Juchu! Das Blindenfußball-Masters in Hamburg steht an und wir haben sowas von Bock. "Hochkarätig international besetzt", wie es immer so schön heißt. Es ist bereits das 18. Mal, dass der FCSP dieses austrägt. Dieses Mal mitten in der Saison, da diese länger geht, als gewohnt.

Mit dabei sind UNADEV Bordeaux (französischer Meister), SportAbility Roccaraso (italienischer Meister; Ex-AC Crema), Real Betis ONCE (spanischer Meister), das japanische Nationalteam (aktuell auf Platz 3 der IBSA-Weltrangliste) und der FC Sankt Pauli, der als deutscher Meister ins Rennen geht. Was für ein krasses Lineup. Äh... Dings... Aufgebot, Feld, Ihr wisst schon.

Auch die Spielleitung ist international besetzt und kommt aus England (Stuart Winton), François Carcouët (Frankreich), Belgien (Michael Piecq) und Deutschland (Niels Haupt, Christian Jung, Patrick Sapountzoglou und last but not least Maik Krükemeier vom Millernton).

FC St. Pauli vs. Real Betis 1:0 (1:0)

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Als wir ca. eine halbe Stunde vor Anstoß der ersten Begegnung die Sportanlage betreten, sind wir fast die Ersten. Kein Wunder, in Hamburg ticken die Uhren nach wie vor anders. Da gehen die Menschen ja erst zum feiern vor die Tür, wenn wir schon wieder aufstehen. Nach und nach füllen sich die Zuschauer*innenbereiche jedoch und da das primär mit FCSP-Fans der Fall ist, ist der hohe Zufriedenheitsgrad zwangsläufig. Mit dafür verantwortlich: Paul "Paulinho" Ruge, der kurz vor dem Halbzeitpfiff das Goldene Tor erzielt. Ein verdienter Sieg zum Auftakt.

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Japan – Roccaraso 3:1 (2:0)

Wir sind zwar noch Blindenfußball-Zuschauer*innen-Newcomer und das hier ist erst unser fünfter oder sechster Besuch eines Spieltags bzw. (hier) Turniers (auch wenn es mir schon viel mehr und länger vorkommt). Das reicht aber vollkommen aus um das, was uns jetzt geboten wird, in Einigkeit mit den anderen Besucher*innen einzuordnen: Das ist Blindenfußball 2.0 - mindestens! Das ist Blindenfußball auf einer anderen Ebene, mega intensiv, extrem hohes Tempo. Auch wenn hier zahlreiche europäische Spitzenclubs auf dem Feld stehen, gibt es ein eindeutig herausragendes Team: Die Nationalmannschaft Japans. Am Vortag gab es bereits ein Freundschaftsspiel zwischen unserem FCSP - immerhin amtierender deutscher Meister - und Japan. Am Ende stand ein klares 0:7 auf dem Zettel.

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Der italienische Meister hielt richtig gut dagegen und wäre vermutlich trotzdem deklassiert worden, wenn ihr Keeper nicht so herausragend aufgelegt gewesen wäre. Am Ende reichte es sogar für den sogenannten "Ehrentreffer", da Roccaraso nach dem fünften japanischen Teamfoul in Halbzeit 2 einen Achtmeterstrafstoß zugesprochen bekam und diesen erfolfgreich versenkte. 

Auch imposant: Der jeweilige Torschütze bekommt beim kollektiven Jubel an der Auswechselbank jedes Mal irgendeine Plastik-Mütze bis -Krone aufgesetzt und sorgt so für zusätzliche Begeisterung.

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Alleine schon die Ausstattung und das Auftreten spiegelte deren ganze Professionalität wieder und machte Unterschiede deutlich: Alles verkabelt, bzw. verfunkt, Coach/Stuff mit Knopf im Ohr, ein eigener Router am Spielfeldrand und ein Stuff-Member mit Tablet in der Hand. Die Spieler selber in ihrer Gesamtheit auffallend athletisch und wenn ich das alles richtig verstanden habe, kann besagte Person mit Tablet während des Spiels sogar die Herzfrequenzen/Fitnessdaten der Spieler, dessen Speisepläne individuell auf ihre Größe und ihr Gewicht abgestimmt sind, einsehen. Und bevor das falsch verstanden wird: Ich finde das cool, denn das spiegelt auch den Stellenwert der Sportart dort wieder. 

Der japanische Keeper wurde übrigens vor dem Spiel mit einem Geburtstagsständchen bedacht und freute sich sichtlich. Und was mir auch noch auffiel: Die Japaner hatten auf Grund ihrer auch defensiv sehr intensiven Spielweise vermutlich die meisten Teamfouls auf dem Zettel, ich habe aber nicht ein einziges mal einen Spieler, Trainer oder Guide reklamieren sehen. Das ist auch beim Blindenfußball sehr selten.

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Bordeaux – Real Betis 2:0 (0:0)

Für uns war danach auch erstmal Mittagspause angesagt, aber mehr so auf "Pommes-Niveau", so dass wir dieses Spiel leider verpassten. Mangels veganer Alternativen (zumindest wenn mensch sich nicht durchgend von R.'s hervorragenden Apfelkuchen ernähren möchte) zog es uns in die Winterhuder Stadtteilcity (oder so), genauer gesagt zu Sour Kitchen. Auch wenn es "nur" Çiğ Köfte-Wraps gab, auf Grund der einmaligen Zubereitung sehr empfehlenswert.

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Roccaraso – FC St. Pauli 1:5 (0:3)

Zurück am Borgweg stand bei strahlendem Sonnenschein die nächste Begegnung unseres Teams an. Die Italiener*innen (wenn ich das richtig überblickt habe, das einzige Team neben uns, das zumindest eine weiblich gelesene Person auf dem Feld hatte) konnten nicht ganz an ihre starke Leistung gegen Japan anknüpfen. So konnten Paule Ruge mit zwei Treffern und Gastspieler Rainbow Mbuangi (Merseyside FC / England) bereits zur Halbzeit für eine beruhigende Führung sorgen.

