Sonntag, 26.01.25, 17:30 Uhr, 19. Spieltag, 1. Bundesliga (M), Millerntor
Kapitel 0
Brechreiz
2,5 Stunden durchgeschrieben, der noch anhaltenden Euphorie geschuldet ohne auch nur einmal zwischenzuspeichern. Und jetzt gerade, wo ich fast fertig war, aus Versehen den Browser geschlossen. Geil! Alles weg! Dann nochmal von vorne:
Kapitel 1
Das schlechte Gewissen
Mitdenkende werden es auf Grund der Kapitel-Überschrift schon grob erahnen: Ich habe ein schlechtes Gewissen. Der Grund dafür ist schnell erzählt. Da ich aber ich bin, dauert es natürlich etwas länger:
Werfen wir zunächst einen Blick auf die aktuelle Tabellensituation der 1. Fußball-Bundesliga der Männer und der Personen, die in dieser Liga noch mitspielen, sich jedoch geschlechtlich anders definieren, das aber besser für sich behalten, weil die Gesellschaft leider so ist, wie sie ist. So, hätten wir den Part für die Hater auch schon mal abgewickelt. Also, aktuelle Tabellensituation vor dem 19. Spieltag:
Und jetzt kommen wir zu meiner ganz persönlichen Statistik. Zur Linken die Tabelle, die nur die Spieltage berücksichtigt, an denen ich versuchte, braun-weiß-rot im Stadion zu 3 Points zu krächzen. Daneben die Tabelle, die nur die Spieltage berücksichtigt, bei denen ich gezwungenermaßen durch Abwesenheit glänzte:
OK, noch Fragen? (Krass, ging ja für meine Verhältnisse doch ruckzuck. Aber natürlich auch nur dank vierstündiger Excel-Vorarbeit, haha.)
Kapitel 2
Union, St. Pauli & dazu Salat
Endlich wieder nicht alleine unterwegs, endlich wieder mit Wochenend-Aufenthalt in Hamburg. Hallo RilRec-Mutterschiff, hallo Feldstern, hallo alle!
Union und der FCSP haben ihre ganz eigene Geschichte. OK, wer hat das nicht? Aber!
Wer erinnert sich nicht noch ungerne an dieses "Blutsbrüder"- (alleine der Begriff schon, schüttel...) Debakel. Und rotzdem fragen noch immer Leute, was uns denn überhaupt voneinander groß unterscheide. Wir, die beiden "Kult-Clubs" (schüttel, schüttel, schüttel!!!!). Naja, wenn ich jetzt ein Populist oder Polemiker wäre, dann würde ich wohl antworten: "Bei uns steht der Punk neben dem Banker. Ja, bei Union vermutlich auch. Aber daneben steht dann halt auch noch der Nazi."
Aber nun bin ich halt kein Populist und kein Polemiker, also sage ich das auch nicht. Denn: Es gibt noch viele Unterschiede mehr. :)
Kapitel 3
Der Einlass
Gegengerade-Besucher*innen wissen, was jetzt kommt: Die Verhältnisse waren schlichtweg nicht mehr hinnehmbar und so gab es heute eine Maßnahme, um dem Einhalt zu gebieten:
Mobile, Benzinbetriebene Schleusenbilder verhindern frühzeitige Pulkbildungen.
OK, Scherz beiseite: Die Gegengerade wurde heute, wie es in den meisten Bundesliga-Stadien generell üblich ist, bereits 2 Stunden (anstatt 1,5) vor Spielgebinn geöffnet. Und offenbar hat das tatsächlich was gebracht, denn das hier ist - im Vergleich zu anderen Spielen - für die Gegengerade eine überschaubare Schlange:
Gegengerade, Eingang Blöcke E, G5/G6, ca. 20 Minuten nach Öffnung.
Besucher*innen, die deutlich später kamen, berichteten davon, dass sie fast ohne Wartezeit reinkamen. Da waren die Schlangen also bereits abgearbeitet. Und wie es aussieht - ohne Gewähr - gab es auch ein paar mehr Schleusen.
