Sonntag, 24.11.24, 17:30 Uhr
11. Spieltag, 1. Bundesliga (M)
Borussia-Park

Kapitel 1

persönlicher Egoscheiß, der so gar nix mit St. Pauli zu tun hat (zum Vorspulen bei Bedarf)

Spätestens wenn Begriffe wie "Resturlaub" zur alljährlichen Selbstverständlichkeit geworden sind, muss auch ich resigniert eingestehen, dass das mit der vor 35-40 Jahren geplanten Revolution nicht funktioniert hat. Ja, damals waren solche Wörter und gefühlter Hass noch von "uns" besetzt. Dann kam irgendwann das Internet, die AfD, Reichsbürger*innen, Elon Musk und all der ganze Scheiß und die Karten wurden neu gemischt. OK, ich schweife ab, bevor ich überhaupt begonnen habe. Also noch mal von vorne:

Resturlaub! Hat auch was gutes, denn den kann mensch sich örtlich so legen, dass er spieltagskonforum matcht. Eigentlich macht das von unserem Wahlwohnsitz aus gar keinen Sinn, Mönchengladbach in einen Urlaub zu integrieren (ca. 75 Minuten mit dem RE ohne Umstieg). Aber Urlaub ist nun mal Urlaub und so buchen wir als erste Station aka Holidayeinstieg für eine Nacht ne Absteige vor Ort (die mit mindestens 3:1 Wohneinheiten auch voll in braun-weißer Hand ist), über die ich - bei all dem Frust, den diese Auswärtsfahrt noch mit sich bringen wird - noch sehr glücklich sein werde. Aber der Reihe nach:

Am Vorabend nehmen wir noch ein Konzert auf der Zeche Carl in Essen-Altenessen mit. Hier habe ich, damals wenige Meter daneben wohnend, meine Jugend in den 80ern verbracht und war lange nicht mehr dort. Viel Metal, dann viel Punk und mindestens genauso viel Alkohol waren damals jedenfalls wichtiger als St. Pauli.

Inzwischen gehe ich ja taktisch klug beim trinken vor und habe meinen Konsum sowieso erheblich zurück geschraubt. Und Programm am nächsten Tag (Matchday) heißt daher erst Recht, nicht nur maximal 3 bis 4 Bier beim Konzert, sondern auch reichlich Wasser davor, zwischendurch und danach.

Und daran halte ich mich natürlich auch dieses Mal: Nach 4 Stauder Pils ist schluss, danach gibt es nur noch Kranberger, so dass ich morgen vielleicht beim Aufstehen ein wenig was merke, was aber nach zwei Kaffee für gewöhnlich wieder vergessen ist.

Ja, scheiße. Mir geht es am nächsten Morgen anfangs zwar nicht wirklich mies, aber mein Körper droht mir mit dem berüchtigten Spätkater. Das habe ich tatsächlich immer mal wieder, dass ich erst halbwegs auf der Höhe bin, aber so gegen 12-14 Uhr plötzlich den mega Kater bekomme. Neben dieser Drohnung gesellen sich Kopf- und Nackenschmerzen, so dass ich mir 2 Paracetamol gönne, die möglicherweise mitschuldig an der ganzen Misere sind:

Mein Zustand verschlechtert sich rapide, so dass wir die für früh Morgens geplante Fahrt nach Mönchengladbach immer weiter verschieben. Irgendwann quäle ich mich auf den Beifahrersitz, merke aber, dass ich meine Augen phasenweise entweder nur geschlossen oder offen halten kann. Mal so, mal so, ganz merkwürdig. Wir legen unterwegs einen Stopp ein, in dem ich mich über die Leitplanke lege, aber auch das bringt herzlich wenig.

