Samstag, 07.12.24, 15:30 Uhr ("es ist und bleibt unglaublich"), 13. Spieltag, 1. Bundesliga (M), Ulrich-Haberland-Stadion BayArena
Kapitel 1 (Intro, Mi. 04.12.24)
persönlicher Egoscheiß, der so gar nix mit St. Pauli zu tun hat, dafür aber mit Punkrock (zum Vorspulen bei Bedarf)
Ach du Scheiße. Es ist Mittwoch und so langsam mache ich mir Gedanken. Mir fällt es inzwischen ja eh schwer auf mehr als einer Hochzeit pro Wochenende zu tanzen. Manchmal ist mir sogar die eine zu viel. Da gilt es Prioritäten zu setzen. Aber wie soll mensch das denn bitte schön bei diesem reizvollen NRW-Programm - alles in einem Umkreis von 100km - machen?
Donnerstag: Die Bonner Kombo FUCKING ANGRY (vormals F*CKING ANGRY) gastiert im Wageni, einem kleinen Konzertwürfel in Bochum-Langendreer, der zwar immer viel zu klein für alles mögliche ist, aber gerade dadurch seinen Charme hat. Und im kleinen Hinterhof-Garten an der Feuertonne bekommt mensch schließlich auch noch genug durch die Hintertür (gleich Eingangstür) mit, wo sich vor ein paar Jahren stattdessen noch ein Fenster zum Einlass befand. Mit FUCKING ANGRY verbindet mich so verdammt viel. Am 15.01.2014 sah ich die Band zum ersten Mal: Im AKZ Recklinghausen, zusammen mit MÜLHEIM ASOZIAL and LAMBS. Ich war dermaßen geflasht, dass ich das tat, was ich vorher und hinterher nie mehr getan habe: Ich bin einer Band solange auf den Senkel gegangen, bis sie davon überzeugt war, ihr Debutalbum auf meinem Label RILREC herauszubringen.
Nach insgesamt 10 Jahren und 3 Jahre nach der ersten FUCKING ANGRY-Veröffentlichung reichte ich das RILREC-Zepter weiter und die heutige Label-Betreiberin Tüddel leitet die Geschicke des Labels längst viel besser, als ich es jemals getan habe. FUCKING ANGRY sind auch heute noch auf RILREC und ich freue mich jedes Mal riesig, diese hochsympathischen Menschen in die Arme schließen zu können und stehe während der Gigs im Regelfall mit einer Flasche Bier an einer Seitenwand gelehnt, grinsend in Erinnerungen schwelgend. Schnief.
Und um auch noch den Kreis zum FCSP zu schließen: Bei FUCKING ANGRY spielt seit einiger Zeit auch Dominik mit, der die noch immer bestehende Urbesetzung als zweiter Gitarrist ergänzt und der einst mit "uns Tommy" bei MOLOTOW SODA und CANAL TERROR musizierte.
Freitag: THE MEFFS (Colchester/UK) im Projekt 42 in der Waldhausener Straße in Mönchengladbach, unter anderem mit MARCH (Breda/NL). Gefühlt stand ich da gerade erst nach der ernüchternden Niederlage mit einem immerhin äußerst schmackhaften veganen Dürum in der Hand. THE MEFFS habe ich vor ein paar Jahren auf dem Manchester Punk Festival gesehen und fand sie (vermutlich auf Grund der Reizüberflutung durch - für mich - viel zu viele Bands) zunächst einmal "nur" ziemlich gut. Doch je mehr und öfter ich sie von Band gehört habe, umso begeisteter war ich. In Teutschland sah ich sie dann im Hafenklang wieder und sie haben mich ziemlich vom Hocker gehauen, so dass auch dieses Date "leider" Pflicht ist. Verdammt!
Dann kommt der Spieltag, dazu dann später mehr.
