Diary 2015/29. KW (Teil 2): The World Inferno Friendship Society @ Druckluft, Oberhausen

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29. Kalenderwoche 2015 (Teil 2)

Begleitung: The World Inferno Friendship Society

Örtlichkeiten: Druckluft, Oberhausen

Samstag, 11. Juli 2015, 22:39 Uhr, Druckluft, Oberhausen

Bis zum Konzertbeginn war der Abend dank vieler netter Menschen wirklich schön. Jetzt, wo die Band ihr halbes Set durch hat, welches überwiegend an mir vorbei gegangen ist, sitze ich im Vorraum und meine Stimmung ist mehr als bedrückt. Die Gedanken, die ich bis gerade mehr oder weniger unterdrücken konnte, kommen wieder hoch. In den letzten Tagen gab es eine Menge Hiobsbotschaften. Viel Scheiße ist passiert. Und heute gab es dann noch einen oben drauf.

Ein mir ziemlich ans Herz gewachsener Mensch ist vor wenigen Tagen gestorben, wie ich heute erfahren habe. Jemand, mit dem ich eigentlich wenig zu tun hatte. Erst jetzt, wo er Tod ist, wird mir bewusst, wie sehr er mir ans Herz gewachsen ist. Bei meinen Hamburgbesuchen war es immer eine Freude, ihn zu treffen und mit ihm zu schnacken. Ansonsten hatten wir gelegentlichen E-Mail-Kontakt, in dem die Warmherzigkeit und dieser wundervolle Humor immer hervorstachen. Erst jetzt, wo Olli nicht mehr lebt, ist er nahezu durchgehend in meinen Gedanken.

„Du wirst mir fehlen“ wäre trotzdem gelogen. Olli hat nie meinen Alltag bestimmt, war dort nie präsent.  Wenn ich in Hamburg sein werde, wird dies anders sein. Er war zumindest ein Stück dessen, was „dazu gehörte“. Auch wenn meine Traurigkeit in ein paar Tagen schon nachgelassen haben wird, wird die Erinnerung zumindest immer dann hoch kommen, wenn ich über den Kiez taumel. Jetzt gerade ist es selbst für mich, obwohl ich nie so nah dran war, schlichtweg unbegreiflich.

Ich weiß bisher nicht einmal, was passiert ist. Ob es Suizid, ein Unfall oder eine plötzliche Krankheit war. Es geht mich auch nichts an. Ein paar Gedanken kommen an der Stelle trotzdem hoch, denn inzwischen sind es nicht mehr nur „vereinzelte Menschen“, die ich kannte und die viel zu früh aus dem Leben geschieden sind. Gerade innerhalb der Subkultur, in der ich mich bewege, ist das auffallend. Da, wo das soziale Bewusstsein sehr hoch ist und ein Großteil der Leute ein hohes Empathievermögen mit bringt.  Der Großteil davon hat die Entscheidung zu sterben, selber getroffen. Und ich kann jeden einzelnen verstehen. Jeden, der sich von dieser Welt und dieser Gesellschaft dermaßen erdrückt fühlt, damit nicht mehr klar kommt und den letzten Ausweg wählt. Ich habe mal gesagt „ich glaube ich kenne kaum jemanden in meinem Freundeskreis, der noch keine Therapie hinter sich hat – mich eingeschlossen“. Wir nehmen uns viel zu Herzen, viele kommen damit klar, manche werden davon aber auch erdrückt. Gleichgesinnte zu haben ist wichtig, es hilft, es motiviert, aber die Scheiße um diese Hülle bleibt. Der Versuch die Scheiße endgültig zu besiegen ist aussichtslos. Wir können versuchen unser Leben abseits dieser Scheiße teilweise selber zu bestimmen, doch wir sind zwangsläufig immer ein Teil davon. Vielen von uns reicht das. Viele von uns freuen sich über Teilerfolge, Bruchteile dieser Welt hier und da mal zum positiven zu Verändern. Am Ende hilft das Einzelnen und jeder einzelne  Mensch (und für mich auch Tier), dem geholfen wird, ist es wert. Doch am Ende bleibt ein gigantischer Haufen Scheiße: Unterdrückung, Fremdenhass, Homophobie, Egoismus, Sexismus, Religionsfanatismus, Verteilungsungerechtigkeit, Hunger, und und und bleiben für immer. Wen wundert es da, wenn Menschen es nicht mehr aushalten?

Auch wenn ich selber davon so weit weg bin, dass ich mir sicher bin, dass mir das nie passieren wird, wundere ich mich eher darüber, dass es nicht noch mehr sind, die den endgültigen Notausgang wählen. Völlig losgelöst davon, wie Olli aus dem Leben geschieden ist. Das möchte ich an der Stelle noch mal betonen. Ich weiß es nicht, aber es sind Gedanken, die an dieser Stelle wieder hochkommen und raus müssen.

Auch wenn es von den Betroffenen vermutlich niemand lesen wird: Ich wünsche der Familie, den Freundinnen und Freunden von Olli, alles, alles Gute. Alle Kraft, die Ihr jetzt braucht. Dass die positiven Gefühle, die mit der Erinnerung an Olli verbunden sind, die Trauer möglichst schnell überholen werden. Dass das ein langer Weg ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber auch wenn man es jetzt nicht für möglich hält: Irgendwann wird diese Zeit tatsächlich kommen. Wenn das Leben auch nie mehr so sein wird, wie es mal war.

Es ist überhaupt nicht möglich, die richtigen Worte zu finden. Ich könnte jetzt noch krampfhaft versuchen, weiter zu schreiben. Aber ich bin gar nicht in der Lage dazu, das auszudrücken, was in mir vorgeht, was ich den Hinterbliebenen sagen möchte und beides in Einklang zu bringen. Olli, es ist schön, Dich gekannt zu haben. Rest in Peace!


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