Ja, das Thema lässt uns nicht mehr los. Wir sind schlichtweg zu angepisst bezüglich dessen, was da im Zuge der DHvSP-Recherchen gerade so abgeht. An dieser Stelle möchten wir uns kurz dem Museum widmen, wo die Recherche entstanden ist.

Wir rollen das Thema hier ansonsten auch nicht wieder weiter auf. Unseren bisherigen Senf dazu findet Ihr hier, hier und hier. Dort könnt Ihr auch nachvollziehen, dass unsere Angepisstheit sich nicht generell auf diejenigen bezieht, die sich trotz der bisherigen Recherchen das Lied theoretisch weiter als Vereins-/Stadionhymne vorstellen können. Viel mehr basiert unser Frust auf die teils unterirdischen Reaktionen: Angefangen bei den Pfiffen und Buhrufen gegenüber Oke und Sven, über die teils unfassbar relativierenden Kommentare in "sozialen Medien" bis hin zu Anfeindungen gegenüber dem Museum. Die Grenzen der Erträglichen sind längst überschritten.

Wir fänden es übrigens sehr hilfreich, wenn all diejenigen, die mitdiskutieren möchten oder ihre Meinung generell kund tun (egal welche Meinung letztendlich angenommen wird), sich zwei Quellen erstmal als Grundlage draufpacken: Das wäre zum einen der Podcast mit der Recherche (ab Minute 45:40), um den sich im Grunde alles dreht und die Reaktion des Vereins. Ohne sich diese überhaupt erst einmal anzuhören und durchzulesen, ist eine Meinungsbildung aus unserer Sicht gar nicht möglich. Ein "ich weiß genau, was da gesagt wird" oder "es ist mir egal, was da gesagt wird" ist schlichtweg keine Diskussionsgrundlage und wer dann nicht ernst genommen wird, darf sich auch nicht über abweisende Reaktionen wundern. Mensch sollte schon wissen, um was es überhaupt konkret geht, bevor er seine Ablehnung - in welcher Form auch immer - kommuniziert. Und dann ist am Ende - so oder so - auch noch die Form, Ausdrucksweise etc. eine Frage der Würde.

Wer sich fragt, warum ausgerechnet jetzt, nach so vielen Jahren DHvSP im Stadion, überhaupt recherchiert wurde (und bis dato nicht bereit war, sich selber mit o.g. Quellen auseinander zu setzen): Der Museum-Podcast hat einen Themenvorschlag von einer*m Hörer*in erhalten und dieser hieß "Der Hafen". Auf Grund dessen landeten die Macher*innen - logisch - im FCSP-Kontext dann auch bei "Das Herz von St. Pauli" und stießen dabei auf bisher unbekannte Details. Es wäre nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht ein "no go", diese ungeahnten Erkenntnisse einfach unter den Tisch fallen zu lassen und die Nazi-Vergangenheit des (bis dato uns unbekannten) Textdichters zu ignorieren.

Wer auf Grund dessen jetzt ausgerechnet die Überbringer*innen dieser schlechten Nachricht auch noch angegreift, muss schon sehr hasserfüllt sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn solche Personen ihren teils angekündigten Bruch mit dem Verein auch konsequent vollziehen. Das hat null und nichts mehr mit Meinungsäußerung zu tun, sondern ist durch und durch zu verurteilen. Spätestens an dieser Stelle platzt uns dann doch die Hutschnur.

Einen Punkt möchte ich abchließend noch aufgreifen, der in unseren bisherigen Artikeln noch keine Beachtung gefunden hat: Ich stoße immer wieder auf Stimmen, die dazu auffordern, doch jetzt erst einmal die wissenschaftliche Aufarbeitung des Vereins abzuwarten und niemanden (sprich J. Ollig) vorzuverurteilen. An dieser Stelle wird aus meiner Sicht indirekt Celina's Recherche der wissenschaftliche Gehalt abgesprochen. Ich weiß ja nicht, was diese Leute noch groß zur Relativierung erwarten und halte mal kurz zwei wichtige, wissenschaftlich erwiesene, Erkenntnisse fest (die auch im Podcast zu hören sind; ja, ich übernehme das noch einmal für Euch):

1. J. Ollig hat sich bereits 4 Jahre vor der Machtergreifung der Nazis einer Zeitung angeschlossen, die sich zum Nationalsozialismus bekannt und mit ihren Artikeln wesentlich dazu beigetragen hat, dass die NSDAP überhaupt an die Macht kam.