Sonntag: Als ob das alles noch nicht reicht, haben wir auch noch für Sonntag Karten für Sebastian Fitzek in der Westfalenhalle geschenkt bekommen. Da bin ich einfach nur gespannt, aber schon auch ziemlich sicher, dass dieser krasse Kopf mich nach diesem Marathon trotzdem noch wachzuhalten weiß. :)
Kapitel 2
Stadion & Ulrich Haberland
Das ehemalige Ulrich-Haberland-Stadion wurde bereits 1956 erbaut und 1986 grundlegend renoviert. Nur die alte Südkurve blieb zunächst stehen. 1996 wurde dann leider doch - entgegen dem ursprünglichen Konzept - auch diese abgerissen und durch Logenplätzen und Vereins-Infrastruktur (Geschäftsstelle und Tiefgarage) ersetzt. Der Preis dafür war nicht nur eine hässliche Wand hinter dem Tor, sondern auch eine Reduzierung des Fassungsvermögens von 27.000 auf 22.500 Plätze. Nach weiteren Umbauten 2007-2009 fasst die heutige BayArena etwas über 30.000 Besucher*innen.
Bleibt die Frage: Wer war Ulrich Haberland?
Ulrich Klaus Walther Werner Haberland (1900-1961) war Chemiker und Industriemanager. In der Zeit des Nationalsozialismus machte er Karriere bei der I.G. Farben: 1931 wurde er zunächst Abteilungsleiter, stieg 1938 zum Werksleiter auf und erhielt 1943 die Leitung des Werks Leverkusen.
Die I. G. Farben expandierte und profitierte in den 1930ern durch die Arisierung jüdischer Unternehmen und wurde zum größten Unternehmen Europas mit engen Verbindungen zur NSDAP. Eine ihrer Beteiligungen vertrieb während dieser Zeit das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B, welches auch in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau zum Massenmord eingesetzt wurde: Der Wirkstoff wurde (unter anderem) im Auftrag der Degesch hergestellt, einer Tochtergesellschaft der Degussa, des I.G. Farben-Konzerns und von Th. Goldschmidt.
Nach Beschlagnahmung durch die Alliierten wurde die I.G. Farben entflechtet (neben Bayer in Hoechst und BASF). Werksleiter Ulrich Haberland handelte aus, dass aus Teilen der ehemaligen I.G. Farben eine neue Unternehmensgruppe hervorging, welche unter Haberland, der 1951 dort auch zum Vorstandsvorsitzenden wurde, zum internationalen Chemie- und Pharmakonzer Bayer AG aufstieg.
Seit 1998 heißt das ehemalige Ulrich Haberland Stadion nun BayArena. Direkt danaben liegt das ehemals "kleine Haberland Stadion", wo die 1. Frauen und die U19 ihre Heimspiele bestreiten. So hieß es zumindest bis 1998. Offenbar ist Mann bei Bayer 04 Herrn Haberland aber so dermaßen verbunden, dass nach der Umbenennung des Haupstadions das "kleine Haberland Stadion" zum Ulrich-Haberland-Stadion (umbenannt) wurde.
Ich selber habe ja keine öffentlichen "Helden". Hätte ich welche, nach denen ich auch noch irgendwas benennen würde, wären es aber garantiert welche mit anderer Historie.
Angaben ohne Gewähr. Externe Links und Quellen zu diesem Kapitel (mit einem Klick darauf, erklärt ihr euch mit der Weiterleitung in einem externen Fenster einverstanden und verlasst dort unsere Homepage; das gilt auch für alle weiteren Links in diesem Artikel* und auf dieser Homepage): Bayarena im Wandel der Zeit (youtube) - Wikipedia über Ulrich Haberland - Wikipedia über Zyklon B - SZ über die Geschichte von Bayer - TAZ: Vom Farbenmischer zum Chemieriesen - Wikepedia über das Ulrich-Haberland-Stadion (ab 1998) - und wenn Bayer über Haberland schreibt, dann hört sich das so an.
