18.10.24, 7. Spieltag, 1. Bundesliga (M)
Westfalenstadion, 20:30 Uhr
2:1 (0:0)

Und da ist es wieder: Dieses Gefühl zwischen Enttäuschung und irgendsowas ähnliches wie Stolz light (irritierend!). Vielleicht ist es aber auch Zuversicht oder einfach trotzallem ein Stück Glückseeligkeit, angesichts dieser Verbundenheit und Energie, die diese away-Spiele für mich dieses Jahr noch besonderer machen. Es ist einfach komplett anders, irgendwo hin zu fahren um dort gefühlt jedes Spiel gewinnen "zu müssen", um aufzusteigen. Jetzt sind wir wieder der Liga-Underdog und trotz des erneuten Nackenschlages haben wir ein bis zuletzt sich aufbäumendes Team gesehen, hinter dem ein geballter, zusammengeschweißter Away-Block steht. Aber der Reihe nach. 

Punkrock!

Um dem ganzen RilRec-Kosmos/-Universum/-Konstrukt/-Ursprung/-whatever mal gerecht zu werden, beginnen wir heute mal mit Punkrock. Über 80% unseres Fanclubs entschied sich dafür, bereits am Vortag Dortmund mit unserer Anwesenheit zu beglücken und so besuchten wir das wundervolle Subrosa in der Dortmunder Nordstadt. Für Punkrockaffine Menschen, die der progressiven Entwicklung (mehr FLINTA* auf und (ganz vorne) vor der Bühne, inhaltlich weit über den längst schon nicht mehr reichenden GEGEN NAZIS-Konsens hinaus, der im Grunde ja nie gereicht hat, und last but not least Rücksichtnahme statt egoistischem Gehabe) durchweg positives abgewinnen können, seien direkt einmal die drei aufgetretenen Bands ans Herz gelegt: Der Opener Spuhk (aus Köln) mit Tati Tatort (Rainbow Dash, Manufraktur) am Gesang zauberte bei ihrem ersten Auftritt großartigen Düsterpunk auf die Bühne. Danach Cat Piss Potion aus Dortmund mit ihrer Release-Show. Das auf 30 Exemplare (ansonsten nur digital) limitierte "Millennial Breakdown"-Tape, das komplett durchgespielt wurde, stellt die Themen Feminismus und Depressionen in den Mittelpunkt, verpackt diese ernsten Felder teils in witzige Ironie (die sich dennoch als dicker Kloß im Hals ausbreitet) und macht sie dadurch etwas leichter zugänglich. Der Riot Grrrl Grunge-Sound passt dazu perfekt. Es war absolut beeindruckend, mit welcher absolut fantastischen Bühnenpräsenz die Sängerin hier den kleinen Raum einnahm. Gänsehaut pur! Als dritte Band "Spliss" mit wundervollem Darkwave und Lisa von "Speck und Knochen" am Gesang. Ebenfalls ein zauberhafter Klangteppich, der von Lisa's ganz, ganz leicht und ab und zu an Nina Hagen erinnernden Gesang perfekt in Szene gesetzt wurde. Jetzt schon Konzert des Jahres. Danke dafür! Jetzt aber ab ins Bett und morgen fit sein. Gute Nacht I.!

Anreise

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100% Fanclub-Quote am Start. Fein. Der größte Teil davon reist über den S-Bahnhof Universität an, weil die Böcke auf volle Hauptbahnhöfe, volle Anschlussverbindungen von dort und bla nicht gerade überragt. Wir brauchen noch etwas vermeintliche Idylle um runterzukommen (netter Versuch). Das hat ja fast schon Tradiotion (zumindest mehr als RBL) durch - sofern vorhanden - Wälder und Wiesen zu wandern, um die Schrittzähler zu besänftigen. Zwar sind es dieses Mal nur ca. 3,5 km, aber es hilft gegen Dauervibrationen am Handgelenk.

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Vorsicht ist die Mutter der Reisewütigen und so beschließen wir zumindest auf diesem Stück Weg die Fortbewegung inkognito. Fanclubmitglied R. übertreibt es bei der angeblich zufällig gewählten Farbauswahl aber schon ein wenig (siehe Beweisfoto oben).

171321 oasisManchester stabil

Ankunft

Lange Rede, wenig Sinn: Wir kommen irgendwann an und irgendwie ist mir das hier alles viel zu groß. Überdimensionale Videowände über den Eingängen, aber immerhin entspannte Ordner im Block 58, die uns ihr Leben erzählen.

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Inside

Das Stadion öffnet 2,5 Stunden vorher und wir stehen dank meiner Hochsensibilität zu diesem Zeitpunkt natürlich längst am Eingang. Gründlich gefilzt hängen wir flott den Lappen auf und ich gebe alles, um jetzt endlich mal wirklich ein Stück runterzukommen. Das gelingt tatsächlich, allerdings auch nur für maximal eine Stunde. Ich bin mega angespannt, schon den ganzen Tag und spätestens, als die Teams den Rasen zum warm machen betreten, setzt dieser Modus wieder ein und ändert sich auch nicht mehr.

