Samstag 08.03.25, 15:30 Uhr, 25. Spieltag, 1. Bundesliga (M), Frau W.-Arena

Intro: Vor dem Spiel ist nach dem Spiel

Ich hatte mal ne Mitbewohnerin, die mir erzählt hat, dass sie als Kind immer "Frau W." verstanden hat und dachte, das Auto ihrer Eltern würde so heißen. Und auch sonst ist die Stimmung noch (?) ganz gut, wenn wir mal Millernton-Nina's beschissenes Erlebnis beim letzten Heimspiel ausklammern, was wir aber gar nicht ausklammern wollen und auch nicht werden. Als sei das, was Nina erleben musste, nicht schon schlimm genug, können wir uns sicher sein, dass ähnlich gelagerte, diskriminierende Situationen bei jedem unserer Heimspiele vorkommen. 1910%ige Solidarität von unserer Seite mit Nina und allen anderen betroffenen FLINTA*! Sexisten raus aus dem Stadion! Und nein: Keine Diskussion!

Mischt Euch ein, lasst sowas nicht zu am Millerntor und anderswo! Ich weiß, viele sind unsicher und das schließt mich sogar ein Stück mit ein: Der eine Gedanke: Solidarität bekunden, sich einmischen, eine Stimmung zu erzeugen, in der sich nicht das Patriarchat durchsetzt. Und auf der anderen Seite der Gedanke, dass Mann nicht den Eindruck vermitteln möchte, dass Mann der Meinung sei, dass die diskriminierte weiblich gelesene Person (bzw. FLINTA* generell) sich nicht selber wehren könne. Manchmal ergibt sich die Situation, dass Mann nachfragen und Hilfe anbieten kann, manchmal ist aber vielleicht auch eine direkte Unterstützung naheliegender. Ich denke, dass es vor allem wichtig ist, was zu tun und dass sich Betroffene nicht auf sich alleine gestellt fühlen. Und in dem Kontext halte ich gerade auch die Solidarität von CIS-Männern für einen wichtigen Baustein: Feministische Männer, die diesen Männern widersprechen.

"Jeder Mensch, der sich gegen die geschlechterbedingte Diskriminierung von Frauen und Privilegierung von Männern wendet, kann sich zu Recht als Feminist*in bezeichnen."
Prof. Austin Bukenya im Interview mit "Zeitgeister", dem Kulturmagazin des Goethe Instituts

Warum die Stimmung ansonsten noch (?) so gut ist: Es wird die erste Fahrt in dieser Saison mit dem alten, klapprigen Camper-Van, der sich bereit erklärt hat, doch noch ein paar Kilometer mit uns durch die Gegend zu ziehen. Also die Zugfahrt storniert (von wegen 10 Euro Storno-Gebühr, die über 20 Ocken für die scheiß reservierten Sitzplätze, weil volle Züge angekündigt wurden und zusammen sitzen immer geiler ist, bekommt mensch auch nicht zurück) und hoffen, dass die Karre durchhält. Hab ich auf jeden Fall Bock drauf. Auch wenn wir uns damit der Ruhrgebietsinternen Mottofahrt "alle mit dem Opel Manta nach Wolfsburg" widersetzen. Alles weitere dann morgen.

wobuhp
Quelle, Lizenz und Urheber des von uns bearbeiteten Originalfotos siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Opel_Manta_A_at_Schaffen-Diest_in_2018.jpg

Dann kommt der Spieltag. Leider.

Was für eine scheiß Ernüchterung. Aber der Reihe nach:

Achter März!

Einen kämpferischen und solidarischen Frauentag allerseits, was für uns natürlich FLINTA*-Tag bedeutet. Vorab: Vom Oberrang aus habe ich leider weder das FEMINISM IS UNSTOPPABLE von USP sehen können, noch die „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat"-Rufe nach Abpfiff mitbekommen, von denen der wundervolle MAGISCHE FC-Blog berichtet. Und ja: Absolut schade, dass das nicht durch alle Reihen ging.

Die Stadt

Unser Campingplatz, 10 Minuten Fußweg vom Gäst*inneblock entfernt, ist klasse und wir sind natürlich längst nicht die einzigen Braun-Weiß-Roten hier. Kann was!

Dafür ist die Stadt selber absolut fürchterlich und die Idylle der Fotos trügt dann doch sehr. Unweit des Stadions die Erlebniswelt Frau W.-Werk, wo ganze Familien ein- und ausgehen und uns ein Papi mit strahlenden Augen "was für ein wunderschöner Tag" schwärmend entgegen kommt. Die ganze Stadt ist gefühlt Frau W., besteht aber zusätzlich noch aus einem ebenso schlimmen Outlet-Einkaufspark, wo wir zwangsläufig mal durchmüssen, um was Essbares zu finden und von wo uns eine Stunde nach dem Spiel auch so einige FCSP-Fans mit Tütchen aus den Shops entgegen kommen. Eine - so wie sie sich heute darstellt - künstlich erzeugte Stadt, voll mit Überwachungskameras, die sinnbildlich für das Wort Massenkomsum steht. Als wir einen Wolfsburger fragen, wo mensch denn hier nach dem Spiel noch hingehen könne, um vielleicht noch gemütlich was zu trinken, meint dieser nur: "Gar nicht, da müsst Ihr schon in den Nachbarort Fallersleben fahren." 

Fallerlsleben war (laut ihm) früher mal die größere Stadt, wurde aber 1972 von Wolfsburg geschluckt aka eingemeindet. Dorthin sei es aber nur eine Haltestelle mit dem Zug und immerhin ne Option. Aber da wussten wir auch noch nicht, dass wir nach dem Spiel kein Bock auf gar nix mehr haben.

Der Einlass

Vor dem Einlass ist noch alles easy peasy: Am Campingplatz ist direkt ein See, wo ich das für mich gerade neu entdeckte alkoholfreie Störtebeker ("Frei-Bier") zum ersten Mal in freier Wildbahn genießen darf. Für Menschen, die gerne mal oder generell Alkfreies Bier trinken und es etwas herber mögen, eine absolute Empfehlung:

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Und auch vor dem Gäst*innen-Eingangsbereich ist noch alles cool: Es gibt n Klo und nen Getränkestand. Auch unser Fanartikel-Bus ist - möglicherweise das erste Mal in dieser Saison - vor Ort und am Fluss kann mensch bei traumhaftem Wetter noch schön etwas abhängen.

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Der Einlass selber crasht das dann alles binnen Sekunden: Enge, hohe Schleusen, an dessen Ende noch engere hohe Drehkreuze stehen und ein Ordner davor, der uns am Ende der Schleusen, aber noch vor dem Drehkreuz, zu dem Zeitpunkt nur im Minuten takt einzeln durchlässt, da die Filzenden dahinter nun mal nicht schneller sind (die Filzerei war dann zumindest bei uns ok).

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Wer baut so einen abscheulichen Hochsicherheitsscheiss, der Mensch mit gewissen Phobien oder mit einem größeren Körpervolumen vor große Probleme stellt? May be für die meisten unter uns eine Nebensächlichkeit, weil easy durchzustehen. Ich hingegen war wegen der Enge, verbunden mit den hohen Ringsrumgittern und entsprechender Steh-/Wartezeit kurz vor einer Panikattacke.

Inside

Verköstigung erstaunlich: Es gibt ausreichend Alkoholfreies Bier (und Alk-haltiges) und neben den üblichen 0,5-Liter- auch 1,0-Liter-Becher. Ich nenne es mal vorsichtig "unnötig". Außerdem "Glühwolf" (Glühwein), der ebenfalls nicht unter 0,5-Liter ausgeschenkt wird. Es gibt ein befriedigendes veganes Angebot, was schon mal sehr löblich ist: Pommes (nicht probiert), vegane Bratvurst (lecker), vegane Curryvurst (hatte auch niemand von uns) und veganes Schnitzel (überteuert und nicht so pralle).