"Er war Journalist und arbeitete ab 1929 für die „Hamburger Nachrichten“. Das nationalkonservative Blatt stand zu dieser Zeit bereits der nationalsozialistischen Ideologie nahe und unterstützte relativ offen die NSDAP. Schon 1932 war auf der Titelseite von „germanischen Edelmenschen“ und „polnischen Untermenschen“ die Rede."
(Celina im Interview mit dem Millernton)

2. J. Ollig hat als Kriegsberichterstatter zur NS-Propaganda beigetragen. Auch hier zitieren wir noch einmal aus Celina's Interview im Millernton:

"1941 wurde er Wortberichter bei den Propagandakompanien. (...) Während des grausamen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion, der Millionen Zivilist*innen und sowjetische Kriegsgefangene das Leben kostete, zeichnete Josef Ollig für die „Heimatfront“ das Bild des tapferen, ehrbaren und ewig siegreichen deutschen Soldaten."

Wer also in Bezug auf Ollig gerne das relativierende Bild des Opfer-Großvaters bemüht, von "durchschnittlich Schuldigen" spricht und sich bei Opa nicht von der generellen Täter-Opfer-Umkehr abbringen lässt, sei auch an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass diese eh fragwürdige Theorie hier nicht greift: J. Ollig war nicht "nur" (sic!) ein Mitläufer (sic!!), sondern hat diesen Weg bereits Jahre vor Hitler's Machtergreifung aus freien Stücken gewählt und zu dieser und zur Aufrechterhaltung des NS-Regimes beigetragen.

Zurück zu der Forderung, doch erstmal die wissenschaftliche Aufarbeitung des Vereins abzuwarten um sich ein Urteil zu bilden:

Aus meiner Sicht wird an dieser Stelle Celina indirekt das wissenschaftliche Arbeiten abgesprochen. Nur weil der Verein jetzt zusätzlich eine wissenschaftliche Dokumentation in Auftrag gegeben hat, heißt das nicht, dass die bereits vorliegenden Erkenntnisse nicht unter wissenschaftlichen Kriterien eingeholt wurden.

Das sehen übrigens auch diejenigen, die diese wissenschaftliche Aufarbeitung in Auftrag gegeben haben, nicht anders:

"Der Verein dankt ausdrücklich den wissenschaftlichen Recherchen des FCSP-Museums."
(Quelle: Vereinshomepage)

Des weiteren heißt es:

"Derzeit ist eine wissenschaftliche Dokumentation zu dem Lied und dem Urheber des Textes in Arbeit. Diese soll veröffentlicht werden, um die Diskussion noch fundierter führen zu können."

Für mich heißt das, dass die bisherigen Erkenntnisse nochmal aufgearbeitet und schriftlich nachlesbar zusammengefasst / dokumentiert werden. Vielleicht kommt noch das eine oder andere hinzu. Aber wer jetzt glaubt, dass da jetzt wer weiß was für neue Erkenntnisse zu Tage kommen oder dass die von Celina revidiert werden könnten, liegt meiner Ansicht nach falsch. Was sollte das auch sein, um diese Schuld zu negieren?

Ich sehe nichts, warum ich mir jetzt kein Urteil bilden sollte. Ich habe eine wissenschaftliche Basis, auf Grund derer ich das tue. Und wie das in der Wissenschaft so ist: Solange es keine neuen/anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, der Forschungsstand also ein anderer ist, dann gelten die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch für mich. Und da hier die genutzten Quellen größtenteils eine sehr hohe Qualität besitzen (Zeitungsartikel mit der Person als Autor), ist nicht davon auszugehen, dass sich der Forschungsstand wesentlich verändert. OK, mensch könnte noch behaupten, das sei alles gefälscht. Aber ich glaube diese Verschwörungsblöße geben sich nicht einmal die größten Kritiker*innen (zumindest habe ich solche Stimmen noch nicht gefunden).

Auf der Museum-Podcast-Seite ist ein Großteil der Quellen, die für Celina's Recherche genutzt wurden, klar angegeben. Jede Person, die die Recherche in Frage stellt oder Nachweise darüber wünscht, kann diese nutzen. Genau das ist wissenschaftliches Arbeiten: Recherchieren, sich auf möglichst unwiderlegbare Quellen berufen (z.B. Zeitungsartikel aus der Quelle der Person) und diese nachvollziehbar dokumentieren.

Jetzt kann mensch natürlich auch sagen: "glaub ich alles nicht, was da in den Quellen steht". Dann sind wir allerdings schon sehr nah am Geschichtsrevisionismus (bzw. sind genau dort). Und wer das wirklich in Kauf nehmen möchte, damit das Lied doch noch eine Chance bekommt.... (Satz darf jede*r für sich selber zu Ende führen).

Mein Dank und mein Respekt geht raus an das Museum, insbesondere an Celina. Um diese wichtige Arbeit zu würdigen und mich solidarisch zu erklären, werde ich nach dem posten dieses Berichtes in den gemeinnützigen Förderverein "1910 – Museum für den FC St. Pauli e.V." eintreten (wie viele andere es in den letzten Tagen auch getan haben). Wer das ebenfalls möchte, möge hier klicken.