Dienstag, 02.12.25, 18:00 Uhr, DFB-Pokal (M), 2. Runde, Borussia-Park

Disclaimer: Diese(r) Blog(-Rubrik) ist im Stile alter klassischer Punk-Egozines (Ego-Fanzines) gestaltet. Sprich es geht hier primär um das (Er)Leben der jeweils schreibenden Person und das kann manchmal sehr weit über den Aufhänger (das Spiel) des Berichtes hinaus gehen. Wir haben weder den Fokus auf (Vollständigkeit) fanspezifische(r) Themen und erst Recht nicht auf das sportliche Geschehen. Für beides sehen wir andere digitale und physische Publikationen für geeigneter an und auch nicht alles was uns durch die Hirse geht und/oder geschieht, muss hier auch rein. Es ist also alles sehr persönlich. In diesem Sinne: Enjoy oder auch nicht.

Zwischen München und Köln: Vorgeplänkeln

Es ist Montag, ungefähr 10 Uhr und ich sitze im Zug zurück von München. Seit gestern Abend bin ich schon wieder komplett überfordert und die Situation am Münchener Hbf hat das noch verschlimmert: Presslufthämmer, tausende von Menschen, schreiende Kinder, unendliche Schlangen vor den Fressständen, Gedrängel, Enge, Ausweichen, Angerempelt werden - und das alles ungefiltert. Die nächste Woche rattert in meinem Kopf rauf und runter, natürlich nachts inbegriffen: Morgen früh erstmal Lohnarbeit und der Beginn eines ziemlichen Zeitdrucks, was den gesamten Monat bis zum Resturlaub betrifft, inklusive einer dieser für mich extrem schwierigen sozialen Verpflichtungen aka Arbeits-Vorweihnachtstreffen mit ganz viel Smalltalk. Dann schnell nach Mönchengladbach mit all den Triggern, die auf mich warten. Nachts irgendwann zu Hause, am nächsten Morgen früh raus, 2 Stunden arbeiten, dann nach 1 Jahr Wartezeit endlich (wieder) Therapiestart, in der müden Hoffnung, dass es möglichst schnell und eine Zeit lang was bringt. Danach weiter lohnarbeiten, bis Ende der Woche, bevor es Samstag nach Köln geht. Davor graut es mir derzeit am meisten, da ich es noch nicht geschafft habe diesen Tag so zu planen, dass er für mich möglichst wenig Eskalationspotential beinhaltet.

Trotzdem fühle ich mich auch nicht in der Lage die Vernunft darüber zu stülpen und zu sagen: "Nee, geht jetzt einfach mal nicht mehr." Viel mehr sage ich mir: "Komm, dieses Jahr nimmste das noch alles mit und nächstes Jahr mal schauen, wie es weitergeht." Und dazwischen auch noch dieser selbst auferlegte Zwang diesen Blog hier zu füttern. Aber ist ja nun mal auch - ich wiederhole mich - Selbsttherapie.

Apropos: Ich weiß natürlich, dass nur sehr wenige Personen die persönlichen Inhalte meines Geschreibsels wirklich nachvollziehen können. Ein bisschen Verständnis und so, ja. Aber wirklich nachvollziehen und mitfühlen, weil die eigene Neurodivergenz wiedererkannt wird und das Gefühl des "alleine auf weiter Flur" zu sein ein ganz klein wenig relativiert werden kann, kommt dann doch so gut wie nie vor. Umso mehr freue ich mich über so Reaktionen, wie ich sie am Sonntag von einer mir bisher persönlich unbekannten Person erhalten habe, der es ähnlich geht. Danke auch auf diesem Weg noch einmal dafür und vor allem weiterhin viel Kraft! 

Tja, Gladbach. Im VVK waren bis zum Ende noch Steher erhältlich, die sonst bei wohl mindestens 90% unserer away Spiele binnen 2-3 Minuten vergriffen sind. Die uns zustehenden Karten für den Oberrang sind erst gar nicht freigeschaltet worden und die Stehsitzer im Unterrang dürften auch nur zu ca. 75% vergriffen sein. Dazu die Rückläufer und Angebote in den Kartenbörsen. 18 Uhr an einem Dienstag ist halt scheiße. Ich bin gespannt. 

