffeln, indem sie Stumpf und Stumpfine vor den TV-Geräten suggerieren, dass sie durch die Beantwortung einer rhetorischen Frage, sich und der Menschheit beweisen können, dass sie zu den Schlausten ihrer Gattung gehören. Für nur 49 Cent pro Anruf nehmen so Tag für Tag tausende von Intelligenzbestien an diversen Verlosungen teil, bei denen es im Regelfall genau einen nahezu wertlosen Preis in Form eines veralteten Smartphones oder ähnlichen überflüssigen Scheiß zu gewinnen gibt. Wenn ich überlege, was da an Asche zusammen kommen muss, ärger ich mich direkt wieder, dass ich noch immer nicht auf diesen Zug aufgesprungen bin.
Und weil die „Privaten“ ja gar nicht so blöd sind, wie Teile ihrer Zuschauer*innen, werden diese Fragen im Regelfall direkt vor der Werbung gestellt. Dann haben Doof und Döfchen etliche Minuten Zeit, ihren Aha-Effekt via Telefonat oder SMS für nur eine Westmark in die Chance ihres Lebens zu kanalisieren. Das wär Ihr Preis gewesen! Mir fällt gerade nicht mal eine dieser unglaublich bescheuerten Fragen ein, obwohl ich wohl schon hunderte davon gehört habe. Warum ich mich auch immer, während gelegentlicher Schlafstörungen, durch diese Programme zappe* (*Unvermeidbare Randbemerkung zur Rechtfertigung).
Ich war mir eigentlich sicher, dass diese „A oder B“-Fragen hinsichtlich der Verblödung der Menschheit nicht mehr zu toppen sind. Und dann passiert soeben das: „In dem folgenden Bericht haben wir drei Weihnachtsmänner versteckt. Zählen sie die Weihnachtsmänner und wählen sie 0137…!“ Alter!!
Freitag, 11. Dezember 2015, 18:44 Uhr, Regionalexpress
Ich entscheide mich aus diversen Gründen von meinem Erstwohnsitz Witten zur Modestadt zu gondolieren. Der Regionalexpress benötigt – normalerweise – genau eine Stunde. Dass er später kommt und zwischendurch öfter mal stehen bleibt, weil schnellere Züge ihn überholen wollen, ist da natürlich noch nicht eingeplant. Da ich nicht, wie alle anderen hier, mein smartes Phone für den Aufbau von Internetzverbindungen nutze, beschert mir das eine Menge Zeit, um mir unnütze Gedanken zu machen:
Das – leider in großen Teilen der Menschheit stark vernachlässigte – Hinterfragen von Zuständen, führt bekanntlich zur abweichenden Meinungsbildung und angesichts der daraus resultierenden Abneigung gegen enttarnte Normen, besteht die Gefahr, dass die gebildete Meinung verkrustet und als unveränderbare Wahrheit kategorisiert wird. Da gilt es die Zeit im Zug zu nutzen, um gewisse Schubladen zu öffnen und zu gucken, ob alles noch seine subjektive Richtigkeit hat. Ich blicke mich einmal kurz um und komme zu dem Ergebnis: Ja.
Freitag, 11. Dezember 2015, 19:47 Uhr, Düsseldorf Hbf
Mein Lieblingshauptbahnhof. Haha, gelogen. Ich habe keinen Bock durch den Regen zu rennen, also warte ich auf die U75. Der Chronologie geschuldet fährt zunächst die U74 ein und die Menschen rennen auf einmal wie die Bekloppten in Richtung Einstiege. Doch da erschallt tatsächlich auf einmal wie aus dem Nichts eine Ansage: „Erst aussteigen lassen!!“ Die Leute schrecken zurück. Dann eine erneute Ansage: „Dann einstiegen und nicht drängeln!“ Das Volk tut, wie ihm befohlen wird.
Wir halten fest: Am 11. Dezember 2015, fährt um 19:47 in Düsseldorf das erste Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs ever ein. Die Abwicklung der Reisenden verläuft mit Hilfe des geschulten Personals problemlos.
Freitag, 11. Dezember 2015, 19:50 Uhr, Düsseldorf Hbf
Dennoch verzögert sich die Weiterfahrt um wenige Minuten. Und vielleicht hab ich auch irgendetwas falsch verstanden, denn in diesem kurzen Zeitraum steigen etliche Personen ununterbrochen ein und aus und ein und aus. Tür auf, Tür zu, Tür auf, Tür zu. Ich erkenne leider nicht den Sinn, aber den werde ich – weitere Düsseldorfbesuche vorausgesetzt – sicher noch heraus finden. Vielleicht erspare ich mir das aber auch und stelle einfach die These auf, dass in der Bahn irgendjemand einfach nur ordentlich einen hat fahren lassen.
