Ich würde mich gar nicht mal als hochgradig politisch oder gesellschaftlich aktiven Menschen sehen. Und vor allem ganz weit weg von perfekt. Ich halte mich angesichts diverser Haltungen auch nicht für "besser" als andere Menschen. Viele meiner Freund:innen sind deutlich aktiver, würden die beiden letzten Sätze jedoch vermutlich genauso für sich unterschreiben.

Es ist nicht mein Anspruch die Welt zu retten oder Menschen zu bekehren. Ich bin halt nur selber nicht bereit, bei vielem Scheiß, der da draußen passiert, mitzumachen. Und wenn marginalisierte Menschen/Lebewesen durch mein Verhalten profitieren, finde ich das gut und auch das ist Teil meines Ansporns. Dennoch scheitere ich tagtäglich an meiner persönlichen Bequemlichkeitsschwelle. Dessen bin ich mir bewusst und ich versuche ein Maß zu finden, damit ich Teile meiner Energie aus meiner Sicht sinnvoll einsetze und ich zum anderen nicht auf die Lebensfreude verzichte. Diese Schwelle liegt bei jeder Person woanders und sie ist für mich ein zusätzlicher Motivator zur Reflexion.

Dennoch möchte ich und möchten wir für Themen, mit denen wir uns befassen und die wir für relevant für mehr Gerechtigkeit/Gleichheit unter den Menschen/Lebewesen halten, sensibilisieren. Im Regelfall - abseits von eh bestehenden Diskussionsgruppen - nicht ungefragt im 1:1 (außer natürlich, wenn wir z.B. direkte Diskriminierung da draußen wahrnehmen und ein Einschreiten möglich ist. Also wenn jetzt so ein Jens Lehmann vor uns den Mund aufmachen würde... ach, lassen wir das). Aber hier im Blog für Interessierte oder beispielsweise am Infostand auf dem Fanfest, halten wir das für sinnvoll.

Um das mit dem "nicht ungefragt im 1:1" zu konkretisieren: Dass ich z.B. seit 17 Jahren durchgehend vegan lebe (und davor mit Unterbrechungen) habe ich selber noch nie anderen Personen gegenüber aktiv thematisiert. Wenn ich auf respektvoller und ernsthaft interessierter Ebene dazu gefragt werde, gebe ich über Motive etc. gerne Auskunft, nicht mehr und nicht weniger. So verhält sich das auch mit dem gendern: Da wo oft behauptet wird, mensch würde einem das aufzwingen wollen, ist die Realität im Regelfall genau andersrum. Siehe CSU, siehe Bayern. Diese angeblichen Verbote bestehen ausschließlich in die andere Richtung. Ich habe auch noch nie einen Menschen in meiner "linken Bubble" gesehen/gelesen, der zu irgendwem gesagt hat "gender mal bitte". Jedoch genug Interventionen von Menschen gelesen, die das gendern stört und das (bei anderen) verhindern wollen. Wieso auch immer.

Alleine solche Lebensinhalte reichen oft aus, um verbal angegriffen zu werden. Viele dieser Angriffe stecke ich in die Schublade "beste Verteidigung". Der Veganismus ist ein Paradebeispiel dafür. Es reicht aus, dass andere es mitbekommen und schon werde ich wahlweise mit Whataboutism, Doppelmoralvorwürfen oder ungefragten Rechtfertigungen konfrontiert. Zumindest in meinem eigenen Umfeld habe ich es hingegen noch nie mitbekommen, dass die gerne unterstellten selbst gemachten Vorwürfe an andere, wirklich stattfinden. Viel mehr ist es oft dieses passive "sich angegriffen fühlen" der Anderen, nur weil jemensch vermeintlich "sozialer" oder "politisch korrekter" hinsichtlich einzelner Punkte lebt und/oder denkt.

Ach ja, die Überschrift, der Auslöser für diese Zeilen und jetzt bitte mal FCSP-Bezug. Im Fanfest-Artikel schrieb ich:

 

"Und auch für uns persönlich gab es nahezu ausschließlich positive Momente."


Auf Grund der netten Rückfragen: Das "nahezu" bezieht sich auf exakt ein kleines, im Grunde genauso "nahezu" unbedeutendes Gespräch (was jedoch Anlass genug für uns war, unsere Erfahrungen aus ähnlichen Begegnungen auf der Rückfahrt zu thematisieren und den Tag nochmal Revue passieren zu lassen): Eine Person hatte bei der Tombola einen Preis gewonnen, unter anderem bestehend aus Schreibblöcken, Postkarten und Aufklebern von Pinkstinks. Diese trugen die Aufschrift: "Die Zeiten gendern sich". Offenbar Anlass genug, um uns ungefragt (und ohne Fragen zu stellen) zu erzählen, dass sie "aber nicht gendere" und "das stattdessen lebe".