Matchday morning

Die Rückfahrt aus München gestaltete sich am Ende auch noch triggernder, als es nach dem Einstieg aussah. Wir kommen bereits gut verspätet am Umsteigebahnhof an. Dort fallen erstmal Züge aus. Es gibt zwar möglicherweise einen Schienenersatzverkehr (da sind sich die Quellen nicht so einig), aber der käme für mich auf Grund der Enge eh nicht in Frage, zumal wir auch nicht wissen wo der abfährt. Dann gibt es eine halbe Stunde später zwei Züge zur freien Auswahl, die quasi zeitlgleich abfahren. Da auf dem einen Gleis kaum noch jemand draufpasst, gehen wir zu dem anderen, wo aber nur 2 Waggons angekündigt werden. Währenddessen fährt der Zug am ursprünglichen Gleis ein und ich bin schon wieder verzweifelt, weil wir offenbar alles falsch gemacht haben. Dann rennen auf einmal alle weg, weil auf der Anzeige erscheint: "Zug heute von Gleis 3". Das ist verdammt weit entfernt und es ist 16:20 Uhr. Abfahren soll(te) der eh schon verspätete Zug dort um 16:19 Uhr (bereits Verspätungszeit, also tatsächliche Abfahrt), genau wie der auf dem Gleis, das wir gerade erst verlassen haben und wo der Zug jeden Moment abfährt. Ich könnte zusammensacken und mich auf dem Boden einrollen. Für den Großteil der Menschen ist sowas "nur" mega ärgerlich und meine Reaktionen sicher übertrieben. Mit der Neurodivergenz gibt es aber in so Momenten diese Rationalität nicht ("nehmen wir halt noch einen später, ärgerlich, aber lässt sich ja nicht ändern"). Da gibt es nur extreme, ungefilterte Reize, extreme Emotionen und extreme Reaktionen. Ich wünschte so sehr, es wäre anders.

Funfact: Die am Ende zu Papier stehende offizielle Verspätung bei Inanspruchnahme der frühesten Alternative beträgt 59 Minuten. Gibt also nicht mal Entschädigungen für den ganzen Stress.

Trotzdem ziehe ich das mit Mönchengladbach mit ca. 2.499 weiteren FCSP-Fans heute durch und wir werden ausnahmsweise mal mit Auto zum Stadion fahren. Das macht es hoffentlich erträglich. Kommen wir gut durch, sind das 90 Minuten Fahrzeit. Solange bräuchten wir auch vom eigenen sogenannten Hauptbahnhof bis zum Mönchengladbacher Hbf. Also zumindest zeitlich die Zwischenwege gespart.

Für mich wäre das aber heute anders eh unmöglich. Ich würde keinen Fuß aus der Wohnung setzen, wenn mir heute irgendwer sagen würde, wir fahren da jetzt mit Öffis hin.

Und das geht so

Es ist und bleibt unglaublich, aber ich hatte ein recht entspanntes Stadionerlebnis, inklusive Hin- und Rückfahrt. Zumindest für meine Verhältnisse und klammern wir alle Emotionen bis zur Abfahrt einfach mal aus.

stadionaussen

welcome

Zwischen Ankunft auf dem Parkplatz und Einlass liegt der übliche einstündige Puffer, um weitere psychische Eskalationen zu vermeiden. Fußweg 15-20 Minuten, Einlass pünktlich, früh drin, Fanclub-Lappen ans Mundloch gepappt, alkfreies Bier gegriffen, ein paar Leute begrüßt, Anstoß, brauchbares Spiel und... Tor! => Eskalation im durch und durch positiven!

kurve

Toschütze: Martijn Kaars (bereits ebenfalls schon von manch Paulinörgerland-Anhänger zum Fehleinkauf abgestempelt)! Endlich! Und wie er das gemacht hat! Zwei Gegenspieler einfach durch ein-zwei Körperbewegungen stehen lassen und dann überlegt den Knicker flach ins Eck gelegt. Träumchen!

imk

Jetzt hätte ich fast Relevantes übersprungen. Auch heute wieder 12 Minuten Schweigen. Abgesetzt wurden wohl 2.500 Gäst*innen-Tickets und auch der Heimbereich war nicht ausverkauft. Es gab sogar eine Gäst*innen-Stadionkasse. Ich glaube sowas habe ich zulezt irgendwann bei einem Auswärtsspiel in Meppen vor langer, langer Zeit, erlebt. Unsere beiden Oberrangblöcke gingen erst gar nicht in den Verkauf und im Unterrang waren bis zuletzt sogar Steher erhältlich, dazu Rückläufer und ne Menge Leute, die ihre Tickets noch loswerden wollten. Dafür war es am Ende dann aber doch gut gefüllt, sowohl im Steher, als auch im Sitzsteher daneben.

Apropos: In München hab ich es ja fast schon erwartet, aber dass uns bei so einem Spiel wie heute 30 Minuten vor Spielbeginn jemand in der Reihe hinter uns auffordert, uns hinzusetzen, damit er auch was sehe, hatte ich bisher auch noch nicht. Entsprechend war das Sitz-Steh-Verhältnis mit Anstoß auch noch ein wenig ungwohnt, irgendwann standen dann aber doch wieder "alle".