Kapitel 3
Verein & Fans
Leverkusen war immer so ein klassicher egal-Club für mich. So wie Wolfsburg, Augsburg etc. Es gibt sicher auch gute Argumente, den Verein z.B. auf Grund des Konzerns im Nacken so richtig scheiße zu finden. Dafür bin ich dann aber angesichts dieses gesamten kommerziellen Fußball-Zirkus inzwischen doch zu desillusioniert. Andere Vereine zu "hassen" ist in meinem eigenen Fandasein (altersbedingt?) eh (schon lange) nicht (mehr) vorhanden. Manche kommen halt in die Schublade "Scheiße" (nahezu zwangsläufig der HSV, Rasenballsport, Hansa, etc.), manche in die Scheißegal-Schublade und sicher gibt es auch irgendwelche dazwischen. Ich spare mir weitere unnütze Gedanken darüber.
Was aber offenbar uncooler ist, als manche angesichts der Nichtbefassung mit so einem Verein vielleicht erwartet hätten, ist die Leverkusener Fanszene, die offensichtlich zumindest in Teilen Transfeindlich (externer Spiegel-Link*, externer TAZ-Link*) und auch sonst nicht besonders cool ist. Da hilft die Stellungnahme, die eher zu Fremdscham anstiftet, herzlich wenig (externer Faszination-Fankurve-Link*):
Schlau, dumm, Hirn einschalten, blablabla. Egal von welcher Seite, egal welches Thema: Corona, Politik, whatwever: Das ist sooo ermüdend, immer wieder zu lesen, dass mensch selber Hirn hätte, schlau ist und die Gegenseite dumm und das Hirn erstmal einschalten oder überhaupt haben müsse... Gähn! Davon ab, dass solche Äußerungen relativierend (wer "dumm" (sic!) ist, kann für sein Verhalten ja nicht wirklich was) und ableistisch (mangelnde Bildung oder andere Ursachen für verminderte Intelligenz ist nicht gleichzusetzen mit Arschlochverhalten) sind, sind sie auch häufig ein Indiz für fehlende Argumente.
Ich greife dennoch mal einen Absatz dieser Stellungname heraus, da auch unser FCSP dort Erwähnung findet:
"Ebenfalls möchten wir auf das heuchlerische Verhalten des DFB eingehen, der wie man liest nun gegen das Spruchband in der Leverkusener Nordkurve ermittelt. Will man sich hiermit vielleicht nur selber aus der Schusslinie nehmen, in der man aufgrund des verdeckten Antifaschismus-Schriftzugs im Millerntorstadion von St. Pauli wohl zurecht steht und vom eigenen Fehlverhalten ablenken? Auch hier gilt, Hirn einschalten! Denn der DFB ermittelt nun de facto gegen ein Spruchband, welches sich gegen politische Profilneurose im Stadion richtet, während man selber einen Anti-Faschismus-Spruch abdecken lässt, weil man politisch neutral sein will? Hä? Mehr Widerspruch geht ja schon nicht mehr!"
Die Ultras Leverkusen werfen dem DFB also vor, dass dieser ja selber eine als politisch bezeichnete Äußerung verdeckt hätte (externer Kicker-Link*), auf der anderen Seite aber gegen ein Spruchband aus angeblich ähnlicher Motivation heraus (DFB "für politische Neutralität", UL: "gegen politische Profilneurose" (sic!)) ermittelt. Bis hier hin schon traurig genug, zumal angesichts des eindeutig transfeindlichen Inhaltes, der auch nicht durch Ironie oder Sarkasmus schön zu reden ist, dieser Vergleich doch eine leicht zu entlarvende Rechtfertigung darstellt. Fast schon grotesk witzig wird dieser Absatz aber noch dadurch, dass die Ultras Leverkusen die Kritik an der damaligen Aktion des DFB als "wohl zurecht" bezeichnen und von "Fehlverhalten" des DFB sprechen, aber diese Aktion gleichzeitig (hinsichtlich der angeblichen Intention) mit der eigenen auf eine Ebene stellen. Hä? Mehr Widerspruch geht ja schon nicht mehr!
Inhaltlich muss ich da auch gar nicht weiter drauf eingehen, da das Banner für sich spricht und unsere Haltung dazu eh bekannt ist. Wer trotzdem noch etwas mehr unschöne Details lesen möchte, sei der Artikel von Nina im Millernton ans Herz gelegt.
