Samstag, 09.11.24, schon wieder 15:30 Uhr, krass!!
10. Spieltag, 1. Bundesliga (M)
Millerntor
Matchday Morning
Coolness siegt
Wir hatten kurzfristig tatsächlich noch eine Karte über. Sogar einen GG-Steher. Nur wem geben wir die? Uns kommen Massen an Suchenden entgegen und ich mit meinem Misstrauen sehe in den allermeisten potentielle illegale Weiterverkäufer*innen, selbst wenn die erst 10 Jahre alt sind. Dann sehe ich Leute von Braun-Weiß Edel am GG-Eingang stehen, die ich in letzter Zeit immer mal wieder treffe und mit denen ich vor über 30 Jahren außerhalb von NRW im Grunde meinen FCSP-Hauptkontakt hatte (damals gab es noch einen zweiten Verein in meinem Leben, darüber möchte ich aber nicht reden, hüstel).
"Und habt ihr Karten?" werden wir gefragt. "Klaro, wir haben sogar eine über." Und plötzlich gehen alle Augen auf eine Person, die vermeintlich relativ gelangweilt neben uns steht, kein Schild in der Hand hat oder andere Ambitionen zeigt, um an eine für uns überraschenderweise noch benötigte Karte zu kommen. Der gefühlt emotionslose Blick ändert sich in ein Dauergrinsen, als wir ihm feierlich das Ticket übergeben. Das Gelächter ist groß und alle sind glücklich. So schön kann Fußball sein.
Vor dem Einlass
Die Situation hinter der GG ist zu Dom-Zeiten schlichtweg beschissen. Wir selber hatten Karten für die Nord und haben versucht uns knapp 2 Stunden vor Spielbeginn vom Fanladen aus in die Richtung aufzumachen. Zu dem Zeitpunkt befanden sich bereits unendliche Schlangen vor den GG-Eingängen, die allerdings auch so nah am Zaun zum Dom entlang liefen, dass mensch sich dort sehr mühsam und seitwärts gehend durchzwängen musste. Inklusive Gegenverkehr. Für Menschen mit noch mehr Platzangst als ich es habe, kaum machbar. Dabei sind die Schlagen vor den GG-Eingängen aus meiner Sicht durchaus vorbildlich. Kein Wulst an Menschen, sondern tatsächlich einreiheige Schlangen, mit diversen 90 Grad-Winkeln, wo sie notwendig sind. Mehr geht von Fanseite aus nun wirklich nicht. Die einzige Chance, die ich hier auf Entspannung sehe wäre, die Stadiontore - wie in vielen anderen Stadien auch - bereits 120 anstatt 90 Minuten vor Spielbeginn zu öffnen. Das würde vermutlich zumindest ein wenig entzerren.
Vor dem Spiel
Tolle Choreo zur Freundschaft von USP und Schickeria auf der Süd. Die Parallel-Choreo der Gäst*innen konnten wir von unserem Platz aus leider nicht wirklich sehen. Insgesamt war es sehr angenehm, was die Münchener*innen ablieferten. Alles andere wäre angesichts der Ultra-Freundschaft auch überraschend gewesen.
Die Spielleitung
Es muss sich um ein Regelschlupfloch handeln, dass wenn ein*e Torhüter*in gleichzeitig auch Spielführer*in ist, nicht nur ein, sondern bis zu 8 Feldspieler*innen benannt werden können, die mit der Spielleitung reden dürfen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass von Beginn an bei gefühlt jeder Schiedsrichter-Entscheidung eine Traube von FCB-Spielern auf diesen einredete. Auch die Schiri-Assis wurden immer wieder von einen der acht, die nicht Kimmich hießen, vollgetextet. Da dachte sich Manolis wohl, dass er das genau so dürfe, allerdings mit gesteigerter Vehemenz. Vielleicht war die Rechung von ihm: 6 Bayern-Vehemenzen = 1 Saliakas-Vehemenz. Schiedsrichter Timo Gerach erwies sich als nicht so Rechensicher (ich empfehle Excel!) und zeigte die Farbe für Manolis, auf die wir auf der anderen Seite heute schon so oft gewartet hatten: Gelb. Das ist durchaus vertretbar und auch unnötig, lässt aber angesichts der bis Dato ausgebliebenen Karten in Richtung Bayern-Spieler durchaus den Vorwurf der Ungleichbehandlung aufblitzen. Auch wenn es auf der einen Seite um Qualität (Vememenz) und auf der anderen um Quantität geht.
Auch Co-Coach Peter Nemeth fand das alles ziemlich uncool und kassierte ebenfalls Gelb. Und wenn mensch sich in der Szene dann auch noch vor Augen hält, dass der rüde eingestiegene Kim genau die gleiche persönliche Strafe erhält, von der wir dann zwei erhalten... Puh, ja, vielleicht tatsächlich in der Situation regelkonform, aber.
Das Gegentor
Das war schon Zucker, was Musiala da abgesetzt hat. Auch wenn der Knicker halbwegs mittig einschlug, war Nikola aus meiner Sicht absolut chancenlos. Wir konnten das von da oben gut sehen, wie bescheiden für ihn die Flugkurve des Balles war und er tut halt das, was er tun kann. Im ersten Moment dachte ich sogar, das Ding ging drüber, aber der (verhaltene) Jubel der Münchener Spieler überzeugte mich dann leider vom Gegenteil. Verhalten vermutlich, weil wir eh nur als Pflichtaufgabe angesehen wurden. Was zum Ende des Spiels offenbar etwas anders aussah, denn da meine ich durchaus ein erleichtertes "Arme hoch reißen und Kopf senken" bei den Akteuren der Gäst*innen vernommen zu haben.