180838 bannerSt. Pauli leuchtet nur hier.

Ich habe keinen blassen Schimmer, warum dieses Stadion so abgefeiert wird. Vielleicht liegt es schlichtweg an der Tatsache, dass hier über 81.000 Menschen Platz finden. Als ich hier zuletzt war (irgendwann in den 90ern), lag die Stadionkapazität noch bei 55.000. Das war irgendwie cooler. Der Preis für den Ausbau ist eine extrem beschissene Sicht aus unserem Block. Wir haben Karten für die Reihen 35 bis 39 für 38 bis 49 Euro im Eckblock (also direkt oberhalb der Eckfahne). FCSP-Fans im Block 70 müssen gar 66 Ocken hinlegen. Und das für Plätze hinterm Tor. Ey, geht´s noch?! Wir sind so weit weg, dass ich im Laufe des Spiels unsere Spieler bestenfalls an ihren Bewegungen und Positionen erkennen kann. Dazu nervt diese an Seilen befindliche Kamera über dem Spielfeld, die ständig irgendwo mit im Blickfeld hängt. Nicht so, dass die groß was verdeckt, aber sie irritiert doch arg.

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Außerirdische versuchen währenddessen sich mit merkwürdig flachen Ufos Plätze, die noch weiter weg sind, zu sichern. Angetrieben von Chemtrails schaffen sie es aber leider nicht über die viel zu hohen Tribünen. Beweisfoto:

182629 chemtrails

Von mir aus kann es jetzt auch mal losgehen. Inzwischen läuft auch "Dortmund, ich komm aus dir" von Hermann Grönefelder, aber irgendwas fehlt noch...

Die Stimmung

Jepp: USP & Co. stehen tatsächlich noch im Stau. Was für ein ärgerlicher Scheiß, aber irgendwie schaffen wir es in diesen 28 Spielminuten einen wirklich guten Oldschool-Support ins Rund zu brüllen. Und tatsächlich mit wenig Gegenwehr von der Dortmunder Südtribüne. Ich bin wirklich arg überrascht. Diese hochgelobte Gelbe Wand ist wirklich nur optisch zu erkennen. Der Supportanteil ist in Relation zu dieser riesigen Tribüne äußerst gering. Während es bei uns ordentlich hallt, kommt von der anderen Seite bis zu uns so gut wie nix an. Im gesamten Spiel hören wir die Dortmunder*innen auf der Süd vielleicht drei Mal kurz. Das ist wirklich enttäuschend.

Und auch wenn es ohne USP gut funktioniert hat: Es ist was komplett anderes. Es fehlt schlichtweg der Dauersupport. Ja, es war cool, es war teils druckvoll und es war auch alles andere als wenig, was da von Minute 1 bis 28 aus unseren Blöcken kam. Aber es gab eben auch Lücken, die USP ab jetzt nicht mehr aufkommen lässt. Und das ist gut so! 

Und dank dieser 28 Minuten, wo wir uns teilweise die Seele aus dem Leib geschrien haben, weiß ich nun auch um einen weiteren Vorteil des Ultra-Supports: Denn dieses 28 minütige Gepeitsche hat ausgereicht, um mich seit Ewigkeiten mal wieder heiser zu machen. Als ich am nächsten Morgen aufstehe, ist meine Stimme fast weg und ich bin mir sicher, dass das an diesen ungewohnten ersten 28 Minuten lag. Meine Stimmbänder sind dieses Geschrei einfach nicht mehr gewohnt und diese von einigen traurigen Menschen oft als "Dauersingsang" diffamierte Ultra-Support-Kultur lässt es vielleicht auch einfach besser zu, dass mensch gut 90 + X Minuten durchsupporten kann.

Zur 2. Halbzeit gibt es eine nette Pyroshow mit Geflacker. Hier die ausführliche Dokumentation dazu:

1. Vorbereitung (siehe links)

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2. Action

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3. Nachbereitung (siehe nochmal links)

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Randgeschehen

Bereits seit 2015 (!) gibt es beim BVB diese Aktion. Ich hatte ja schon beinahe vermutet, dass diese Biertragedinger extra für uns hergestellt wurden:

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Mit Ableismus hingegen scheint Mann (aka Entscheidungsträger) beim BVB hingegen deutlich weniger Probleme zu haben und so darf dieser ältere Herr, einst überaus erfolgreicher Stürmer des BVB und hey, natürlich voll Kult, nach wie vor nicht nur als Stadionsprecher fungieren, sondern auch beim BVB-Netradio in seiner ach so tollen authentischen Art weiterhin mitwirken:

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Diesen Link hier schieben wir mal noch ergänzend hinten dran, denn mit Ableismus ist es längst nicht getan. Aber vielleicht hat dieses ganze Diskriminierungsding bei einigen ehemaligen BVB-Spielern auch irgendwie... Tradition? Hm...