Kapitel 4
Die Anreiseplanung
Ich als durchorganisierter Mensch habe angesichts der wohl nicht so prallen Parkplatzsituation vor Ort tatsächlich vorab einen Platz in einem 1,5km entfernten Parkhaus online gebucht. Krass, oder? Ich glaube das hat was mit dieser Hochsensibilität zu tun. In dem Kontext gleich mal was positives: Das Stadion liegt nicht, wie viele dieser "hochmodernen neuen Arenen" am Arsch der Heide, sondern am Rande eines Wohngebietes, mitten in Leverkusen.
Ähnlich viele Gedanken, nur erfolgloser, dürften sich da die FCSP-Fans hinsichtlich der Anreise mit Öffis gemacht haben. Denn da gab es seitens Bayer 04 eine Änderung, die ab dieser Saison gilt: Anstatt die Eintrittskarten weiterhin als ÖPNV-Tickets im VRS- und sogar VRR-Gebiet nutzen zu können, muss mensch sich nun die Bayer 04-App herunterladen und dort mittels auf der Eintrittskarte aufgedrucktem Ticketcode das ÖPNV-Ticket herunterladen (Update 11.12.24: Das soll auch ohne App funktionieren, aber halt nicht für uns in diesem Fall.). Das ist noch scheißiger, als Knappenkarten (für Gäst:innenfans) oder der einst geplanten Millerntortaler, der zum Glück nie eingeführt wurde (externer Bayer 04-Link*).
Wobei der Vergleich mit der Knappenkarte für Away-Fans auch ein wenig hinkt, denn diese werden bei der ÖPNV-Option in Leverkusen schlichtweg komplett ausgeschlossen. Zumindest in diesem Spiel und da liegt der Verdacht natürlich nahe, dass das immer so ist. Denn auf unseren Tickets fehlt ein solcher Code. Sämtliche Klärungsversuche laufen zunächst in Leere, ehe unser Fanladen zwei Tage vor dem Spiel verkünden muss:
"Leider haben wir von Bayer Leverkusen keine Codes bekommen, mit denen ihr den ÖPNV nutzen könntet. Für die individuelle Anreise per Bahn benötigt ihr also leider einen Fahrschein."
Bei Away-Ticketpreisen von bis zu 55 Euro (zzgl. 5 Euro VVK-Gebühr, vom FCSP-Ticketcenter erhoben) schon etwas beschämend.
Hoppla, jetzt öffnet sich doch tatsächlich gerade wie von Geisterhand die "egal"-Schublade und ein merkwürdiges, aus Buchstaben bestehendes Kreuz, fällt hinaus.
An dieser Stelle schon mal vorab den Daumen hoch in Richtung Bochum, wo es sämtliche away-Sitzer für 27 Euro (+ 3 Euro) gibt und einen dicken Haufen nach Stuttgart, die bis zu 70 Euro (+ 7 Euro) abrufen. Ich war lange nicht mehr in Bochum, behaupte aber mal, dass ausgerechnet der VfL mit seinen fairen Ticketpreisen nach wie vor eins der geilsten Bundesliga-Stadien hat.
Update 07.12.24: Angeblich (Quelle unbekannt, Flurfunk, entsprechend ohne Gewähr) habe der FCSP keine Codes für den ÖPNV angefordert und ein nachträgliches Erstellen sei im System nicht möglich. Diese Codes würden dem Gäst*innen-Verein wohl auch zusätzlich in Rechnung gestellt. Ich denke nicht, dass das die Sache besser macht, weil: Warum? Dass unter den knapp 3.000 Menschen mit Away-Tickets ne Menge dazwischen sind, die den ÖPNV nutzen, liegt doch wohl auf der Hand. Für diese 10% Zuschauer*innen soll dann jedes Spiel ne Anforderung des Gäst*innen-Vereins erforderlich sein, der dann dafür selber bezahlen soll? Bei Eintrittspreisen von bis zu 55 Euro (+5 Euro Gebühr). Geht´s noch?