Freitag, 11. Dezember 2015, 22:01 Uhr, AK 47, Düsseldorf
Als es im über-ausverkauften AK für meinen Geschmack viel zu spät losgeht, sind meine Organe bereits voll mit Qualm gepumpt. Klar, meine Schuld, ich muss ja hier nicht atmen. Dass ich inzwischen ein paar Bier mehr drin habe, kann ich aber getrost auf Dritte schieben, denn ich bin schließlich nicht derjenige, der das Zeug verkauft. Ansonsten bin ich verdammt froh, wenn ich nächstes Jahr nicht mehr den inneren Zwang verspüre, reihenweise Fotos für die Homepage machen zu müssen, da meine Kamera auch hier mal wieder jämmerlich versagt. Beziehungsweise mein nicht vorhandenes Talent so ne einfache scheiß Kompaktknipse in den Griff zu kriegen. 2016, wenn dieser wirre uninteressante Scheiß hier endlich nur noch gedruckt und nicht mehr online erscheinen wird, wird sich mein Leben grundlegend ändern und ich der ausgeglichenste Mensch der Welt sein. Interessant, interessant… Schreibblocke alaf!
Freitag, 11. Dezember 2015, 23:23 Uhr, AK 47, Düsseldorf
Sniffing Glue sind feddich, haben wie immer mächtig Spaß gemacht und jetzt sind die wundervollen, sich auflösenden Panzerband auf der Bühne, die 5 Minuten zuvor erst im AK angekommen sind. Da reichte die Zeit nicht einmal, um sich über das Begrüßungsküsschen hinaus mit Panzerband-Singamsel Bäppi ein paar Worte zu unterhalten. Da man eh kaum mehr in den Konzertraum kommt und es mir verdammt scheiße geht (seit ein paar Tagen fängt mein Puls immer mal wieder urplötzlich an zu rasen und pendelt sich bei unentspannten rund 150 Schlägen pro Minute ein), beschließe ich meinen Vernunftsplan in die Tat umzusetzen: Anstatt mit der S-Bahn satte 90 Minuten von Düsseldorf nach Witten durchzureisen, entscheide ich mich für die Regionalexpress-bis-Bochum-und-dann-S-Bahn-bis-Langendreer-und-dann-mal-sehen-Variante. Das ist sicher ein super Plan!
Samstag, 12. Dezember 2015, 0:17 Uhr, Regionalexpress?
Ich bin zur bescheuertsten Zeit überhaupt abgehauen. Dass ich somit Dean Dirg verpasse, war mir ja vorher klar. Aber dass die nächste Planmäßige Verbindung, wenn ich am Düsseldorfer Hauptbahnhof ankomme, erst 30 Minuten später stattfinden wird, woher hätte ich das denn wissen sollen? Jetzt sitze ich in irgendeinem Zug mit 45 Minuten Verspätung und fahre Richtung Ruhrgebiet. Mein Zettelwulst gibt nur wirres Zeug von sich. Ich beschließe gleich irgendwann in Essen auszusteigen und dann mal weiter zu sehen.
Samstag, 12. Dezember 2015, 1:59 Uhr, Residence Witten
Über Zweieinhalbstunden nach meiner Stadtflucht aus Düsseldorf erreiche ich meine Behausung. Fragt mich bitte nicht wie, der Taxifahrer war jedenfalls sehr nett. Warum ich nicht einfach die 90-Minuten-S-Bahn genommen habe, versteh ich auch nicht. Dem Kater schon jetzt in die Augen blickend, bin ich ziemlich froh, dass Cocktailbar Stammheim nachher auf Grund von Krankheit nicht in Düsseldorf spielen werden. Für mich heißt das, dass ich innerhalb weniger Stunden nicht nochmal in den Genuss dieser hochentspannten Reise in die Junggesellenabschiedsmetropole und zurück kommen werde. Ich werd ´s überleben. Gute Nacht!
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Ihr findet alle Berichte seit Januar 2013 auch in unserer „Almanach“ und „Diary“-Buchreihe. Aktuell ist das „PUNKROCK DIARY Vol. 1“ mit den Berichten von Juli bis September 2015. Die nächste Ausgabe erscheint am 01.02.2016 (Berichte/Ticker von Oktober bis Dezember 2016). Mehr Infos dazu findet Ihr HIER. Erhältlich sind die Teile in unserem „Non Profit Mailorder“ (KLICK!) (sofern noch nicht ausverkauft).