06.05.23, 31. Spieltag, Böllenfalltorstadion, 20:30 Uhr, 0:3 (0:1)
Die Dinge sind, wie se sind. Pling! Für mich heißt das immerhin das mindestestens 4. Auswärtsspiele in dieser Saison, nach Düsseldorf, Paderbon, Sandhausen und eventuell weitere, für die in meinem Hirn kein Platz mehr ist. Leider dieses Mal alleine mit zwei Karten im Gepäck, da die Dinge nun mal so sind, wie sie sind. Ich sagte es euch doch bereits!
Mehr als 100km bedeutet natürlich, dass das - also für mich ganz persönlich - nur mit mindestens 2 Übernachtungen Sinn macht. Und das bedeutet zugleich sportliche Betätigung bis zum Erbrechen in Form von Fußmärschen, um das Reiseziel auch gebührend zu erkunden. Das zu diesem Zweck auserkorene Freitagsziel: Irgendeine Kneipe um dort das Spiel der ungeliebten Vorstädter aus St. Ellingen zu sehen. Über 12.000 Schritte hat mich die Suche gekostet, bis ich auf einmal vor dieser Martinsstube stehe, aus der gerade ein Gast heraustritt (autschn!) und sich auf den Weg von Dannen macht. Meine höfliche Frage, ob da drin Fußball liefe, beantwortet er damit, dass der Wirt gerade an mache. 10 Minuten nach Spielbeginn. Da ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut vor soviel Gelassenheit.
Als ich hereintrete befindet sich eine Person an der Theke. Drei ältere Personen weiblich (2) und männlich (1) gelesener Art schauen am angrenzenden Tisch auf einem eher kleinen Fernsehgerät irgendeine Rateshow und raten lautstark, an Streitgesprächen grenzend, mit. Am Nebentisch ein (vermutlich) Bauarbeiter, selbstverständlich noch mit gelber Warnweste bekleidet. Ich fühle mich im Rahmen dieser Klischeebehafteten Gemeinde sofort pudelwohl und werde nett aufgenommen. Also hocke ich mich vor einen zweiten, stark überdimensionalen Fernseher (eher im Leinwandformat), der sich nur wenige Meter weiter befindet, wo ich schließlich alleine das 2:2 begutachte (womit Darmstadt im Falle eines Sieges morgen bereits aufsteigen könnte). Die Stammgäst:innen bleiben lieber in Thekennähe und nehmen mit der inzwischen nun auch auf dem kleineren TV laufenden Übertragung vorlieb.
Der Wirt ist ebenfalls ausgesprochen freundlich: Ein Asiate, der mal in Aachen gewohnt hat, Verwandtschaft in Oberhausen hat, sich mehrmals zu mich setzt und mich mit seinem Wissen über Kultur und diverse Wissenschaften beeindruckt. Da dachte er vermutlich: "Endlich mal ein Punk in der Bude und kein Stammtischgelaber, der versteht mich wenigstens." Die Eintrittskarte, die ich wegen der Dinge, die nun mal so sind, noch übrig habe, will er aber trotzdem nicht.
Nach dem Spiel schnacke ich noch kurz mit zwei netten D98-Fans an der Theke (dort hat sich die Anwesendenzahl inzwischen verdoppelt) und mache mich dann auf den Rückweg, bleibe jedoch noch kurz für zwei letzte Bier in einer anderen Kneipe hängen, wo sich noch drei weitere (leider auch bereits komplett mit Karten eingedeckte) FCSP-Fans aufhalten. Einer davon ist von den "Bonner Blaubären". Der Name ist Programm. Und den Folgetag haben sie auch schon verplant: In irgendeinem Irish Pub die Krönung von Prinz Charles gucken. Haha.
Für heute reicht es dann aber auch. Ich bin diese Raucher:innenkneipen nicht mehr gewohnt und das geht mir auf die Birne, selbst wenn nur sehr vereinzelt gequalmt wird. Dazu kommt meine beschissene Augenkrankheit, für die Zigarettenqualm leider bedeutet, dass die Gefahr zu erblinden für mich rapide steigt. Ist wirklich so.
Am näxten Morgen begebe ich mich noch vor dem Früstück zum Stadion. Aber bis auf ein paar Ordner:innen, die den Parkplatz bewachen, ist noch kein Arsch da. Verdammt, dann war mit "Anstoß 8:30 Uhr" wohl doch ABENDS gemeint.
Also erst mal wieder zurück in die City. Meine Fresse, was hier los ist. Eine Legalise-Demo, viele andere kleine Menschenaufläufe, teils cool, teils uncool motiviert, und eine Horde voll (vermutlich) Menschen in bunten Kunstfellkostümen. Ohne jeden Hinweis, warum und weswegen. Ein Fetisch? Eine Art Öko-Sauna? Schließlich sind (für mich) gefühlte 33 Grad. Das + Bewegung + Kunstfellkonstüm, da kommen locker 1.000 Grad zusammen.