Kapitel 5
Dann kommt tatsächlich jetzt auch schon der Spieltag:
Die Anreise
Trotz Sperrung der A1 verläuft die Anreise problemlos - wir sind ja auch wie immer scheiße früh. Für große Belustigung unter uns Frühangereisten sorgen die zahlreichen "Grüße", die unseren Weg zum Stadion pflastern: Teutschland- und scheiß St. Pauli-Sticker wurden extra für heute hinterlassen, aber wohl ohne zu bedenken, dass ja alles pitschnass ist. Teilweise mussten wir die Aufkleber nur anlachen, damit sie runterfielen und wir fragten uns anfangs tatsächlich, ob mensch vergessen hatte das Papier von der Rückseite abzuziehen. Auch wenn sich dazwischen auch ein paar handfeste Nazi-Sticker gemischt hatten (Wehrmacht, Heimatliebe, blablabla), frage ich mich bei so Aktionen immer, ob wirklich jemensch glaubt, uns mit sowas noch triggern zu können. Genau wie diese albernen ein-zwei wedelnden Teutschlandfähnchen im Heimblock. Irgendwie schon süß, davon auszugehen, uns damit noch zu mehr bewegen zu können, als zu einem müden Arschrunzeln. Da triggert mich selbst das plötzlich durch die Stadionlautsprecher tönende "Sweet Caroline" mehr.
Kapitel 6
Einlass, etc.: Die Zeit bis zum Anpfiff
Da gibt es sowohl positives als auch negatives zu berichten:
Der Einlass: Fast 140 Minuten vor Anstoß öffnen sich bereits die Tore und zu der Zeit ist es natürlich noch easy reinzukommen. Allerdings wieder mit diesen fürchterlichen hohen Sicherheitsdrehkreuzen, die selbst für Menschen wie mich scheiße eng sind. Hier müssen sie sogar für die Eintretenden einzeln durch Ordner*innen entsperrt werden, was - wie uns später berichtet wird - bei mancheiner Person für leichte Panik sorgte, als es nicht weiter ging und es im Rücken schon enger wurde. Danach kommt dann tatsächlich noch ein breiteres hohes Drehkreuz ohne diese Sperrriegelung. Keine Ahnung, was dieser übertriebene Hochsicherheitsscheiß soll. Für Menschen, die auch nur 20kg mehr als ich auf die Waage bringen, ist das sicher so richtig mies und auch schon ein Stück entwürdigend, da ab einer gewissen körperlichen Statue ein regelrechtes Durchzwängen gar nicht mehr zu vermeiden ist.
Ordner*innen: Wir haben Karten für den Oberrang, der sehr klein ist. Der für hier zuständige Ordnungsdienstleiter macht einen deutlich entspannteren Eindruck, als wir es zuletzt in Mönchenbgladbach erleben durften und erzählt uns direkt glaubwürdig, dass er auch FCSP-Fan sei und schon mal bei den Heimspielen sei. Klingt und wirkt alles authentisch und die Ansage "wenn es Probleme gibt, kommt bitte direkt zu mir, wir regeln das dann schon entspannt" glaubwürdig. Soweit kommt es aber nicht, denn auch im Inneren ist hier oben alles easy und niemand kommt angerannt, wenn irgendwer mal da steht, wo kein offizieller Sitzplatz ist. Wie es in anderen Bereichen war, kann ich natürlich nicht sagen.
Mensch kommt übrigens problemlos von den Ober- in den Unterrang, muss dafür allerdings gefühlt 1.000 Stufen hinter sich bringen. Trotzdem schön, um auch später noch Freund*innen begrüßen zu können, so fern mensch sie denn in der Halbzeit findet. Ich habe nicht so genau drauf geachtet, meine aber, dass die Begegnungsmöglichkeit für (mit) Block F (die 60 Euro-Tickets) nicht gilt und dort auch der Eingang ein anderer war.