Das Spiel
Und damit wären wir beim Spiel. Irgendwie fühlte es sich von Beginn an komplett anders an, als sonst so. Kein Hauptaugenmerk auf ein "da könnte heute was drin sein", sondern viel mehr ein zittern um jede Sekunde, die wir überstehen, um dann vielleicht doch den viel zitierten Nadelstich zu setzen. Wie kommt das bloß? Lassen wir doch einfach mal die auf transfermarkt.de basierende Excel-Tabelle sprechen und erlauben uns ein paar Zahlenspielerein:
- Der FCB hat 7 Spieler in der Startelf, von denen jeder einzelne finanziell mehr wert ist, als unser gesamter 29(!)-köpfige Kader. Ein weiterer FCB-Startelfspieler ist finanziell ungefähr genauso viel Wert wie unser Kader, nämlich rund 40 Millionen Euro.
- Harry Kane ist mit 100 Mio. finanziell alleine 2,5 mal so viel Wert, wie unser gesamter Kader. Musiala mit 130 Mio. mehr als 3 mal so viel.
- Die Startelf der Bayern ist finanziell ca. 25 Mal so viel Wert, wie unsere Startelf (558 vs. 22,6 Mio.).
- Der "teuerste" Spieler der FCB-Startelf (Musiala, 130 Mio.) hat den über 32-fachen Marktwert von unserem "teuerster" Spieler (Smith, 4 Mio.) und den 185(!)-fachen Marktwert von unserem Spieler mit dem geringsten Marktwert in der Startelf (Boukhalfa, 700.000).
- So, und jetzt kommt es. Ist ja nicht so, als könnten wir überhaupt nicht mithalten: Der Spieler mit dem geringsten Marktwert der FCB-Startelf (tatsächlich Manuel Neuer) hat den gleichen Marktwert, wie unser "teuerster" Spieler (Smith): Beide 4 Millionen. Hell yeah!
Und es ist wirklich imposant, diese individuelle Qualität eines jeden einzelnen Bayern-Spielers zu bestaunen. Wie die mit dem Knicker umgehen, ist schon erste Hafer-Sahne. Mindestens genauso imponiert hat mir aber, wie wir als Kollektiv dagegen gehalten haben. Wir, mit unserem 1/25-Startelf-Markwert! Das war wirklich richtig, richtig geil! (So haben wir früher gesagt, vielleicht kennen einige von euch das Wort noch in diesem Kontext.) Da ist mir am Ende dann doch die knappe Niederlage lieber, als ein 0:4 oder gar höher (davon abgesehen, wird uns genau dieses Spiel heute über die Tordifferenz den Klassenerhalt sichern). Und wer weiß, wie das Spiel gelaufen wäre, wenn die Hereingabe von Dapo ziemlich am Anfang des Spiels, nicht zu leicht für Neuer gewesen wäre. Ja, Spekulatius. Ich bin auf jeden Fall alles andere als enttäuscht.
Die Halbzeit-Chereo
Kein Vergeben, kein Vergessen! In mahnender Erinnerung an die Novemberpogrome des NS-Regimes gegen die deutschen Juden vor 86 Jahren gab es in der Halbzeit eine Stadion-Choreo und bedrückende Worte über die Lautsprecher. Neben lautstarken "Alle zusammen gegen den Faschismus" und weiteren kollektiven Bekundungen vor und nach den Worten, gibt es vor allem eins: Andächtiges Schweigen. Kein Antifa Hooligan vor dem Wiederanpfiff, sondern Ohrenbetäubende Stille, kurz bevor die Teams wieder den Rasen betreten. Zumindest fast: Während ich mit den Tränen kämpfe, die definitiv herausgeschossen wären, hätte ich auch nur ein Wort sprechen müssen, schaffen es ein paar Zuschauer*innen tatsächlich, sich während dieser Minuten weiter zu unterhalten. Ich hätte mir auch gewünscht, dass deutlich mehr Leute zumindest aufgestanden wären, denn zumindest auf der Nord blieben viele Personen gefühlt desinteressiert sitzen. Vielleicht ist mein Vorwurf unbegründet, denn auch im Sitzen kann Mensch natürlich Anteil haben, ich hätte mir dennoch bei all dem Positiven, die der überwiegende Großteil der Besucher*innen nicht nur in diesem Moment gezeigt hat, bei der einen oder anderen Person doch etwas mehr gewünscht. Und "mehr" wäre wirklich nicht einmal viel gewesen.
Gäst*innen-Fans außerhalb des Gäst*innen-Blocks
Habe ich (in den allermeisten Spielen) überhaupt kein Problem mit (abgesehen von der Gesamtkartensituation). Und generell natürlich auch heute nicht. Ich muss allerdings auch - aller Vernunft zum Trotz - eingestehen, dass ich, der eh sehr intensiv mitzittert, bei sehr intensiv ausgelebten Gefühlen (ständiges aufspringen, lautstarker und gestenreicher 1-Personen-Support etc.), dann irgendwie doch ein wenig genervt bin.
Eric Smith
Au mensch ey... hoffen wir das beste.
Nach dem Spiel
Wir gehen noch kurz in die Fanräume, da macht die G.A.S. heute Tresen und da freuen wir uns, zumal das auch eine hervorragende Musikauswahl garantiert. Als irgendwann im Gang die ersten Kippen angehen und das für meine Augen leider scheiße ist, verlassen wir die mir eh zu vollen Räumlichkeiten aber auch schon wieder nach ner ca. halben Stunde. Genug für heute. Wir besuchen noch kurz ein paar weitere bekannte Gesichter an ihrem Kiez-Treffpunkt, essen noch ne Kleinigkeit und schlendern dann durch die teils andächtig beleuchteten Straßen.
Kein Vergeben, kein Vergessen!
Gute Nacht!
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