Kleine Idee noch von mir: Weg mit den Drehkreuzen und dafür noch mal ne Rutsche Hamburger Gitter hinstellen, an dessen Ende Ordner*innen mit Handscannern stehen. In Liga 2 hier und da mal gesehen und es geht schlichtweg flotter und ist flexibler. In Kombination mit ausreichend vielen "Filz-Schleusen" ne feine Sache. Dass sich viele Besucher*innen bei so vielen Stehplätzen möglichst früh anstellen, wird sich eh nicht verhindern lassen, da die bevorzugten Plätze halt auch schnell belegt sind.
Wir selber waren ja zuletzt meistens auf der Nord, da sich GG- und Süd-Plätze halt nicht so gut "zusammentauschen" lassen, wie gemeinsame Plätze neben dem Gäst*innen-Block. Heute aber sind wir tatsächlich mal wieder auf der Gegengerade und stehen enstprechend - auf bekannten Gründen - ebenfalls schon 30 Minuten vor Toresöffnung in der Schlange. Vor uns ca. 50 Leute, die auf Grund von Menschen, die später kommen, dann aber einfach zu ihren vorne stehenden Bezugsgruppen stellen, bis zum Einlassbeginn zu gefühlt knapp doppelt so vielen werden. Ist hier und heute ok für mich, da es dennoch recht flott geht und wir weit vorne sind. Kann mir aber auch vorstellen, dass das bei einigen Spielen hier und da auch schon mal zu dicken Halsschlagadern geführt hat. Gerade wenn mensch bereits ne Stunde ansteht.
Kapitel 4
Rund ums Spiel
Die heutige Begegnung läuft unter dem Motto „Hass darf niemals siegen - Kein Platz für Rassismus“. Über die Anzeigetafel wurden unsere Spieler eingeblendet, wie sie die Namen der am 19. Februar 2020 in Hanau ermordeten Opfer nannten:
Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.
Mir steckt der Kloß fest im Hals und meine Augen werden feucht, während aus dem Union-Block vereinzelte Zwischenrufe hallen.
Ja, es sind vereinzelte, aber sie sind da. Und mag der Großteil der Unioner*innen in der Hinsicht noch so korrekt ticken.
Für Rojava wurde auch gesammelt und wir wissen einmal mehr, warum wir hier stehen. Heute übrigens in G2 und zwar in dem Block, in dem G1 und G2 direkt aneinander liegen und nicht durch eine Treppe getrennt werden. Unsere Plätze sind die letzten in der G2-Reihe und grenzen somit direkt an Platz Nr. 1 in G1, dem Block, wo eh - und das höchstoffiziell - trotz eigentlichem Sitzbereich gestanden wird. Das ist Plätzemäßig schon sehr nah an supertoll. Ähnlich wie Sitzer Away: Die ganze Zeit (trotz Sitzbereich) stehen, viel vom Spiel sehen und trotzdem auch Support. Klaro, längst nicht so, wie auf der Süd, aber bei meiner Vorstellung von persönlichem Stadionerlebnis muss ich so oder so Abstriche machen: Hier was durchgehende Stimmung angeht. Auf der Süd halt, dass ich nicht durchgehend alles sehen, dafür aber umso mehr abgehen kann.
Und auch an der Stelle muss ich mich mal wieder zwischen die Stühle setzen (bzw. stellen), denn auch heute schallen (zumindest hier oben sehr laut) immer mal wieder St. Pauli-Rufe aus der Gegengerade heraus intoiniert, durchs Stadion, während die Süd ihren Support weiter konsequent durchzieht. Das wird aus "beiden Lagern" (sic!) immer mal wieder kritisiert. Während es von manch Alten auf der GG heißt: "Die mit ihrem einschläfernden Shalala-Dauersingsang, abseits jedes Spielbezuges", sind auf der Süd manche Leute angepisst, dass gegen ihren Support (vermeintlich) "angesungen wird".