WC-Situation: Hier oben gibt es zwar nur 3 Frauen-WCs, aber für den kleinen Bereich reichen diese offenbar tatsächlich noch aus. Unten hingegen bildete sich bereits 90 Minuten vor Anstoß eine riesige Schlange, da war es wohl leider - wie so oft - insbesondere für die Personen, die die Frauen-WCs nutzen, deutlich beschissener, als auf der anderen WC-Seite. Die Rede ist von gerade einmal 4 Frauen-Klos für den gesamten Unterrang.
Jeder Scheiß wird vom DFB / der DFL reglementiert, aber solch ein wirklich extrem wichtiges Ding offenbar komplett ignoriert. Zum kotzen. (btw: Ich schreibe übrigens bewusst "Frauen-WCs" und nicht "FLINTA*-WCs", da diese eben genau so bei den Vereinen heißen und die Augen vor der Realität flächendeckend verschlossen bleibt, so zusätzlich beschissen das auch ist.)
Publikums-Bespaßung: Musik mittelmäßig, Vereinssongs grausam, Torhymne fürchterlich (A Touch Of Class: Around the World), aber immerhin nicht dieses alberne "Bayer EIINNNSSS - St. Pauli NUUUUUULL". Zugegeben: Hätte ich gerade hier erwartet. Am absolut gruseligsten jedoch: Die "Kiss Cam". Ich dachte echt, das sei eine American Football-Geschichte aus den USA und sei in den 1980ern bereits eingeschlafen: Die Kamera fängt im Publikum eine weiblich gelesene und eine männlich gelesene Person (natürlich!), die nebeneinander stehen/sitzen ein und diese werden unter den Augen der Öffentlichkeit genötigt "sich zu trauen", womit hier sich zu küssen gemeint ist. Eieiei, als würde dieses "ins Publikum filmen und auf der Anzeigetafel / im TV zeigen" nicht schon schlimm genug sein (nicht jede Person hat da Bock drauf und mancheine hat vielleicht sogar berechtichtige Probleme damit, wenn die eigene Anwesenheit öffentlich wird): Bayer 04 setzt hier noch einen drauf und reizt manche Schamgrenze im - natürlich - heteronormativen Bereich aus.
Thomas Gottschalk würde die Kiss Cam sicher mögen. Und auch wenn es wieder Menschen geben wird, die den folgenden Gedanken als übertrieben ansehen: Es ist sicher nicht auszuschließen, dass auch mal zwei Personen eingefangen werden, die nicht einmal zusammengehören und wo sich der männliche Held dann motiviert fühlt, die Chance zu nutzen, während der andere Part die Übergriffigkeit unter dem Druck der öffentlichen Augen zulässt oder gar nicht so schnell reagieren kann.
Ach ja, haha, wie lustig: Zwei Spieler werden eingefangen, hihihihi (Externer facebook-Link*), ob die sich jezt auch küssen, ZWEI JUNGS??!!! Poahr ey, was für ein armseliger Scheiß!
Kapitel 7
Die Stimmung
Unsere Vorsänger geben einmal mehr alles, zwei von ihnen befinden sich auf mittlerer Höhe der Stehränge und wir haben mit unseren Reihe 1-Plätzen im Oberrang beste Voraussetzungen, um mit zu supporten. Ich muss zugeben, dass ich gar nicht beurteilen kann, wie der (eigentliche) Sitzplatzbereich sonst so dabei war, da die Welle von unten gut zu uns hinauf schwappt und wir uns von der Akustik her gefühlt mit unten drin befanden. Was hinter uns akustisch passierte, habe ich überhaupt nicht wahr genommen. Aus der Leverkusener Kurve habe ich tatsächlich erst etwas nach Schlusspfiff vernommen. Von der Größe her, ist der Heim-Steh-/Supportbereich in Leverkusen ungefähr mit unserer Süd/Steher vergleichbar. Allerdings auch wirklich nur von der Größe / Quantität.