Sorry, Leute, jetzt schon wieder viel zu viel Querverweise. Uns wären Queerverweise auch deutlich lieber. Vielleicht nehmt ihr euch einfach einen Tag frei für all das hier. Könnt ihr nicht? OK, dann kommen wir im Rahmen des Randgeschehens vielleicht besser zurück zum Bier, das ist doch wesentlich entspannter, da muss mensch sich über all das keine Gedanken machen: Das Bier ist nämlich bis 2 Stunden vor Anstoß oder so 19% (auch oder so) preiswerter und offensichtlich will mensch damit dieser wohl eher kontraproduktiven Idee entgegen wirken: 

becher

Oder soll damit angesichts der Einwegbecher, die auf das schlechte Gewissen der dafür Verantwortlichen treffen (haha, schlechtes Gewissen, der war gut!), irgendwas durch Müllminimierung kompensiert werden? Sicher nicht, denn schnell wird klar, dass diese Vorgabe eher Trotz bei einigen Besucher*innen hervorruft. Vermutlich war genau das die nun endlich gelüftete Taktik, die hinter diesem bisher schwer durchschaubaren Konstrukt steckt.

Auch das hier dürfte eher Randgeschen als alles andere sein: Die Zeit vor dem Anstoß. Puuh... ok, längst nicht so extrem auf Event gemacht, wie beim verhassten Dortmunder Lokalrivalen aus der 2. Liga. Aber diese teils grausame Musik und dieses Pipapo... und dann dieses ständige Reingefilme in die Blöcke vor dem Spiel und daraus resultierende Besucher*innen in Großaufnahme auf den Leinwänden, die dann auch noch größtenteils voll happy winken, eieiei... was bin ich froh, dass das bei unserem Verein komplett anders ist. 

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Dafür können sie sowas wie vermutlich unbewusste Selbstironie. Denn als ein Dortmunder Spieler irgendwann (nicht wirklich) verletzt auf dem Boden liegt, wird auf der Anzeigetafel Werbung für die Onlineapotheke Doc M. eingeblendet. Chapeau!

Gezz abba: Das Spiel

Was für ein nervenaufreibender Scheiß! Ich fasse mich an dieser Stelle mal wieder kurz und verweise direkt auf die deutlich umfangreicheren Ausführungen von Tim vom Millernton, der wie gewohnt jede sportjournalistische Berichterstattung in diversen Sportmedien locker in den Schatten stellt.

Es war ein Auf und Ab der Gefühle. Zunächst das Tor durch Guilavogui nach einer halben Stunde, das uns in eine erste Ekstase versetzte. Soweit ich das spontan überschaut habe, sind wir abber alle verletzungsfrei geblieben. Von hier oben wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass da irgendwas hätte abseits sein können. Der VAR war da jedoch anderer Meinung. Stattdessen kurz vor der Halbzeit die Ernüchterung: Das 1:0 für die Borussen. Buääh!

Und dann dieses unfassbare Traumtor durch Smith und danach nur noch 12 Minuten plus Nachspielzeit. Nix für meine Nerven. Dann Schiri Jöllenbeck, der die eine oder andere Gelbe Karte gegen die Dortmunder in der Tasche lies, der kurz vor Schluss nicht auf Elfmeter für uns entschied (keine Ahnung, ob mensch den hätte geben können, von hier oben unmöglich zu erkennen) und dann dieses... 2:1 für Dortmund. Die Magengrube fand das richtig scheiße.

Ende, Aus, Nikolaus

Und damit wären wir wieder beim "Dieses Gefühl zwischen Enttäuschung und irgendsowas ähnliches wie Stolz light (irritierend!). Vielleicht ist es aber auch Zuversicht oder einfach trotzallem ein Stück Glückseeligkeit, angesichts dieser Verbundenheit und Energie, die diese away-Spiele für mich dieses Jahr noch besonderer machen. Es ist einfach komplett anders, irgendwo hin zu fahren um dort gefühlt jedes Spiel gewinnen "zu müssen", um aufzusteigen. Jetzt sind wir wieder der Liga-Underdog und trotz des erneuten Nackenschlages haben wir ein bis zuletzt sich aufbäumendes Team gesehen, hinter dem ein geballter, zusammengeschweißter Away-Block steht." Danke dafür!

Gute Nacht!

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Mehr vom Spiel aus Fansicht:

Millernton: Alles andere als chancenlos

Magischer FC: Auto gefahren zu spät da - Stau geplagte Antifa

Millernstrain: ach ja, fußball