An unserer Unterkunft angekommen, schaffe ich es kaum auszusteigen. Meine Knie schlottern, ich kann nicht einmal reden und muss mich an der Häuserwand abstützen. Als wir endlich oben sind falle ich - so gut ich noch kann - jammernd aufs Bett. In spätestens einer Stunde wollten wir eigentlich in Richtung Stadion latschen, doch wir sind uns beide sicher, dass S. den Weg heute alleine machen wird.

Ich kapier das nicht. 4 Bier, keine (sonstigen) Drogen (nehme ich ja eh nicht), keine Kippen (rauche ich ja eh nicht) und nicht einmal Passivrauch (gibt´s zum Glück in NRW-Locations im Regelfall ja auch nicht). Alle paar Monate kriege ich selbst unter diesen vermeintlich harmlosen Rahmenbedingunge am Folgetag den Megakaterflash, wobei hier vielleicht auch die beiden Paracetamol kontraproduktiv waren.

S. latscht dankenswerterweise zum Hauptbahnhof und holt Salzgebäck und ich rappel mich irgendwie hoch, beiße ein paar mal rein und so ein ganz klein wenig kommen die Lebensgeister zurück. Ich will diesen verdammten Auswärtssieg (hüstel) miterleben und wie durch ein Wunder bin ich eine Stunde später halbwegs klar. Zwar noch sehr schlapp auf den Beinen, aber immerhin in der Lage, mich die 15 Minuten Fußweg zum am Hauptbahnhof wartenden, zum Glück noch recht leeren Shuttlebus zu schleppen.

Kapital 2

Die Vergangenheit

Teutschlands schönste Gäst:innenkurve stand am Bökelberg und ist schon lange tot. Das hat natürlich auch seine Vorteile: Peter van der Houdt hatte die Mönchengladbacher in der 92. Minute mit 2:1 vermeintlich zum Sieg geschossen, ehe Thomas Meggle einen Freistoß von Marcel Rath so geschickt abfälschte, dass dieser tatsächlich noch zum 2:2 Ausgleich in die Bökelberger Maschen flatterte. Es war der 3. Punkt am 7. Spieltag der Saison 2001/02 und was folgte war zwangsläufig: Wir kusselten die gefühlt 2 Meter hohen Stufen im Gäst:innenblock hinunter und der nächste Wellenbrecher war weit entfernt. Dann merkte ich nur noch einen stechenden Schmerz im Knie und fertig war der Meniskusriss. Ich habe keine Ahnung, wie ich hinterher den Bökelberg wieder hinunter kam, aber irgendwie muss ich es geschafft haben, sonst wäre ich ja zwischen damals und heute nicht zwischenzeitig zu Hause gewesen. So richtig Gesundheitsfördernde Erinnerungen habe ich an Spiele gegen die Niederrheiner*innen jedenfalls nicht.

ankunft

Kapitel 3

Der Borussia-Park (ja, jetzt geht´s los)

stadionleer

So wirklich scheiße ist der Borussia-Park allerdings auch nicht. Wir sind im Oberrang und die Stufen im dortigen Sitzplatzbereich sind ähnlich steil, wie einst die Stehplatzstufen am Bökelberg. Dafür zahlen wir gut 15% weniger, als wir in Dortmund hingeblättert haben (32 vs. 38 Euro), haben dafür aber eine 10 mal bessere Sicht (ja, die Zahl ist fiktiv, aber sie stimmt hundertstelgenau!!). Unterm Strich aber doch irgendwie ein Stadion von vielen, irgendwo weit draußen und alles andere als der Bökelberg, mitten in Mönchengladbach-Eicken.

nordleer

Es gibt eine strikte Trennung im away-Bereich zwischen Ober- und Unterrang. Zwar gehen alle durch den gleichen Eingang (wieder diese scheiß hohen Drehkreuzdinger), doch auf dem Weg nach oben werden die Tickets eingerissen, so dass ein Weg zum begrüßen der später eintreffenden und den Unterrang besuchenden Freund*innen verwehrt bleibt. NORMALERWEISE! Denn wie wir irgendwann mitbekommen, haben wir heute das große "Glück", dass an "unserem" Verköstigungsstand auf der Oberrang-Ebene der Strom ausgefallen ist. Und so wird uns für ein (für mich) alkfreies Bier Durchgang gewährt, wobei immerhin noch ein paar uns vor die Füße fallende bekannte Gesichter begrüßt werden können. Bis ich mich auf Grund meiner körperlichen Verfassung wieder ganz schnell setzen muss.