An der Stelle muss ich noch eins loswerden: Ich merke immer mehr, wie mir alkoholisierte Personen auf den Senkel gehen. Ab einem gewissen Pegel, der sicher auch von Mensch zu Mensch ein anderer ist, ist die Option auf den sogenannten "angenehmen Suff" offenbar minimal. Hatte ich sicher schon mal geschrieben: Ich will niemandem seine Stadionbiere ausreden. Muss jede Person selber wissen, wie sie ihr Stadionerlebnis zelebriert. Aber wenn die Angetrunkenheit unübersehbar ist und das (daraus oft resultierende) Verhalten schlichtweg scheiße ist und/oder andere beeinträchtigt, dann ist der Punkt - ganz sicher nicht nur für mich - überschritten.
Und so steht nur wenige Plätze neben uns eine Person, die es mit durchgehender Bierverpflegung nicht unterlassen kann, bei gefühlt jedem FCSP-Fan-Gesang mit "St. Pauli, St. Pauli"-Rufen dagegen anzuschreien. Den Höhepunkt erreicht sie Anfang der 2. Halbzeit, wo aus gutem Grund im Unterrang ein paar Minuten lang die Fahnen eingerollt werden und Stille herrscht. Selbst wenn Mensch die Ursache dafür nicht kennt, ist es offensichtlich, dass nach dem Dauersupport und plötzlicher Totenstille, das ganz sicher seinen Grund haben wird. Für ihn jedoch war es der Anlass, sich über die Mauer zu beugen und in den Stehblock hinein zu schreien: "Eeey, wat is los da unten mit Euch? SANKT PAULI, SANKT PAULI!!" Ungläubige Blicke aus dem Unterrang und eine klare und passende Ansage des Vorsängers: "Denk mal ein bisschen nach, da oben!" waren die Folge und danach war dann zum Glück ein paar Plätze neben uns auch Ruhe im Karton. Immer noch besser, als das ständige dagegen Anschreien.
Kapitel 8
Das Spiel
Nach dem 2:0 dachte ich echt, das gibt ne Klatsche. Doch auf Grund der Leistungssteigerung und des "nichts mehr zu verlieren"-Mutes, verbunden mit deutlich mehr Druck und Offensivaktionen, hatten wir fast in der gesamten 2. Halbzeit das Gefühl, es irgendwie noch zu einem Remis biegen zu können. Dann kurz vor Schluss ein Dreifachwechsel und ich meine Maurides erkennen zu können. Sollte tatsächlich der Running Gag Wirklichkeit werden und er heute dieses wichtige "dreckige Tor" für uns schießen? (Trotz "Gag": Ich würde mir nen Ast abfreuen, wenn er irgendwann nochmal für uns ein ganz entscheidendes Tor schießt und es ihm auch wirklich von Herzen gönnen, trotz seines offensichtlichen Fehlverhaltens vor der Vorbereitung). Aber nein: Es ist nicht Maurides. Und ob mit oder ohne hin, haben wir in der Schlussphase durchaus öfter die Möglichkeit, noch das erhoffte 2:2 zu erreichen. Doch es bleibt beim Anschlusstreffer durch Morgan (84.).
Wer Bock auf richtig gute Spielanalyse hat, sei an dieser Stelle wie gewohnt der Nachbericht von Tim vom Millernton ans Herz gelegt (externer Link*).
Kapitel 9
Das Ende
Und wieder einmal stehen wir mit leeren Händen da. Und wieder einmal mit dem Gefühl, dass der Kopf nicht runterhängt. Wir kennen das von früher ja auch anders: Das Gefühl der Hoffnungslosigkeit für den Rest der Saison. Nee, das ist ganz weit weg. Wir haben das drauf, es sieht alles nach Fünfkampf aus mit realistischer Chance, von den 5 da unten am Ende auf Rang 2 aka Rang 15 zu stehen. Der Zusammenhalt dafür ist gegeben, auf dem Platz, auf den Rängen (Ausnahmen bestätigen die Regel) und vor allem auch dazwischen.
Der Rückweg zum Parkhaus ist dunkel und matschig, die Rückreise mit dem Auto durch zunächst Nebenstraßen beschwerlich und nervig. Und der Bericht viel zu lang. Gute Nacht!
Mehr: