Sonntag, 11.05.25, 17:30 Uhr, 33. Spieltag, 1. Bundesliga (M), Waldstadion

Intro

Als wir am Freitag Nachmittag in einem Bornheimer Irish Pub ertragen müssen, wie sich Baumgart's Gefolgschaft zum gemütlichen Chillen auf der Wiese an der alten Försterei ablegt, erwische ich mich bei zwei uncoolen Gedanken:

1. Ich rufe das Torverhältnis in meinem Kopf ab und beginne zu rechnen. Das ist nun wirklich übertrieben. 

2. Der nächste Gedanke ist dann gar nicht das Spiel gegen Frankfurt. Viel mehr Gedanken mache ich mir darüber, ob Bochum jetzt bei uns frei aufspielt und nochmal alles reinwirft oder ob sie es eher mit der Berliner Gemütlichkeit halten. Das ist nun wirklich zu früh. 

Nehmen wir das Positive von diesem "day before matchday" mit: Wir haben T. kennengelernt, der gerade von einer fast 3jährigen Weltreise mit dem Fahrrad zurück gekommen ist und nach jahrelangem AFM Radio hören endlich wieder im Stadion sein kann. Super netter Typ, beeindruckendes Leben. Grüße gehen raus. 

Bevor ich dann endgültig zum Matchday komme, noch was anderes schönes: In Frankfurt gibt es gleich mehrere vegane israelische Restaurantes etc., unter anderem im jüdischen Museum ("Life Deli"), welches wir gleich ansteuern werden. Nur so als Tipp, falls es Euch nächste Saison auch oder wieder hier her verschlagen sollte. Ihr merkt schon: Ich versuche irgendwie Optimismus zu konstruieren.

Matchday

Wer Randelemeister sein will oder es ist - mir doch egal - "muss" das natürlich auch durch möglichst extreme optische Reviermarkierungen zum Ausdruck bringen. Ich habe selten so viele Sticker im Stadtbild gesehen, wo das Hauptaugenmerk auf Gewalt gelegt war. Ob jetzt explizit an nicht so gern gesehene Fans aus Vereinen aus dem Umfeld gerichtet oder ganz allgemein grundsätzlich an Gäst*innen, denen bereits durch das Lesen eines Stickers nahegelegt wird, besser sofort wegzurennen. Auf der anderen Seite aber auch viele SGE-Kleber mit antifaschistischer und progressiver Komponente. Schon unterhaltsam so ein Stadtbummel.

Einlass: Zwischen katastrophal und easy peasy

Kommen wir zur Anreise: Als wir am Stadion ankommen erwartet uns ein grob geschätzt ca. 300 x 200 Meter großes Schottersteingelände, welches zunächst nur als Gäst*innen-Parkplatz dient und wo mensch auch erstmal nur mit dem Auto draufkommt. So hängen wir mit den weiteren zu Fuß/Bahn angereisten - letztendlich noch ein paar 100 Meter vom Stadion entfernt - vor diesem Durchfahrtstor ab und dieser Weg sei laut Ordner für uns auch die einzige Option, um ins Stadion zu gelangen.

Etwa 3 Stunden vor Anstoß wird uns dann mitgeteilt, dass wir ebenfalls dieses beeindruckende Gelände betreten dürfen und sehen in weiter ferne vier Durchgänge mit vier Ordnern, die bereits seit längerer Zeit am Ende dieses Areals in der prallen Sonne stehen. Wir steuern auf sie zu und dann heißt es erstmal wieder eine Stunde warten. Kein "Stadion gucken" (von außen), kein gemütlicher Walk ringsrum oder schon mal ein Getränk nehmen und Atmo aufsaugen, nee. Bis auf einen ganz schmalen Streifen Schatten (ca. 1 Meter am Zaun) gibt es sonst auch nix außer Schotter und Sonne (bei 24 Grad im Schatten). Kein Klo, kein Kiosk, kein gar nix. Besonders freundlich ist dieser Gäst*innen-Umgang natürlich für Rollstuhlfahrer*innen, die etliche 100 Meter irgendwie mit Hilfe weiterer Personen ebenfals dort entlang mussten.

schotter

Die vier männlich gelesenen Ordner sind der festen Überzeugung, dass es erst um 16 Uhr reingeht, dann werden die Durchgänge aber doch wie angekündigt 2 Stunden vor Einlass geöffnet. Die einzige Funktion, die diese vier Typen, die hier stundenlang mit ihren Ordnerkutten noch länger als wir in der prallen Sonne (in ihrem Fall komplett ohne Schattenoption) verharren müssen ist schließlich, ein erstes Mal unsere Tickets in Augenschein zu nehmen. Ach nee, ein zweites Mal, denn als wir den Schotterparkplatz betreten, müssen wir auch schon unsere Tickets zücken. Natürlich nur wir, die mit dem Auto drauf fahren nicht. 20 Meter hinter den besagten vier Ordnern kommt dann die nächste Schleuse. Was für ein unfassbarer Quatsch.