vorher3

Die WC-Situation im Oberrang ist gerade für Frauen (logo: binäre WCs) auch nicht die prickelndste: Gerade einmal 4 Keramikschüsseln stehen für die Oberrang-Gäst*innen-Blöcke zur Verfügung. Die nicht vorhandene Fußball-WC-Göttin mag mich Lügen strafen, falls es doch noch einen zweiten Raum mit weiteren 4 WCs auf unserer Ebene gab. Kommentare bitte in die nich vorhandene Kommentarspalte.

vorher4

Musikalisch haben wir auch schon schlimmeres erlebt und das vermutlich "offizielle" Vereinslied ist deutlich rockiger (furchtbares Wort, aber wenn es halt passt...), als der ganze Schlagerscheiß vieler anderer Vereine. Wobei ich meine, einen deutlichen Qualitätsabfall zwischen "vor dem Spiel" und der Halbzeitbeschallung vernommen zu haben. Was allerdings gar nicht geht, ist "Maria" von Scooter als Torhymne. Als wären die Gegentore als solche nicht schon qualvoll genug.

Und sonst so? Vor 4 Tagen war "Internationaler Tag der Kinderrechte" und daher läuft die Borussia heute in Sondertrikots auf und ein Kind darf als Co-Stadionsprecher agieren. So werden beispielsweise die Namen der Spieler bei der Aufstellungsverlesung im Wechsel vorgetragen, wobei der Nachwuchs sich hinsichtlich der Aussprache der Nachnamen unserer Spieler offensichtlich besser vorbereitet hat, als der Hauptstadionsprecher.

Um das an dieser Stelle auch ein für alle mal zu betonen: Stadionsprecher*innen und Zuschauer*innen, die dieses Stadion übergreifende NULL bei der Verkündung der Gegentore zelebrieren, haben keine guten Chancen, von mir lobend erwähnt zu werden. 

Apropos Kinder: Schon mal umständlich einem Kind erklärt, was das Wort "Autorität" bedeutet? Das geht auch leichter. Nehmt es mit in (den eigentlichen) Sitzplatz-Block 6A des Borussia-Parks und lasst alles weitere den Ordner übernehmen. Ob es darum ging, nicht die Zaunfahnen über die Banden mit der Werbung zu hängen, sich nicht direkt hinter diese Banden zu stellen, die Aufgänge frei zu halten oder Kinder, die keine zwei Sekunden im Mundloch stehen, mit gleich doppelter Zeigefingergeste wieder nach draußen zu schicken: Es war der Inbegriff von Autorität. Auf dem Weg zwischen zugewiesenem Platz und WC noch einmal kurz stehen bleiben, um den Eckstoß noch mitzunehmen? Nix da! Einmal den Platz vor der Sitzschale verlassen, gibt´s keinen Zwischenhalt bis nach dem Mundloch mehr. Selbst einer Person mit großer Schwenkfahne wurde mehrfach "vorgeschrieben", wann sie den Fahnenstil weiter ausfahren darf und wann sie wieder ein Stück einzufahren ist. Karten werden von ihm, obwohl mensch hier ohne Karte für den Doppelblock gar nicht hinkommt, insgesamt zum vierten Mal kontrolliert und der Weg zum Platz gewiesen. Wenn mal nichts zu tun ist, wird zur Betonung der Männlichkeit so breitbeinig wie ohne Adduktorenzerrung möglich Stellung bezogen und wenn du ihn mit verständnisvollen Worten bedenkst, wird dir mit kumpelhafter Attitüde gedankt. Legenden besagen, dass der Herrscher über den Away Oberrang bereits als Klassensprecher der 6a und 7a die Sitzordnung im Klassenzimmer bestimmt haben soll. Beeindruckend.