Dieser ferngesteurte Zeppelin mit Bankenwerbung, der vor dem Spiel ununterbrochen nicht allzu hoch über dem Stadionrasen im Kreis umher fliegt, nervt. Auf dem Spielfeld tanzt derweil das Vereinsmaskottchen (wir behaupten nachwievor, das ist eine Maus) zur überraschend gut erträglichen Stadionmucke. Das zumindest erinnert mich irgendwie an American Football-Vorprogramm light. Was bin ich froh, dass wir so einen Mist bei uns im Stadion nicht haben.

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Die WC-Situation für FLINTA* ist, zumindest bei uns oben in Block 36, sehr gut. Ca. 10 WCs für einen überschaubaren Bereich, der auch kurz vor der Halbzeitpause exakt null Wartezeit bedeutet. Zu den "Herrenklos" muss Mensch noch ein paar wenige Stufen weiter in den Unterrang (easy!), wo sich auch die restlichen FLINTA*-WCs befinden. Wie da die Situation war, wissen wir nicht. Und nein: Das Thema ist alles andere als nebensächlich.

Apropos Block 36: Wir haben diese Klappsitze, die mensch leider nur mittels Gaffa so hochgeklappt bekommt, dass sie auch oben bleiben. Egal, ich mag das voll, gerade in Kombination mit diesen ganz pesönlichen Wellenbrechern vor der Nase, die jede Person für sich individuell gestalten kann: Bietet ausreichend Platz und ich kann meine Emotionen an der Querstange auslassen (z.B. indem ich mich verzweifelt nach vorne fallen lasse ohne hinzufallen - mega, haha).

An sitzen wäre hier so oder so nicht zu denken, da sich die besagte Querstange direkt vor der Nase auf Augenhöhe befindet. Scheint schon ein wenig so, als hätte mensch diesen Bereich (explizit die Stangen) für Away-Supporters bewusst so gebaut, weil die im Regelfall eh nicht sitzen. So kommen wenigstens keine "ey, hinsetzen"-Diskussionen auf (was ich bei uns aber eh noch nie erlebt habe).

Was allerdings richtig mies ist, ist dieser fette engdrahtige Zaun, der sich nicht nur als Seitenbegrenzung zum Nachbar*innenblock befindet, sondern auch als untere Begrenzung unseres Oberrrang-Blocks. Preislich war es mit 33 Ocken noch ganz ok, wenn mensch bedenkt, dass es "eigentlich" Sitzer - zumindest offiziell - sind (und ich glaube die durch Zäune sichtbehinderten Plätze waren noch etwas günstiger).

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Ansonsten finde ich das Stadion gar nicht mal soo Scheiße. Ja, auch eher eine dieser typischen Arenen, aber mit unter 30.000 Fassungsvermögen und so, schon irgendwie ganz ok und auch die breite Hannover/Niedersachsenstadion-ähnliche Plattform oberhalb des Unterrangs mag ich. Wobei ich auch nicht wirklich den Gäst*innen-Steherbereich von hier oben beurteilen kann.

Ding Dong, kurzer Zeitsprung: Bei unserer Vomittäglichen Wolfsburg-Ankunft fahren wir an zwei weiteren Stadien vorbei, unter anderem dem "VfL-Stadion am Elsterweg", in dem die 1. Mannschaft der VfL-Herren und derjenigen, die da möglicherweise noch mitspielen, sich aber geschlechtlich anders definieren (wenn das der Kevin wüsste!!), noch bis 2002 ihre Spiele austrugen. Von Außen begeistert mich das Teil vollkommen. Wen es interessiert, findet es hier.