An Schleuse 2 wird dann gefilzt. Naja, mehr oder weniger. Ich habe kaum Körperkontakt gespürt und S. wurde als weiblich gelesene Person komplett ignoriert. Wir nehmen das erfreut zur Kenntnis. Einen Frauen- oder FLINTA*-Eingang gab es nicht, sondern die klassische 2. Reihe, wo die zuständigen Ordnerinnen aber teils noch anderweitig beschäftigt waren. Dann durchs angenehme "einfache" Drehkreuz (also die Hüfthohen) und 50 Meter weiter war man im komplett offenen Stadionaußenumlauf, wo die Menschen aus allen möglichen Eingängen für alle möglichen Stadionbereiche zusammen strömen. Wie wir inzwischen wissen, wurde mensch als FCSP-Fan dann doch auch durch andere Eingänge gelassen. Macht ja auch irgendwie Sinn. Zumindest mehr, als alles andere, was wir bis hierhin erlebt haben.

Eins, zwei, Polizei

Eine ganz besondere Verbundeheit scheint es hier mit der Polizei zu geben, auch wenn zahlreiche "Polizei größter Feind"-Aufkleber im Stadtbild dieses leugnen. Nicht nur, dass die Präsenz auffallend hoch war, nein, selbst die (eine?) Stadionhymne wird vom Polizeichor Frankfurt eingespielt, -gesungen und schließlich unter großer Anteilnahme der Heimfans vom Band zum besten gegeben. Davor teilt uns noch ein freundlicher Cop über die Stadionlautsprecher mit, dass es immer, wenn wir seine Stimme hören, um unsere Sicherheit ginge. In meinem Umfeld wurde daraufhin direkt gemunkelt, dass ein Großteil der Gäst*innenfans in diesem Moment möglicherweise diesen Ohrwurm* hatte. Oder diesen*. Ich möchte mich an solchen Mutmaßungen natürlich nicht beteilgen.
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Inside

Es ist ein verdammt lautes Stadion, was natürlich auch uns zugute kommt. Denn die Stimmung ist einmal mehr famos und hier scheppert es dazu noch ordentlich akustisch. Überhaupt ist das Waldstadion eins der schöneren und fernab dieser neuen Arenen, wo oft ein Ei dem anderen gleicht. Nur anders in Farbe getaucht.

ffmblock

Bei uns im Block 19 (Oberrang) stehen mal wieder ein paar Leute nicht vor ihren Sitzplätzen, sondern am Gitter in Aufgangnähe. Easy, denn Platz genug ist dafür hier tatsächlich mal. Doch da die Ordner der Kategorie "freundlich" mit ihren Bitten nicht weiterkommen, ziehen schließlich drei-vier Ordner der Kategorie "ganz furchtbar böse guckend" in den Bereich ein und sorgen für Recht und Ordnung.

Was auch nicht ganz so cool ist, sind ein paar Frankfurter*innen in unseren Reihen. Ich bin zwar jetzt auch nicht der, der da direkt steil geht, aber es nervt dann schon sehr, wenn auf einmal Leute beim 1:0 nach ner knappen halben Minute im Away-Block total abgehen.

In einigen Away-Bereichen gab es wohl auch ein paar Lücken, da es eine ganze Menge kurzfristiger Absagen gab. Die mir bekannt sind, auf Grund gesundheitlicher Beschwerden. Wer weiß, woher die Leute am Ende ihre Karten herbekommen haben. Beschissene Weiterverkaufsplattformen - abseits der Plattformen aus vereinsspezifischen Fan-Eigeninitiativen - lassen grüßen.

block

Anpfiff

Dieses Spiel verdient dann auch mal ein paar mehr Worte mehr, als ich es an dieser Stelle sonst so pflege. Ich habe mir wirklich überhaupt nix ausgerechnet und als es nach ner halben Minute bei uns im Kasten klingelt, fang ich sogar schon wieder an zu rechnen. Für mich war der Drops gefühlt schon gelutscht. Und dann macht Manolis auf einmal etwas, womit ich im Leben nicht gerechnet hätte. Dass der mal aus der ersten bis zweiten Reihe - teils auch erfolgreich - draufhaut, kennen und lieben wir ja. Aber dieser Schlenzer über den Keeper hinweg ins lange Eck.... eieieieiei. Ekstase pur nach 4 Minuten und selbst bei mir sowas wie aufkeimende Hoffnung.