Und ja, ich muss - in diesem Kontext - mit etwas Scham zugeben: Irgendwie find ich das gar nicht mal so scheiße, wenn die Treppen frei bleiben und mensch sich auf dem Weg zum Klo nicht überall durchdrängeln muss und dabei Bier über die Plörren bekommt. Wenn ich mich aber zwischen diesen beiden Polen (Sheriff vs. Treppen-Anarchie) entscheiden dürfte: Ey, schmiert mich ruhig voll mit eurem scheiß Bratwurst-Senf!

Kapitel 4

Spiel & Stimmung

So gut die Stimmung "unten" auch wieder war, gelingt es über große Teile des Spiels leider nicht, diese im Oberrang aufzunehmen. Das war in dieser Saison woanders schon besser und ich weiß echt nicht, woran das lag. An unseren Vorsängern auf dem Zaun ganz sicher nicht, denn die haben einmal mehr alles geben. Danke dafür!

oberrangspiel

Große Augen machte ich abseits des Spielgeschehens, als plötzlich 3 Cops in (natürlich) Kampfmontur unseren Block betraten und den Eindruck vermittelten, als würden sie jemanden suchen. Mit uns (im Oberrang) kann man das ja machen, wa?!

cops

Tja und das Spiel: Soll ich mich wirklich wiederholen? Wir haben einmal mehr gut mitgespielt. Ja, darunter waren auch schwächere, allerdings auch - vor allem in der zweiten Hälfte - richtig gute Phasen und richtig gute Chancen. Aber! (Genau.) Ansonsten wisst ihr ja, wo die Kompetenz in Sachen Spielanalyse zu finden ist (nein, es ist nicht der Kicker!).

pro1530

Kapitel 5

Ende, Aus, Nikolaus - Die Abreise

Hach ja, die Abreise. Ich hasse das. Immer wieder aufs Neue. Gerade diese Stadien am Arsch der Heide sorgen bei mir regelmäßig für "leichte" Anspannung nach Schlusspfiff. Zwar fuhren alle 5 Minuten (lt. BMG-Homepage) Shuttlebusse zum Hauptbahnhof und zum Stadtteilbahnhof Rheydt, doch als ich die Menschenmasse schon sehe, ist mir klar, dass mich da keine 10 Sumo-Ringer reinkriegen. Mein Hirn prognostizierte mir eine Stundenlange Wartezeit in einem Pulk von Menschen, fürchterliche Gespräche, schwer zu ertragende Sprüche, Enge, Scheiße. Die Panik ist nicht weit. Also entschlossen wir uns die gut 5km in die Mönchengladbacher City zurück zu laufen, so spät ist es ja noch nicht. Da GPS aber leider nicht unser Freund ist, ging es dabei zunächst in drei falsche Himmelrichtungen, immer so 500 Meter oder mehr, bis wir irgendwann die richtige Richtung anpeilen konnten.

waldhauser

In der in der Dunkelheit nett beleuchteten Waldhausener Straße (da wo das Leben in MG "tobt") bekommen wir noch ein wohlschmeckendes Seitan Dürüm und kurz danach bin ich so dermaßen dankbar für unsere Unterkunft vor Ort. Ein in Gelsenkirchen wohnender Bekannter hat hinterher berichtet, dass er für die Rückfahrt mit Öffis 4 Stunden benötigt hat. Für gerade mal 70km, die die Bahn sonst in ca. 60-90 Minuten schafft. Puh! Ich spare mir mal, das bis nach Hamburg hochzurechnen, hoffe aber, dass ihr bis zum Heimspiel gegen Kiel alle wieder da seid.

Gute Nacht!

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