Ding Dong, zurück in die Vegangenheit: Unmittelbar vor dem Spiel drehen die "Wölfis" zusammen mit unseren Rabauken eine Fahnenschwenkende Runde ums Spielfeld. Cooles Ding. Als dann irgendwann Bochum im Laufe des Spiels ein Thema wird und ich wieder an das Schild "Wölfi-Kurve" denken muss, wird mir im Gesamtzusammenhang jedoch übel. Das ist ein Insider für Menschen mit Punkrockbackground und möglichlicherweise Wohnsitz im Ruhrgebiet. 

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Anpfiff

Ich schätze - was ich so gar nicht gut kann, daher mit Vorsicht zu genießen - auf ca. 8.000 FCSP-Fans, die selbst die neutralen Blöcke zu Stehplatzbereichen machen. Das Stadion ist mit knapp 29.000 Fassungsvermögen ausverkauft und einmal mehr zeigt sich auswärts, dass zwischen ausverkauft und ausgelastet Welten liegen können. Auf dem Unterrang der Haupttribüne, der vermutlich ausschließlich VIP-Bereich ist, sind zu Hochzeiten vielleicht 50% der Plätze belegt.

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Und wer meint, dass der Anblick auf den mittleren Bereich unserer Haupttribüne kurz nach Wiederanpfiff häufig beschämend ist, sei zum Trost dieses Bild gezeigt:

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Nach 6:30 Minuten erwische ich mich bei dem Gedanken, dass das stark nach einer guten ersten Halbzeit aussieht und schon bekomme ich Angst. Aber Pustekuchen: Die 2. Halbzeit ist auch vollkommen ok und wir gehen sogar noch davor in Führung: Was für eine Ekstase! Ich war mir sicher, dass das Ding von Jackson direkt reinging, aber offenbar hatte Siebe auch noch seine Hirse dran. In meiner Euphorie höre ich sogar die Wolfsburg-Kurve "Auswärtssieg!" schreien, doch dann passiert doch wieder das, was am Ende in totale Ernüchterung überschlägt:

Der Spielraum innerhalb der Regel wird einmal mehr in einer möglicherweise (bis vermutlich) Spielentscheidenden Situation zu unseren Ungunsten ausgelegt. Wäre das wenigstens noch im Rahmen des groben prozentualen Kann-Muss-Rahmens, dann wäre ich ja noch fein damit. Aber das hier und heute ist für mich maximal ein 25%-Elfmeter, während der, den wir letzte Woche nicht bekommen haben, eher bei 80-90% liegt. Das nervt so langsam. (Die Szene mit dem Handspiel muss ich allerdings bei dieser Beurteilung außen vor lassen, da bis jetzt noch nicht gesehen.)

011Wolfsburger Kritik am Staatsapparat.

Als Kevin eingewechselt wird, rechne ich tatsächlich noch mit dem Schlimmsten, aber zumindest dieser Kelch geht an uns vorüber.

So bleibt es beim 1:1, während durch das Endergebnis in München Verschwörungstheoretiker*innen auf den Plan gerufen werden. Manche Kommentare sind echt so derbe unfreiwillig lustig, dass sie fast zur Aufheiterung dienen. Die Betonung liegt auf "fast".

Was gibt es sonst noch zu sagen? Die Stimmung in unseren Reihen war gewohnt bestens, selbst bei uns im Oberrang in der vorletzten Reihe haben recht viele mitgemacht. Nicht durchgehend, aber das war auf jeden Fall auch schon mal weniger.

Blenden wir mal den Konzern, die Stadt, den Einlass, den Zeppelin, die Ausnahmen der 50+1-Regel, die tanzende Maus, den Elfmeter und den Spielverlauf in Relation zum Endergebnis aus, war es echt ganz ok in Wolfsburg. Ich habe nicht mal ein "scheiß St. Pauli" gehört. Alles muss Mensch selber machen. Gute Nacht!

Mehr sportliche Kompetenz gibt es beim Millernton.Millernton.

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