Zum Fußball kam ich deutlich früher, als zum Punk. Mein Vater hat für mich sehr früh diesen Weg vorbestimmt, so dass ich mit 7 Jahren (früher ging es damals gar nicht) in die F-Jugend eines Stadtteilvereins gesteckt wurde.
Ich ging da auch voll drin auf, was vielleicht auch daran lag, dass wir von Anfang an sehr erfolgreich waren. Sozialisation abseits des Vereins fand bestenfalls in der Schule statt. Eine glückliche Fügung ebnete mir dann doch noch den Weg zum Punk, so dass ich neben fürchterlichen Kabinengesprächen doch noch sozialen Input über die Sportskameradschaft (autschn!) hinaus abbekam. Ich wäre vermutlich sonst auch nie beim FC Sankt Pauli gelandet. Punk sei Dank!
So wurde ich zwangsläufig auch früh Fußballfan, denn natürlich waren auch gemeinsame Besuche des städtischen (damals meistens) Zweitligisten an der Wochenendordnung, die später mit der eigenen Peergroup erfolgten. Irgendwann landete ich sogar selber in der dortigen Zweitvertretung und lebte gefühlt in zwei parallelen Welten. Wenn der Spielplan es zuließ, gab es am Wochenende die totale Punkrock-Ekstase mit viel Alk und - aus heutiger Durchsicht - teils ziemlich beschissenem Verhalten (bevor ich mich da selber im DIY-Bereich engagierte). Und auf der anderen Seite halt ebenso krampfhafte wie verhasste Trainigsdisziplin und Erfolgsorientierung. Der Weg als Fan weg vom lokalen Proficlub und hin zum FCSP war zunächst schleichend, manifestierte sich angesichts meiner erwähnten Sozialisation dann aber doch irgendwann schlagartig.
Dass es zwischen Fußballfan und Punk - so groß die Unterschiede auf dem ersten Blick auch sein mögen - auch durchaus Parallelen gibt, war mir damals nicht bewusst.
Starten wir beim Fußballfan: Hools, Kutten, Trikotträger:innen, dazu später auch noch Ultras und nicht zu vergessen die große Gruppe der eher Unscheinbaren sprechen schon mal für ein sehr heterogenes Feld. Zwar beanspruchen viele Individuen das "richtiger Fan"-sein gerne für die Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, allerdings ist das natürlich gar nicht mal so leicht. Folglich liegt das Aberkennen des Fanseins, wenn es zum Beispiel um Gewalttäigkeiten geht, nahe: "Das sind keine Fans" gehört nicht nur zum Sprachgebrauch zahlreicher Vereinsoffizieller, sondern auch zu dem zahlreicher Fans. Es ist für viele nicht so leicht einzusehen, dass nur weil mensch selber sein Fansein eher pazifistisch definiert, dieses auch für alle anderen Fans so sein muss.
Dabei trifft Wiki es doch so schön auf den Punkt: "Ein Fan ist ein Mensch, der längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem (...) sportlichen Fanobjekt hat und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Ressourcen wie Zeit und/oder Geld investiert." Punkt, Ende, Aus. Nix mit "friedlich", nix mit "gewalttätig". Es reicht die leidenschaftliche Verbundenheit und die kann genauso in irgendeiner VIP-Loge, wie nach dem Spiel auf irgendeinem Acker im Match gegen verhasste, aber dennoch Gleichgesinnte, ausgelebt werden. Auch wenn das Schnittchen zur Halbzeit für die einen und die gewalttätige Auseinandersetzung für den anderen so gar nix mit Fansein zu tun haben.
Muss ich alles nicht gut finden, ist aber nun mal so. Das "Fansein" absprechen kann ich deswegen niemandem. "Fan" ist per se schlichtweg weder positiv, noch negativ besetzt, egal was ich selber mit diesen beiden Polen asoziiere.
Und damit wären wir beim Punk. Meine Fresse, was haben mich die letzten Jahre Nerven gekostet. Ähnlich wie in vielen Fanszenen gibt es auch im Punk in den letzten Jahren Bestrebungen zu mehr humanitären, sozialen und gesellschaftlichen Aspekten (siehe den früheren Anteil an Nazis in den Kurven und eine nahezu generell homofeindliche Attitüde). Dank "Punk too" etc. ist die progressive Entwicklung im Punk vermutlich noch ausgeprägter (wenn wir hier natürlich auch nicht von Nazis etc. sprechen), wodurch die Gräben innerhalb der "Szene" mindestens genauso groß sind, wie beim Fußball. Doch das (digitale) Gelaber ist am Ende häufig ähnlich.
Und damit wären wir bei meiner Anfangsthese: Die Frage, ob irgendwas (noch) Punk ist, ob Punk heute dies oder das heißt oder darf, oder ob der wahre Punk noch immer das alte weiße Männer-Ding von früher ist: Es sind immer die gleichen unnötigen Diskussionen. Und am Ende wäre es auch traurig, wenn ich auf Grund meiner Selbstdefinition als "Punk" nicht trotzdem meine eigene Birne mit eigenen Positionen hätte ohne darauf zu schielen, wie ein vermeintlicher (aber nicht wirklich existenter) Punkscher Verhaltenskodex dazu aussieht. Doch auch ohne Kodex finde ich viele meiner Positionen, Ansichten (und natürlich auch den Musikgeschmack) im Punk deutlich häufiger wieder, als in der Mehrheitsgesellschaft. Dennoch würde ich manch reaktionärem Altpunk niemals - wenn er sich so definieren mag - sein Punksein absprechen und das ganz unabhängig von seiner Rolle "früher". Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mit ihm etwas positiv asoziiere.
Letztendlich definiere ich mich (unter anderem) als (und mit) Punk und Fußballfan und finde trotzdem, dass in beiden Gruppen eine ganze Menge Arschlöcher unterwegs sind, die aber halt trotzdem Punks und/oder Fans sind. Für mich macht es Sinn, sich das einfach mal einzugestehen, anstatt immer wieder diese nervige "wahrer Punk/Fan"-Fahne in den Wind zu halten und der Meinung zu sein, dass einem alleine durch dieses Punk- oder Fansein so viel verbindet, dass ein gewisses generelles Zusammengehörigkeitsgefühl existieren muss.
So ist mein Punk DIY, möglichst unkommerziell, progressiv, queer, bunt, vegan und sozial. Deiner mag betont unsozial, OKF und vollrauschig sein. Oder elitär und reaktionär. Und beim Fansein lassen sich genauso leicht Unterschiede zwischen anderen und mir finden. Unterm Strich bedeutet das aber für mich nicht, dass ich mich deswegen nicht mehr einer "Szene" zugehörig fühle (so ungerne ich den Begriff auch mag, vielleicht gerade wegen dieser Unterschiede). Dafür müsste die Mehrheitsgesellschaft die für mich relevanten Aspekte erstmal einholen. Und das wird nicht passieren.
In diese Sinne: Punks und Fans united! Aber nicht wirklich. Oi! ;)