Kurz danach treffe ich auf FCSP-Präsi Oke Göttlich, der mir versichert, ebenfalls bereits eine Eintrittskarte zu besitzen. Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen, sorry. Bzw.: SAG DOCH EINFACH, WENN DU NICHT NEBEN MIR SITZEN WILLST!!!!111!!!1
Den Rest des Tages verbringe ich mit viel Bewegung. Präzise ausgedrückt heißt das: Rauf aufs Zimmer, halbe Stunde später wieder runter Pizza essen, rauf aufs Zimmer, halbe Stunde später nochmal runter Vischbrötchen essen, rauf aufs Zimmer, und wieder runter Kuchen und Teilchen essen, rauf aufs Zimmer, runter und so weiter und so fort. Das ist ganz schon anstrengend, aber man hat ein gutes Gewissen, etwas getan zu haben.
Trotzdem ist noch viel Zeit bis zum Spiel. Zu viel, um bis dahin Ruhe zu bewahren. Also mache ich mich einfach schon (bzw. noch) mal auf den Weg und komme nach knapp 30 Minuten Fußmarsch so gegen 17 Uhr am noch immer fast leeren Stadion an. Die Betonung liegt auf "fast", denn plötzlich e-rollern die drei Kneipenbekanntschaften von gestern vor mir ins Geschehen. Und da diese auch nüchtern sehr sympathisch sind, verbringen wir die nächsten 1-2 Stündchen gemeinsam im Stadion-Biergarten und begeben uns dann auf die nicht gerade einfache Reise in Richtung Gästeblock. Denn dank unzählbarer Bauzäune und Baustellen rings um das Stadion, gepaart mit teils widersprüchlichen Aussagen mancher Ordner:innen und Einheimischer, müssen wir nicht nur einen riesigen Bogen machen, sondern verlaufen uns auch diverse Male, so dass wir sicher über ne halbe Stunde benötigen, bis wir am Ende durch ein Stück Wald endlich am Gästetor ankommen.
Hier trennen sich unsere Wege in diverse Sitzplatzbereiche. Ich treffe noch wenige Bekannte, die allerdings allesamt Stehplatzkarten ergattern konnten. Und dann beginnt die Ekstase...
Während die Stadionmucke anfangs noch grauenhaft ist, gibt es nahe des Spielbeginns zwei durchaus mitwippbare Punksongs, die - wenn meine Ohren mich nicht ganz im Stich gelassen haben - deutlichen D98-Bezug haben. Gefolgt von einer hervorragenden "Saturday Night Fever"-Choreo (remember: Anstoß Samstag 20:30 Uhr), Stadionmusikatmosphärisch unterstützt vom gleichnamigen Musikwerk. Hut ab, das war verdammt schön. Eigentlich nur noch durch einen 3:0 Gästeerfolg zu toppen. Ich wollte es erst aussprechen, war dann aber gar nicht nötig.
Die Stimmung auf unserer Seite entsprechend. Zumindest im X2-Sitzplatzbereich saß vermutlich niemand mal länger als 15 Sekunden. Ich habe es einmal auf zehn geschafft, das war aber auch ca. 30 Minuten vor Spielbeginn. Wen wundert´s: Das Team auf dem Rasen legt eine unfassbar gute Leistung aufs Parkett, bzw. aufs satte Grün. Ein Träumchen in braun-weiß-rot. Einzelheiten entnehmen sie bitte der Fachpresse. Wir sind hier schließlich nicht der Kicker.
Als irgendwann der Schlusspfiff ertönt, die Party sich im Stadion dem Ende neigt und ich mich auf den Rückweg mache, bin ich nicht nur verdammt heiser, sondern auch gewohnt orientierungslos. Irgendwann stehe ich tatsächlich alleine im Stockdüsteren zwischen irgendwelchen Bauzäunen. Aber die Handytaschenlampen anderer St. Paulianer:innen, etwa 30 Meter entfernt, zeigen mir den Weg.
Am Ende des Wochenendes steht eine durch und durch großartige Tour zu Protokoll. Eine Hand voll netter Menschen kennen gelernt (Grüße gehen in Richtung Köln-Bonn) und auch die Lilien-Fans, denen ich in den drei Tagen begegnet bin, waren ausgesprochen nett und gesprächig. Und ab sofort dürft ihr auch gerne den Aufstieg klar machen. Und dann rockt ordentlich das Oberhaus, ich gönn es Euch!