Sonntag, 19.10.25, 17:30 Uhr, Bundesliga (M), 7. Spieltag, Millerntor
vor Hamburg
1 Monat und 1 Tag FCSP-Stadionentzug! Ich bin kein guter Fußball-im-TV-Gucker, soviel weiß ich allerspätestens nach dieser kleinen Zwangspause. Also ganz schnell ab nach Hamburg, nach Sankt Pauli, ans Millerntor. Aufsaugen und alles!
Leichter gesagt, als getan. Denn in der letzten Zeit ist so viel rund um den Verein passiert und mit dem nicht zu greifenden Tod von Thomas ist nochmal etwas dazu gekommen, was ich nicht in Worte ausdrücken kann.
Insbesondere was den ersten Teil angeht, möchte ich in diesem Blog gerade auch gar nicht zu weit ausholen. So groß mein Mitteilungsbedürfnis auch sein mag (der Grund, warum Menschen einen Blog betreiben), weiß ich sehr wohl zu trennen, welche Gedanken ich der Allgemeinheit mitteilen möchte und was ich mit Freund*innen und Bekannten teile, von denen es manchen gerade ähnlich geht. Die Lust auf ein Sankt Pauli-Spiel war defintiv schon mal größer und das nicht nur bei mir.
Daher möchte ich mich an dieser Stelle darauf beschränken, den Angehörigen, den Freund*innen und allen Menschen, die Thomas in ihr Herz geschlossen haben, alle Kraft dieser Welt zu wünschen. Es tut mir so leid!
auf dem Weg nach Hamburg
Die Fahrt trete ich auf Grund des bescheidenen Termins mal wieder alleine an. Sonntags mit dem Zug hin, Montag zurück, die Lohnabhängigkeit so geschoben, dass es irgendwie passt.
Alles was danach kommt, hätte mir bereits am Einstiegsbahnhof klar sein müssen, als ich mit leerem Blick auf den am Nachbargleis wartenden Schweizer Zug feststellen muss, dass es in diesen offenbar noch diese Klappenklos gibt. Die Jüngeren unter Euch werden es vermutlich nicht einmal mehr kennen und auch ich hatte es längst verdrängt, bevor diese Kackwurst mitten in meinem Blickfeld landet.
in Hamburg
Dennoch ist die Euphorie groß, wenn auch zugegeben nicht ganz ernst gemeint: Ich verabrede mich mit diversen Leuten im GG-Umlauf, wenn wir zwischen der 60. und 70. Minute das 4:0 erzielen sollten. Zugegeben, wäre das durchaus witzig gewesen. Doch wie fern ab der Realität dieser schlechte Witz wirklich sein sollte, wird uns erst später klar.
Fast genauso witzig ist die Person, die ich bisher nicht kannte und die mir voller Überzeugung versichert, dass meine Stimme exakt die gleiche wäre, wie die von Heinz Strunk. Mir ist ja schon drei mal in Hamburg - und auch wirklich nur dort und davon zwei Mal in der Rindermarkthalle - passiert, dass Menschen auf mich zukamen und behaupteten, ich sei Axel von Wizo. Ich bin gespannt, wann folgendes passiert: "Ey, Du bist doch Axel von Wizo!" - "Nee, bin ich nicht, sorry." - "Boahr nee, krass ey. Du bist ja Heinz Strunk!"
Peter Nemeth freut sich währenddessen, dass er beim Hütchen aufstellen von der Gegengerade beim Schritte zählen unterstützt wird: 19, 20, 21, 22! Machen die da unten vermutlich schon seit Jahren, ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen.
Und das war es jetzt auch an seichter Unterhaltung. Der Bogen ist schwer zu kriegen und sorry, falls diese bisherige gespielte Leichtigkeit angesichts der folgenden Zeilen unangemessen war.
Ruhe in Frieden, Thomas!
Wie anfangs bereits erwähnt: In dieser Woche ist Thomas, auch als TAL bekannt, verstorben. Ich muss hier niemandem erzählen, wer Thomas war und wie unfassbar es ist, dass er nicht mehr unter uns weilt. In den letzten Wochen, Monaten und Jahren sind viele von uns gegangen und gefühlt werden die Abstände dieser traurigen Anlässe immer kürzer. Es waren mehrere bedeutende Personen für die Fanzszene dabei und jeder einzelne Tod war und ist unfassbar schrecklich und jeder folgende Moment im Stadion bedrückend.