Wie war das doch gleich: Beim FCSP gibt es diesen albernen Halbzeit-Event-Zirkus, wie in vielen anderen Bundesligastadien, nicht? Beim Blindenfußball schon. Die Schuld liegt dabei allerdings weniger bei den Organisator*innen, als viel mehr bei mir, denn einmal mehr hat sich meine verdammte Geldbörsen-Kette in einem Schlitz meiner Sitzgelegenheit (hier: Holzstuhl) verfangen (funfact: das passierte mir später abseits des Geländes noch einmal, wie so oft halt). So sehr wir auch zogen, wackelten, drückten und schoben: Nix half. Ob inzwischen auch live im youtube-stream eingefangen, entzieht sich meiner Kenntnis, doch es kamen immer mehr Menschen aus dieser wundervoll familiären FCSP-Blindenfußball-Schar zusammen, um das Problem gemeinsam anzugehen. Letztendlich organisierte sogar jemand vom Fanclub Honey Badgers Werkzeug, so dass ich den Stuhl auseinander schrauben, die Kette entfernen und den Stuhl wieder zusammenbauen konnte. Die Überlegung eines anderen Zuschauers, die Aufgabe in die Hände der nächtlichen Security zu geben, konnte so auch über den Haufen geworfen werden. Und dann war auch schon Wiederanpfiff:

Alleine schon wegen diesem unfassbar schönen, intensiven Torjubel von Rainbow in der 1. Halbzeit freuten wir uns umso mehr über seinen zweiten Treffer zum 4:1, nachdem Roccaraso zuvor verkürzt hatte. Und als sei das nicht alles schon Märchenlike genug, stellte der Jüngste auf dem Feld, Nachwuchstalent Mo Safari, mit seinem allerersten FCSP-First-Team-Tor, den Endstand her. Beim 13jährigen Mo überragte danach offenbar eher die Perplexität über dieses historische Ereignis, so dass sein Jubel eher im Inneren stattfand. Umso ausgelassener die Stimmung unter den Besucher*innen, die nur noch durch einen Dialog wenige Minuten später getoppt werden konnte, nachdem Mo einen Ball aus kürzester Distanz unfreiwillig stoppte und sich kurz krümmte. Torhüterin Svenja Bartels: "Hey Mo, alles ok?" - Mo: "Der wollte mir die Eier abschießen!" (oder sehr ähnlich) Großes Gelächter und große Erleichterung, dass der Erfolg ausblieb.

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Japan – Bordeaux 4:0 (1:0)

Auch dieses Spiel verpassten wir leider, da wir noch ein Date auf dem veganen Straßenfest (yeah!) am Spielbudenplatz (argh!) hatten. Wir nehmen die Überschrift aber mal flott zum Anlass, um uns einmal mehr für alles zu bedanken: Für diese wunderschöne familiäre Atmosphäre, für die fantastische Organisation, für diese Herzlichkeit und bei den durch und durch symphatischen Teams. Auch dieses Mal durften wir wieder neue, sehr nette Bekanntschaften schließen und uns über die Anwesenheit bereits bekannter und geschätzter Menschen freuen (Grüße gehen raus!). Danke für alles!

Das vegane Straßenfest hingegen ließ mich dann doch an meine Grenzen stoßen. Pralle Sonne, mega voll und da eh schon den ganzen Tag mit vielen Einflüssen konfrontiert, gab das meiner Hochsensibilität dann leider den Rest. Komplette Überreizung, die auch in unserem Pennplatz alles andere als herunter gefahren werden konnte. Draußen mega laut, ich mega überreizt, da war schon absehbar, dass unsere Idee, vor der Rückfahrt doch noch das erste FCSP-Spiel am Folgetag um 12:30 Uhr gegen Bordeaux mitzunehmen, in weite ferne gerückt war. Entsprechend (auch ohne Alkohol) verkatert wurde ich am Sonntag Morgen wach und wir traten dann doch die Rückreise an ohne nochmal an den Borgweg zurück zu kehren.

Der Vorteil: Wir sind rechtzeitig zu Hause, um die beiden FCSP-Spiele immerhin noch auf dem FCSP-Blindenfußball-youtube-Kanal sehen zu können (soeben ist das Spiel gegen Bordeaux leider mit 0:7 verloren gegangen). Dort könnt Ihr übrigens auch alle Spiele noch einmal Re-Live verfolgen.

Ja, hätte ich mich im drittletzten Absatz nicht schon bedankt, würde ich es jetzt tun. So bleibt mir nur noch die Empfehlung auszusprechen, diese großartigen Sportler*innen zu unterstützen. Der FCSP ist deutlich mehr, als die Profimannschaft und das wurde hier einmal mehr eindrucksvoll untermauert.

Ach komm, jetzt trotzdem noch mal, weil es nun mal der beste Schlusssatz überhaupt ist: Danke für alles!!

Verweise

Hier geht es zur Homepage der Blindenfußball-Bundesliga mit Spielplan, Live-Ticker und Telefon-Audio-Livestream.

Hier geht es zur Homepage unserer Blindenfußballer*innen.

Hier geht es zum youtube Kanal unsere Blindenfußballer*innen. 

Hier geht es zum WhatsApp Kanal unserer Blindenfußballer*innen. 

Hier geht es zur Instagram-Seite unserer Blindernfußballer:innen, bzw. @fcspblindenfussball

Hier geht es zur Instagram-Seite der Blindenfußball-Bundesliga, bzw. @blindenfussball_bundesliga