Samstag 15.02.25, 15:30 Uhr, 22. Spieltag, 1. Bundesliga (M), Millerntor

Intro 1: Rest in peace

Wir sind fassungslos und traurig: Rund um das Spiel in Leipzig gab es gleich drei Todesfälle in der FCSP-Familie. Einer davon ist der Tod von FCSP-Urgestein Bernd. Der von uns sehr geschätzte Blog "Magischer FC" hat dazu sehr schöne Worte gefunden, denen wir uns nur anschließen können.

Seiner Familie und seinen Freund*innen sowie denen von A.E. und J. wünschen wir ganz viel Kraft und dass die schönen Erinnerungen in nicht allzu weiter Ferne ein Stück weit gegen die Traurigkeit helfen. Alles Liebe und Gute Euch allen!

Ein Freund von Bernd sammelt derzeit dafür, dass er von Leipzig zurück nach Hamburg gebracht werden kann. Ihr könnt hier Euren finanziellen Beitrag dazu leisten.

Ruhet in Frieden.

Intro 2: Still not lovin' Josef O.

Fast (!) schon nebensächlich dagegen (!) ist die Diskussion über "Das Herz von St. Pauli". Ich habe mich dazu schon ausführlich ausgekotzt und dem ist auch wenige Tage später nicht soo viel hinzuzufügen. Außer, dass es mich dann doch so langsam nervt, dass einige Personen so krampfthaft an dem Song festhalten wollen und dafür "Argumente" bemühen, bei denen ich den Eindruck habe, dass da irgendwelche rechten Bots ihr Unwesen treiben. Da ist von radikalen Minderheiten die Rede und davon, dass mensch sich das Singen nicht verbieten lasse. Eigentlich fehlt nur noch der Satz, dass mensch seine Meinung ja nicht mehr sagen dürfe. Aber vermutlich habe ich das nur überlesen (oder das Weiterlesen rechtzeitig verweigert).

Ich kann wirklich nachvollziehen, dass einige noch deutlich mehr als ich mit dem Song verbinden, manche sogar Teile ihrer persönlichen Geschichte. Ich verstehe den Redebedarf, ich verstehe, wie in dem Kontext der Schmerz bei einigen noch deutlich tiefer sitzt, als bei mir. Und ich finde es auch gut, dass über der bekannten Recherche hinaus, weitergehende Nachforschungen angestrengt werden. Aber dass es derzeit* völlig kontraproduktiv wäre, das Lied im Stadion zu spielen und zu singen, sollte meiner Meinung nach inzwischen allen klar sein.

Ganz egal, wie mensch zu der Frage steht, ob es noch vertretbar wäre, das Lied mit dem Wissen von heute weiter als "Stadion-/Vereinshymne" zu spielen: Es ist schlichtweg nicht mehr möglich, diesen Song mit dieser Wirkung und Intensität zu inszenieren, so dass er völlig seinen Zweck verfehlen würde. Noch viel schlimmer aber: Es würde viel mehr zu sehr unwürdigen Zuständen führen, wenn da zwei Parteien im Stadion versuchen irgendwas auszufechten, was nicht auszufechten geht.

Kriegt das bitte endlich mal in eure Hirse rein (ja, an dieser (!) Stelle kippt gerade die Stimmung bei mir, denn das ist der kleine Teil, für den ich dann doch gar kein Verständnis mehr habe).

Und an all diejenigen, die in ihrer Argumentation NS-Aufarbeitungen kritisieren, in dem Kontext die Vergangenheitsbewältigung thematisieren und mit ihren Stimmen nicht unweit von AfD-Haltungen liegen: Verpisst euch einfach! Und kommt mir bloß nicht mit eurer falsch verstandenen Toleranz. 

*) auf Grund der vom Verein angekündigten weiteren wissenschaftlichen Aufarbeitung habe ich hier bewusst "derzeit" geschrieben, auch wenn ich davon ausgehe, dass auf Grund der bishereigen Recherche-Ergebnisse (danke, liebes Museum!) eine Rückkehr nahezu ausgeschlossen ist.