Btw: Ich finde das völlig ok, wenn Personen das Spiel im Sitzen sehen wollen. Das ist ein Teil antidiskriminierender Barrierefreiheit, wenn ich versuche Personen, die es körperlich oder psychisch oder warum auch immer nicht anders können oder meinetwegen auch wollen, das zu ermöglichen. Dazu gehört in erster Linie ein spontaner Platztausch. Dass das am Ende nicht immer geht, ist mir aber auch klar und eine wirkliche Lösung, die immer greift, sehe ich da auch weit und breit nicht. Die radikale Trennung zwischen Steh und Sitz und damit auch zwischen Stimmung/Support/Unterstützung und "nur Fußball gucken" (sic!) halte ich jedenfalls für keine geeignet Lösung. Wenn möglichst viele stehen, wenn möglichst viele mitmachen, hilft das auch dem Team auf dem Rasen. Wenn wir dann noch diejenigen, die das nicht können, irgendwie aufgegangen bekommen, ist/wäre das natürlich noch besser. Wie? Keine Ahnung.

stadionvoll

Eine weitere Folge "Spaß mit Ordner*innen" geht heute so: Anfangs alles easy peasy, dann fällt aber einem Ordner plötzlich ein, dass auf den Eintrittskarten ja auch Sitzreihen gedruckt sind. Angesichts der freien Plätze in unseren Reihen war es hier eigentlich einfacher denn je, das Prinzip "freie Platzwahl zu Gunsten zusammenstehsitzender Bezugsgruppen" durchzuziehen. Das sah er offenbar anders und rannte tatsächlich einer Person aus unserer heutigen Bezugsgruppe hinterher, weil diese eine Sitzreihe unterhalb des Mundlochs/Eingangs hatte und nach dem erneuten Betreten des Blocks die Stufen nach oben nahm. Auch mir rannte selbiger Ordner später noch einmal hinterher, um meine Sitzreihe zu checken. Dass die Plätze eh alle gleich teuer waren, kommt da noch oben drauf. Manchmal fehlen einem dann auch echt die Worte (ja, natürlich stand die Person 5 Minuten später wieder neben uns, da für die 1:1-Zuteilung die Ordner*innen-Kapazitäten nicht ausreichten).

Ansonsten auch hier wieder ganz viel Fußball-Kirmes-Programm. Warum macht eine Fankurve so einen Eventscheiße ("Hallo Süd, hallo West, hallo Ost, hallo NORD, seid Ihr alle da?" oder so ähnlich) eigentlich mit? Und nicht zu vergessen: "NUUUUUULL!" Poahr, was bin ich froh, dass unser Verein auf so einen Eventscheiß verzichtet. Ich wiederhole mich.

Irgendwann Ausgleich und danach? Ich hatte damit gerechnet, dass wir uns hinten einigeln und ab und zu mal einen Konter fahren. Aber nix, wir haben am Ende 52% Ballbesitz und wenn mir die Anspannung nicht total die Sinne vernebelt hat, fällt ein nicht unerheblicher Teil davon auf Hälfte 2. Auch die Intensität war positiv und das jetzt immerhin das dritte Spiel in Folge. Hoffen wir, dass wir uns auch da weiter stabilisieren.

Ich hatte gerade gesagt: "Ja, Scheiße, doch nicht nach 90+X Minuten nach Hause", da passiert noch was. Wir holen uns tatsächlich den verdienten Lohn für unsere Arbeit ab (trotz lt. kicker 1,69:0,73 X-Goals zu Gunsten der Borussia, die ich nicht wirklich nachvollziehen kann): Louis Oppie, der zuletzt ebenfalls ein wenig einstecken musste, macht nach Vorarbeit von Martijn das 2:1. Eskalation 2.0! Gönnung, aber sowas von!

Und dann ist tatsächlich Ende und wir stehen in Runde 4 aka im Viertelfinale. Hoppla.

Stimmung: Hätte im Stehsitzer auch dieses Mal wieder besser sein können, auch wenn gute Phasen dabei waren. Nebenan im Steher sowieso wie gewohnt klasse.

Rückweg: Wir verlaufen uns kurz zum Auto, finden es aber dann doch noch am gleichen Tag und sind tatsächlich relativ flott auf der Autobahn. Ich sitz hinterm Lenkrad und staune, wie gut das alles für mich persönlich lief, nach all den Strapazen, Ängsten und Trigger der letzten Tage. Verdammt, was erzähle ich denn gleich bloß zum Therapiestart, wo es mir heute Morgen halbwegs ok geht? Ach ja, München.

Dann machen wir doch einfach auf allen Ebenen in Köln so weiter. Gute Nacht!

Spielerisches gibt's beim Millernton.