Sibbe, ehemaliger Sänger der Notgemeinschaft Peter Pan, von denen ich zu meiner aktiven Label-Zeit selber noch zwei Alben veröffentlich habe, hatte in dieser Woche bereits gepostet, dass er wegen Thomas vor kurzem seinen FCSP-Song "Wochenendbeziehung" neu eingespielt hatte. Nachdem Thomas' Leben als Sankt Paulianer über die Stadionlautsprecher angemessen gewürdigt wurde und diese Rede mit einem (zumindest sinngemäß) "Thomas mochte es laut" schließt, ertönt Sibbe's Song aus den Boxen. Ich hätte den ganzen Block fluten können, so tief und ergreifend haut mich dieser Moment um. Als dann auch noch die Süd zum Ende des Songs noch einmal "Oh Sankt Pauli, für immer mit Dir" intoniert, wäre ich am liebsten rausgerannt. Und das, wo ich Thomas gar nicht so wirklich persönlich kannte. Klar wusste ich, wer er war, klar weiß ich um seine Verdienste und klar ist man sich immer wieder mal über den Weg gelaufen. Aber wir kannten uns nicht in dem Sinne, dass wir mal miteinander geschnackt haben. Das ist allerdings auch gar nicht immer nötig, um sich verbunden zu fühlen.
Ruhe in Frieden, Thomas! Die Lücke, die Du hinterlässt, ist nicht zu schließen.
Das Spiel
Es ist fast schon nebensächlich, aber eben auch nur fast, was ganz sicher auch in Thomas' Sinne gewesen wäre oder ist. Vielleicht wäre alles anders gelaufen, hätte Martijn Kaars kurz vor der Halbzeit alleine auf Baumann zulaufend, den Knicker versenkt. Baumann parierte jedoch und so ging unser Team mit einem bei mir nicht unbedingt optimistischem Gefühl in die Halbzeit.
Der Rest ist Geschichte und beim Millernton nachzulesen.
Rund ums Spiel
"Ganz Hamburg hasst die CDU!" - da stimme ich natürlich gerne mit der Süd mit ein, wenn es auch schade ist, dass das nicht allgemeingültig ist. Was nicht ist, kann ja noch werden. Hüstel.
Kurz vor Wiederanpfiff gibt es ein "Gegen jeden Antisemitismus! Immer überall!"-Banner mittig in ebendieser Kurve und da machen wir natürlich einen ganz dicken Daumen nach oben dran! Mehr habe ich heute nicht vernommen.
Tja und sonst? So gerne ich in G2 bin, war es heute auch ein wenig anstrengend. Klar ist jede Unzufriedenheit bei dem Spiel(verlauf) verständlich und mein Frust ist ebenfalls nicht zu verbergen. Wenn aber nach jedem Tor jemand mitten in der kollektiven Schockstarre künstlich applaudiert und dabei lautstark rumschreit "bravo, Blessin, bravo! Bloß nicht mal auswecheln, bravo, bravo!", dann kommt zu dem Frust noch eine gehörige Portion Angenervtheit.
Futter bekamen dann auch die nörgelnden Menschen, die der Süd gerne vorwerfen, sie würden nicht spielbezogen supporten, indem dort nach dem 0:3 "schieß ein Tor, führ deinen Gegner vor!" zum Besten gegeben wurde. Fakt bleibt aber auch, dass als das Team auf seiner Dankesrunde an uns in Höhe G2 vorbei kommt, dort vielleicht noch 1/4 der Leute steht, um die nicht minder enttäuschten Spieler mit Applaus zu verabschieden. Während die durchgehend supportende Süd noch pickepackevoll ist und dem Team zeigt, dass wir nicht nur zusammen gewinnen, sondern auch gemeinsam verlieren. Egal ob das vier, fünf oder acht Mal hintereinander der Fall ist.
Oh Sankt Pauli, für immer mit Dir!
Dann eben in Frankfurt.
Gute Nacht!