Matchday 1: Die Hinfahrt  (aka vorher)

Kommen wir zum Egoteil: Ich sitze im Zug, wir passieren gerade Münster und es läuft bisher alles sensationell glatt. Die ersten beiden Absätze sind geschrieben, die Hälfte der Heimspiel-Anfahrt-Rituale sind abgearbeitet (Haferkater etc.) und nach dem Spiel geht es heute direkt zurück nach Hause. Zeit genug den Rest des Tages zu Tastatur zu bringen.

Zugegeben habe ich ein bisschen Schiss, dass rund um mich herum - heute in G4, sämtliche Bezugspersonen von mir verstreut in anderen Stadionteilen - Stimmen zum letztgenannten Thema laut werden, die ich nicht ertragen kann. Aber mal nicht das in der Hinsicht Schlimmste hoffen. Ich weiß, da bin ich gut drin. 

Bis später.

Matchday 2: Der Rückblick (aka nachher)

Ich bin komplett durch. Für mich persönlich eine der anstrengendsten FCSP-Reisen, die ich bisher erleben durfte oder musste. Das hängt sicher auch mit meinem Persönlichkeitsscheiss zusammen (regemäßige Leser*innen wissen, was ich meine). Wenn dieser auf so einen Tag trifft, sind die Kapazitäten gefühlt doppelt aufgebraucht. Und das waren sie eigentlich auch schon vom Vortag nach einem abendlichen Demobesuch, der mein Wochenend-Kontingent im Grunde schon aufgebraucht hatte. Aber ich schweife ab. Der Reihe nach:

Einlass auf der GG ist für Sitzende inzwischen easy. Als ich mir meinen G4-Platz anschaue, läuft gerade die Gäst*innen-Hymne. Finde ich gut und auf eine Neiddebatte on top kann ich gut verzichten.

Ich gehe noch mal raus und irgendwann nehme ich drinnen Pfiffe wahr. Als ich reinkomme stehen Oke Göttlich uns Sven Brux - wohl schon etwas länger - auf dem Rasen und nehmen Stellung zum Thema DHvSP. Hätte ich überhaupt nicht mit gerechnet, da in der öffentlichen Stellungnahmen ja alles schon gut erklärt war. Hut ab, dass Ihr Euch davor nicht "gescheut" habt.

Und die Pfiffe sind nicht wenige. Ich bin absolut fassungslos und würde am liebsten direkt wieder gehen. Von G4 aus betrachtet, ist der Applaus keinesfalls mehr oder lauter (ok, Pfiffe sind generell lauter als Applaus, aber dennoch erschreckend). Dass der Verein hier weitere Aufarbeitung betreiben will und nicht einfach so zur Tagesordnung übergeht, verdient meiner Ansicht nach nichts anderes als Respekt. Jeder der hier und heute gepfiffen hat, sollte sich im Klaren darüber sein, in welchem Kontext er dieses getan hat: Pfiffe gegen die Ankündigung/Erläuterung der weiteren Aufarbeitung, nachdem heraus gekommen war, dass der Textdichter NS-Täter war. Pfiffe, dass man nicht einfach den Song weiterspielt, sondern zunächst einmal aussetzt und die Angelegenheit wissenschaftlich untersuchen und weiter aufarbeiten wird.

Verdammte Scheiße, die weitere Aufarbeitung ist nach all dem was wir nach der Recherche wissen, vor allem eine letzte Chance für all diejenigen, die trotz allem an diesem Song festhalten wollen. Dass ausgerechnet diese jetzt pfeifen und buhen spricht Bände.

Ich hätte nie gedacht, dass das in diesem Ausmaß bei uns möglich ist. Ich habe tatsächlich einen Moment lang gedacht: "Am besten fahr ich nur noch auswärts." (auch wenn es dort natürlich auch genug Probleme gibt, aber.) Und ich hoffe doch sehr, dass ich diese Pfiffe nur so stark wahrgenommen habe, weil sie möglicherweise primär aus der Gegengerade kamen und jedes Wort mehr von mir wäre Öl ins Feuer gießen. Ich belasse es bei aller Angepisstheit mal besser dabei.