OK, als teils betroffene Personen in unserem Fanclub stellt sich da natürlich die Frage, wie mensch "gendern lebt", wenn bereits bei der eigenen Schrift- und Wortwahl betroffene Menschen, denen sowas wichtig ist, ausgegrenzt werden. Diese werden so schlichtweg nicht berücksichtigt. Da kann mensch 1000 mal sagen, doch trotzdem "alle" zu meinen. Entscheidend ist am Ende immer, wie Betroffene (und somit an dieser Stelle marginalisierte Personen) die Dinge sehen.

Wir halten es daher für fragwürdig, wenn Nichtbetroffene (an dieser Stelle) privilegierte Personen, ein solches "leben" von sich behaupten ohne von denjenigen, die es vor allem betrifft, ernsthaft interessiert eine Meinung dazu einzuholen. Genau das fand hier nämlich nicht statt. Oder sich wirklich mal ernsthaft mit dem Thema zu befassen, denn spätestens dann sollte klar werden, dass dieses "gendern leben" (whatever it is) nicht so leicht ist, wenn mensch auf der Seite der Nichtbetroffenen steht. Sich das aus eigener Sicht so zu drehen, dass es ganz bequem für eine:n passt, reicht eben nicht aus, wenn mensch es wirklich ernst meint.

Soviel inhaltlichen Input wollte ich hier gar nicht geben, ich bitte um Entschuldigung. Es ging mir viel mehr um das hier:

Wir sind der Meinung, dass es keinen Sinn macht, solche Gespräche (aktiv) zu führen, solange kein wirkliches Interesse an den Inhalten besteht. Wir wurden ja auch nicht zu unserer Meinung/Haltung gefragt, sondern das Anliegen bestand ausschließlich darin, uns darüber zu informieren, dass die Person nicht gendert und stattdessen gendern lebt, sprich dass der Tombola-Preis für diese daher nicht geeignet sei.

Im Grunde bringt dieser eine Satz soviel mit, um darauf zu reagieren (siehe meinen Monolog da oben). Aber genau das ist in solchen Begegnungen eben nicht unserer Anspruch. Klar gehen wir in deartigen Fällen auch mal in die Diskussion, aber das ist nicht der Regelfall und nicht das, was wir wirklich anstreben. Also beschränkten wir uns auf die Frage, ob die Person stattdessen lieber etwas anderes haben möchte. Das wurde dann aber verneint. Hm.

Es war tatsächlich der einzige, nicht ganz so coole Moment, an diesem Tag. Und im Grunde und natürlich kaum erwähnenswert und sowieso nicht mehr als Alltag. Aber auch ein Anlass, um unsere Position an dieser Stelle hier noch einmal klar zu stellen:

Uns ist es scheißegal, ob ihr gendert oder nicht. Oder ob ihr euch vegan ernährt. Klar fänden wir das schön und wir freuen uns über jede Person, die das tut. Aber wir wollen euch weder zu etwas drängen, bekehren noch sonstwas. Das gilt auch für alle anderen Themen, bei denen wir uns positionieren. Wenn ihr ernsthaftes Interesse habt und auf Grund unseres Infomaterials oder unserer Blog-Beiträge mehr Input zur Sensibilisierung haben möchtet, könnt ihr uns gerne jeder Zeit ansprechen und uns mit Fragen löchern. So lange diese eben nicht Teil dieser Rechtfertigungs- und/oder Vorwurfsmasche ist oder es Fragen sind, die auch ganz leicht mal eben via Suchmaschine eurer Wahl schnell und eindeutig zu beantworten sind (Fragen in diese Richtung gehend offenbaren auch oft das tatsächliche (Des-)Interesse). Die Betonung liegt letztendlich auf "ernsthaft" und auf "respektvoll". Wenn ihr euch aber nur ungefragt rechtfertigen wollt, betonen, dass ihr unsere Haltungen nicht teilt oder uns aufzeigen wollt, dass wir ja (was wir natürlich wissen) auch nicht perfekt sind (wir sind sogar sehr weit davon entfernt), dann erspart uns und euch bitte diese Energieverschwendung.

Wir bedanken uns herzlichst und wünschen einen schönen Abend. :)