Jetzt steh ich hier oben und was soll ich sagen? Ich find das eigentlich ziemlich geil, so wie es ist: Aus der Süd Dauersupport und dann auf einmal "Spielbezogen" spontanes SANKT PAULI-Geschrei aus tausendenden von Kehlen auf der Gegengerade. Und: Häufig unmittelbar danach, wird dann aber auch von Teilen der GG der Gesang von der Süd mit aufgenommen. Das ist für mich kein Gegeneinander, für mich ergänzt sich das richtig geil. So zumindest mein Eindruck heute von hier oben. Klar: Hier gibt es auch Personen, die versuchen auch abseits dieses "spielbezogenen Angepeitsches" gefühlt gegen die Süd irgendwas anzustimmen. Aber da ist mir tatsächlich nur eine einzige Person/Stimme aufgefallen, womit ich den Plural schon wieder revidieren möchte.
Ey, und ganz ehrlich: Gerade dieses spontane, dieses aufmunternde und motivierende, nur wenige Sekunden andauernde "Sankt Pauli, Sankt Pauli!!", ist doch etwas, was spontan passiert. Wo nach einer knapp vergebenen Chance, ein Eckstoß auf uns wartet und der Ball ins Tor hinein gebrüllt werden will. Oder wo es gerade eine Situation gab, wo einen kollektiv das Gefühl überkommt, die da unten brauchen genau jetzt richtig lautes Geschrei aus möglichst vielen Kehlen, so laut es eben geht. Zumindest in solchen spontanen und situationsbedingten Momenten macht es wenig Sinn, dass ein Vorsänger sowas vorgibt. Und das ist gut, dass auch genau das im Stadion noch immer passiert. Neben dem genau so geilen und wichtigen Dauersupport aus der Süd. Das ist für mich ganz weit von einem "gegeneinander" entfernt. Es ergänzt sich schlichtweg perfekt.
In Sachen Pyro trennen sich der FCSP und Union heute 0:0, falls ich richtig mitgezählt habe. Bin ich sehr fein mit. Für mich geht auch ein Chereobezogenes 20+X : 20+X voll in Ordnung. Aber so wie heute freut sich insbesondere meine beschissene Augenkrankheit ebenfalls sehr. Auch hier bin ich aus persönlichen Gründen sehr ambivalent unterwegs.
An Tapetenbahnen etc. habe ich nur eine bei uns auf der Süd wahrgenommen, die zu einem Springer-Medien-Boykott aufruft und die ich ansonsten auch nur sinngemäß wiedergeben kann: Wer gegen die AfD ist, muss auch gegen die BILD sein. Word! Ob dafür die selben Leute verantwortlich sind, die auch diese hübschen Aufkleber fabriziert haben, entzieht sich meiner Kenntnis. So oder so, grüßen wir an dieser Stelle mal die G.A.S. :)
Kapitel 5
Das Spiel
Eigentlich ist das Spiel schon nach 30 Minuten entschieden, da der toxische Baumgart gefühlt mehr auf dem Platz steht, als in seinem Coaching-Gehege. Das hätten wir locker am grünen Tisch gewonnen: Union ständig mit 12 Leuten auf dem Feld. Warum der das darf, weiß ich nicht. Vielleicht hatte das Gespann auch nur Angst, dass er im Falle einer Intervention zubeißen würde.
Scheißegal, denn der Rest ist pure Eskalation. Jetzt noch flott den Einspruch (Union-Bochum) zurückziehen und dann tschüss!
Und auch wenn ich mich vermutlich zum 12. Mal in dieser Saison wiederhole: Alles zum Spielgeschehen findet Ihr an anderen Stellen, das muss ich nicht auch nochmal wiederholen. Qualitativ hochwertig analysiert vor allem im Millernton.
Kapitel 6
Der Klassenerhalt
Kommen wir zurück zum Anfang und werfen einen Blick auf meine aktualisierte, ganz persönliche Anwesenheitstabelle:
Abstieg verhindert! Schlechtes Gewissen verschwunden! Ziel erreicht!
Gute Nacht!