Aus dieser meiner Emotion geht es ohne Durchzuatmen direkt in die nächste. Es wird den drei verstorbenen FCSP-Fans gedacht. Ich bin draußen schon auf bekannte Menschen getroffen, für die der Tag heute besonders schimm ist, da sie Bernd deutlich besser kannten, als ich. Neben meinen eigenen Gefühlen, fühle ich zusätzlich mit den Menschen mit, die es noch viel heftiger trifft, als mich.

Choreo auf der Süd, Gedenken und Stille. Ein Dank geht auch in Richtung Freiburg für die stille Anteilnahme. Ich kann das Gefühl auch überhaupt nicht in Worte ausdrücken, es wiegt alles extrem schwer. Auf die Stille folgt ein kräftiges "St. Pauli" aus der Süd und schließlich "you'll never walk alone". Und ich stehe dort und kann meine Emotionen überhaupt nicht einfangen.

Anstoß und ich versuche mich aufs Spiel zu konzentrieren, alle anderen Emotionen irgendwie zur Seite zu schieben. Doch leider habe ich ein nicht gerade perfektes Umfeld, da wo ich sitze. Hinter mir sitzt ein Grüppchen, welches es schafft, ununterbrochen zu labern. Die ganz wenigen Momente, wo sie nicht labern, singen sie sehr leise die Songs aus der Süd mit, wenn auch komplett falsch. Das ist immer noch besser als Gespräche wie (als Smith plötzlich auf dem Boden sitzt und sich behandeln lässt, während ich schon wieder das Schlimmste befürchte): "Oh, da kann wohl einer nicht mehr, haha. Also in der Kreisliga, da hätte man den ja einfach runtergerollt, haha."

Ich will auswärts!

Unser Spiel, das sieht dagegen ganz gut aus. Defensiv mal wieder großartig, aber den Schalter auf was positives umlegen fällt mir schwer. Dafür gibt es viel zu viel, worüber ich mich aufregen könnte. Und sind es mal nicht meine Nachbar*innen im Block, dann steht da unten ja noch der Freiburger Trainer namens Julian Schuster. Könnt Ihr bitte Christian Streich ganz lieb fragen, ob er nicht vielleicht doch noch mal und so, liebes Freiburg? Der ging wenigstens positiv an der Linie ab. Aber dieser Schuster, meine Fresse. Wie kann sich jemand so ununterbrochen gegen nahezu jede noch so eindeutige Schiedsrichterentscheidung aufregen? Dafür bekam der Trainer dann auch mit Spielschluss Gelb. Allerdings nicht Schuster, sondern Alex, der sich das komplette Spiel über zurück hielt. Alaf!

Ja mensch und dann die 89. Minute und wenn ich heute nicht schon genug gekotzt hätte, dann kotze ich halt jetzt. Mehr fällt mir dazu auch nicht mehr ein. (mehr zum Spiel in ausführlich und gut wie immer beim millernton

Schlusspfiff und ich sacke erst mal in mir zusammen. Dann mache ich das, was ich sonst nie mache: Ich verlasse bereits 5 Minuten nach Schlusspfiff das Stadion. Ich bin komplett durch, gehe 5 Meter in Richtung Fanladen, dann breche ich ab und latsche zum Bahnhof. Konversation ist unmöglich, Bezugspersonen kann ich auch beim nächsten Spiel wieder in die Arme schließen.

Mehr an Text braucht es heute auch nicht.  Den Rest könnt Ihr den Bildern entnehmen. Gute Nacht!

(Ein paar dokumentierte Social Media Kommentare zum Thema DHvSP findet Ihr hier.)


Konsens, der nicht ausreicht.
20250215 135910 Das Positive des heutigen GG-Besuchs auf den Punkt gebracht.

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