Ben kann sich in den nächsten 10 Minuten bereits mehrfach auszeichnen und zeigt genau das, was ich erwartet hatte: Superstark auf der Linie und ein großartiger Ersatz für Niko. Mit dem Fuß - vor allem unter Bedrängnis - allerdings (wie auch die Strafraumbeherrschung) auch mit relevanten Schwachpunkten. Und was macht mensch da? Er beweist einfach, dass er ohne Bedrängnis zu genialen Dingen im Stande ist (und hat nicht durch deswegen großen Anteil an diesem Erfolg, Gönnung!): Den Knicker gesichert, Morgan auf dem linken Flügel gescant, das Ding aus der Hand Volley im Fallen auf die Reise geschickt und Morgan macht im zweiten Versuch die Kugel haarscharf am grätschenden Abwehrspieler vorbei zum 1:2 rein. Hatte ich beim 1:1 von Ekstase geschrieben? Sorry, vertan, DAS HIER ist Ekstase. AAAAHHHH!!!

Der nächste Höhepunkt ist ein Pass eines Frankfurters direkt auf den eigenen Trainer. Jede Wette, dass Dino Toppmöller in Freiburg kein T-Shirt in der Trikotfarbe seiner Spieler auswählt. Sonst kennt mensch solche Fehlpässe ja nur in den Lauf von Hunden oder Weihnachtsmännern, die auf der blinkenden Werbetafel am Spielfeldrand steil geschickt werden. Geht offenbar auch ohne High Tech.

Beim 2:2 hatte ich etwas Hoffnung auf Abseits, aber vergeblich. Scheiße, jetzt doch noch mal deutlich mehr zittern. Beim vermeitlichen 3:2 sitzt der Schock bei mir hingegen nur kurz, da ich direkt sehe, wie viele von unseren Spielern Handspiel reklamieren. Da muss was dran sein und ist es auch. Der Check ist ratzfatz durch und die Situation so eindeutig, dass der - aus Stadionsicht - unterm Strich gute Schiri Dingert sich erst gar nicht an den Bildschirm mühen muss.

Und dann.... Schlusspfiff, Ekstase, so langsam wird es langweilig, haha.

ende

Boahr näh, ey. Was für eine Dramatik, was für ein Fest. Draußen treffen wir endlich viele Leute unseres Umfeldes, die vorher im Stadion verstreut waren und wir liegen uns in den Armen. Ich hätte da im Leben nicht mit gerechnet. Umso schöner ist der Moment.

Und hey, natürlich bin ich wie ich bin und sehe die theoretische Möglichkeit, die dieser 13 Tore-Vorsprung trotzdem mit sich bringt. Aber spätestens, wenn es am kommenden Samstag in der 89. Minute noch 0:0 steht und Heidenheim mit nicht mehr als 3 Toren Vorsprung führt, werde ich auch ganz sicher dran glauben. Vielleicht bin ich auch einfach noch zu perplex und kann noch gar nicht so richtig begreifen, was wir in dieser Saison erleben durften.

klassenkampf

Was für ein Team und damit seien alle eingeschlossen: Auf dem Platz, neben dem Platz, auf den Rängen, in den Etagen und hinter den Kulissen. Das war absolut herausragend. Ich brauch jetzt aber auch mal dringend ne Pause. Wobei "jetzt" natürlich "nach nächsten Samstag" bedeutet. Nochmal alles geben und dann einfach nur glücklich sein.

pommes

Unseren 6,6 km entfernten Pennplatz erreichen wir, aus Gründen, die den regelmäßig Lesenden geläufig sind, zu Fuß. In den knapp 80 Minuten schaffe ich es natürlich trotzdem nicht so wirklich runterzukommen. Und während andere es ganz sicher noch locker schaffen, die Nacht durchzufeiern, falle ich völlig reizüberflutet in die Koje. Was für ein geiler Scheiß das alles. Gute Nacht! 

Credits

Mehr sportliche Kompetenz gibt es wie gewohnt beim Millernton.

Der magischerFC-Blog war natürlich auch vor Ort.

Ein Glückwunsch geht an unsere Blindenfußballer*innen, die auch ihre Saisonspiele Nr. 2 und 3 beim Heimspieltag für sich entscheiden konnten. Gröni war vor Ort und hat mal wieder tolle Fotos mitgebracht.

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hr

hp